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Starke VeränderungenDiese evangelische Kirchen in Köln stehen vor dem Aus

Lesezeit 4 Minuten

Der Wandel macht auch vor historischen Predigtstätten nicht Halt.

Traditionsstandorte im Agnesviertel und in der Südstadt werden sich gravierend verändern.

Es wird noch Jahre brauchen, bis die Veränderungen sichtbar werden, aber es schmerzt schon jetzt: Die evangelische Kirche in Köln-Mitte steht vor einschneidenden Maßnahmen. Vor rund einer Woche hat sie in einer Gemeindeversammlung ein erstes Konzept vorgestellt. Dem war ein Beschluss vorausgegangen, den das Presbyterium „mit überwältigender Mehrheit“ zugestimmt hat, berichtet Pfarrer Mathias Bonhoeffer, Vorsitzender des Leitungsgremiums. Betroffen von den Maßnahmen sind alle Kirchtürme, wobei die Veränderungen für die Lutherkirche in der Südstadt und die Thomaskirche im Agnesviertel am tiefgreifendsten sind. Sie werden mittelfristig nicht mehr als klassische Kirchstandorte erhalten bleiben. „Ja, es sind auch Tränen geflossen, als wir das der Gemeinde berichtet haben“, so Bonhoeffer. Und diesen Schritt zu gehen, fällt auch ihm nicht leicht, aber: „Weiter so ist keine Option“, betont er.

Was hat zu der Entwicklung geführt?

Die Evangelische Gemeinde Köln mit ihren drei Pfarrbezirken und noch fünf Kirchen (Luther-, Thomas- , Christus-, Antoniter- und Kartäuserkirche) umfasst zum größten Teil den Stadtbezirk Innenstadt – allein Deutz und Poll gehören nicht dazu. Bis 2019 war die Welt für die evangelischen Kirchen in diesem „Sprengel“ noch in Ordnung. In Zeiten, in denen andere Gemeinden schon einen deutlichen Mitgliederaderlass verzeichnen mussten, gab es in der Kölner Innenstadtgemeinde noch Wachstum. „Doch danach ging es bergab“, sagt Matthias Kämper, Finanzkirchmeister der Gemeinde, schonungslos. Und das „Bergab“ kann er genau skizzieren: „Es gibt eine Prognose der Landeskirche, wonach wir im Jahr 2030 noch rund 16 400 Mitglieder haben würden. Wir haben jetzt, im Jahr 2024, noch 15 000 Gemeindeglieder.“ Die Evangelische Gemeinde Köln wurde von dieser Prognose überholt.

Sind nur die Austritte Schuld?

Jedoch, der erdrutschartige Mitgliederschwund ist mit Vorsicht zu genießen. Es ist nämlich weniger so, dass die Menschen in der Innenstadt ihrer Kirche den Rücken kehren, als vielmehr ihrer Stadt. „Wir verlieren mehr Mitglieder durch Wegzug, als durch Austritt“, kann der Finanzkirchmeister bilanzieren. Die traurige Wahrheit: Vor allem junge Menschen auf dem Sprung zur Familie finden in der Innenstadt Kölns keinen adäquaten Wohnraum mehr. Also gehen sie dorthin, wo sie das Fundament für ihre Familie finden. Eine Entwicklung, die die Stadtverwaltung mindestens genauso beunruhigen müsste, wie die Kirchengemeinde.

Wie sieht der Personalplan aus?

Wobei: Die schwindenden Mitgliederzahlen sind nur eine Einwicklung, auf die reagiert werden muss. Die rheinische Landeskirche halbiert bis 2040 die Zahl der Pfarrstellen. Dieser Schritt hat in der Kölner Innenstadt schon Spuren hinterlassen. Pfarrer Hans Mörtter ist bereits in den Ruhestand gegangenen. „Ich werde bis spätestens 2027 in den Ruhestand gehen“, sagt Bonhoeffer. Diese Stelle wird unbesetzt bleiben, so dass es dann nur noch drei Pfarrstellen geben wird. Weniger Gemeindemitglieder, weniger Pfarrerinnen und Pfarrer, weniger Kirchen – es klingt wie ein stimmiger Dreiklang.

Was passiert mit den Kindergärten?

Und dennoch klingt er zu drastisch, als dass Bonhoeffer und Kämper nicht intervenieren müssten. „Wir werden fünf Standorte behalten“, sagt Kämper. „Luther- und Thomaskirche bleiben in ihren Bezirken.“ Und, ganz wichtig: „Wir werden auch den Kindergarten an der Thomaskirche in unserer Trägerschaft erhalten und behalten, genauso wie die Kita an der Kartäuserkirche“, sendet Bonhoeffer ein klares Signal an alle Kita-Eltern. Doch zur Wahrheit gehört eben auch, Thomas- und Lutherkirche werden keine Kirchen mehr in ihrer bisheriger Tradition bleiben.

Was passiert an der Thomaskirche?

Am weitesten gediehen sind die Pläne für die Thomaskirche. Der Kirchstandort soll gemeinsam mit der benachbarten evangelischen Karl-Immanuel Küpper-Stiftung zu einem diakonischen Standort ausgebaut werden. Das Ziel: Menschen mit Beeinträchtigungen ein weitestgehend selbständiges Leben zu ermöglichen. Zudem sollen zehn bis zwölf Appartements sowie Räume für die Gemeinde entstehen. „Davon wollen wir so viel wie möglich durch Umbau realisieren“, sagt Bonhoeffer. Die Thomaskirche ist ein in die Jahre gekommener, zweckmäßig gestalteter Bau. „An der Bausubstanz muss etwas getan werden“, sagt Kämper. Zumal unter der Vorgabe der Landeskirche, dass alle in Kirchenhand befindlichen Bauten bis 2035 klimaneutral sein müssen.

Was passiert an der Lutherkirche?

Offener sind noch die Perspektiven für die Lutherkirche. So viel ist sicher: Der Turm steht unter Denkmalschutz, er wird erhalten bleiben. Doch für die Bauten „zu seinen Füßen“ sieht es nicht gut aus. „Wir haben dort eine schwierige Bausubstanz“, drückt es der Finanzkirchmeister diplomatisch aus. Die Überlegungen, die bisher dazu im Raum stehen: „Wir wollen dort Mietwohnungen realisieren. Auch soll es weiterhin Gemeinderäume geben. Ein Hospiz scheint uns zudem für den Standort eine gute Idee zu sein“, so Bonhoeffer.

Wann werden die Folgen spürbar?

Alles also Zukunftsmusik? Ja und Nein. Dass die Standorte nicht bleiben, was sie bisher waren, das steht fest. Doch bis es soweit ist, wird noch einiges an Wasser den Rhein hinunterfließen. „Vor fünf Jahren passiert erst einmal nichts Offensichtliches. Es muss alles noch entwickelt werden und es wird in dieser Zeit unsere Aufgabe sein, die Menschen bestmöglich mitzunehmen“, so Bonhoeffer. Leicht geht es ihm das trotzdem nicht über die Lippen: „Beide sind vitale Standorte. Es tut einfach weh“, sagt der Pfarrer bei aller Einsicht in die Notwendigkeit.