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Erster Schwarzer im Stadtrat„Was ich erlebe, ist oft kein mutwilliger Rassismus“

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John Akude schreibt Geschichte, er zieht als erster Schwarzer in den Stadtrat ein.

Der Politikwissenschaftler Dr. John Akude (56) ist der erste Schwarze, der in den Kölner Stadtrat gewählt wurde. Er ist Mitglied der Wählergruppe Klima Freunde. Michael Fuchs sprach mit ihm über seine Pläne und seine Erfahrungen.Wie haben Sie den Wahlabend erlebt?Dr. John Akude: Es war irreal, einfach unfassbar. Ich hatte mit Listenplatz 2 auf ein Mandat gehofft, es irgendwann aber kaum noch für möglich gehalten. Dann ist der Traum tatsächlich wahr geworden. Das ist fantastisch.

Wie kamen Sie zu den Klima Freunden?

Wir haben uns auf Demos kennen gelernt. Ich habe gemerkt, das sind Leute mit ehrlichen politischen Überzeugungen und den gleichen Sichtweisen, was die zentralen Themen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Kampf gegen Diskriminierung betrifft. Im Frühjahr bin ich eingetreten. Das war vor der Ermordung von George Floyd und dem Erstarken der „Black Lives Matter“-Bewegung.

Seit wann leben Sie in Köln?

Ich kam im Dezember 1994 als politisch Verfolgter aus Nigeria nach Köln. Ich konnte kein Wort Deutsch und wollte nicht in Deutschland bleiben. Aber am selben Tag, als ich beschlossen hatte, nach England oder in die USA zu gehen, um dort meine Promotion auf Englisch abzuschließen, lernte ich in Köln meine künftige Frau kennen. Und so blieb ich hier.

Sie hörten also auf Ihr Herz statt auf den Kopf?

Genau. Ich höre immer auf mein Herz.

Warum wollten Sie in den Rat?

Ich möchte mithelfen, dass Köln gerechter wird, und meinen Beitrag dazu leisten. Gerechter für künftige Generationen durch konsequenteren Klimaschutz. Sozial gerechter. Und gerechter, was Chancengleichheit angeht – für ein buntes Köln ohne Diskriminierung.

Zur Person

John Akude stammt aus Nigeria und lebt seit 26 Jahren in Köln, er ist deutscher Staatsbürger. Der promovierte Politologe war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Köln und arbeitet heute als freiberuflicher Berater für Investition, Sicherheit und Entwicklung in Afrika und als Dozent. Der Familienvater (zwei Töchter) ist Fan des 1. FC Köln. Privat interessieren ihn Fußball, Fitness, Gartenarbeit, Lesen und Mode. (fu)

Es klingt vielleicht übertrieben, aber meine Meinung ist: Das Überleben der Menschheit hängt davon ab, wie wir in Zukunft mit diesen drei Themen umgehen – nicht nur in Köln, sondern global.

Nervt es Sie, wenn thematisiert wird, dass Sie der erste Schwarze im Stadtrat sind?

Nein, überhaupt nicht. Da ist ja etwas Neues für die Menschen, das kann man ruhig ansprechen. Ich bin glücklich, dass ich die Chance habe, mitzugestalten.

Haben Sie selbst Rassismus erlebt?

Ja, sicher. Als ich nach Deutschland kam, dachte ich, das ist ein gebildetes Land, da ist Rassismus kein Thema. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Ein Beispiel: Als ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni war, sollten sich Studenten bei mir anmelden.

Der Professor hatte ihnen nur die Zimmernummer genannt. Die kamen also rein, guckten mich an und gingen wieder. Irgendwann kamen sie dann zurück. (lacht) Oder einmal kam ich ins Büro, da war ein Handwerker mit der Heizung zu Gange. Der sagte zu mir: Hey du, hol’ mal den neuen Heizkörper von unten hoch.

Und dann?

Da habe ich das mal gemacht. Das Ding war richtig schwer. Anschließend habe ich mich an den Schreibtisch gesetzt und meinen Computer hochgefahren. Da dämmerte es dem Handwerker, dass das mein Büro war.

War es ihm peinlich?

Ich glaube, ja. Ich habe es ihm nicht übel genommen. Ich finde, so etwas muss man mit Humor nehmen. Was ich im Alltag erlebe, ist oft kein mutwilliger Rassismus, sondern das sind menschliche Fehler, die aus Gewohnheiten entstehen. Wenn man darüber redet, klärt sich das meist. Mit Verbissenheit kommt man da nicht weiter.

Das klingt fast zu entgegenkommend.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin absolut nicht kompromissbereit, wenn es um die Bekämpfung von Rassismus und Rassisten geht. Aber wenn man jeden kleinen menschlichen Fehler im Umgang mit einem Schwarzen als Rassismus anprangert, ist das doch kontraproduktiv.

Da besteht eher die Gefahr, dass man die Leute in die Arme der Rechten treibt. Da muss man auch mal locker bleiben und darüber reden. Wir Schwarze brauchen progressive Weiße, um Rassismus in Deutschland erfolgreich bekämpfen zu können.

Haben Sie schon konkrete Ideen für die Arbeit im Rat?

Anträge haben wir noch keine vorbereitet. (lacht) Aber klar ist, beim Thema Klimaschutz muss viel mehr Tempo rein. Der Kampf gegen Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit liegen mir ebenfalls sehr am Herzen.