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Erst zündeln, dann löschenKölner Feuerwehrmann erhält Haftstrafe auf Bewährung

Lesezeit 4 Minuten
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Warten auf den Prozessbeginn: Rechtsanwalt Stephan Rössler (l.) und der Angeklagte.

Köln – Jahrelang hat junge Mann (20), der schon als Kind bei der Feuerwehr arbeiten wollte, einen Helm mit Visier auf dem Kopf getragen. Als Elfjähriger wurde er Mitglied in der Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr, als Volljähriger wechselte er dann in den Einsatzdienst. An diesem Donnerstag trägt er statt Visier einen Aktenordner vor dem Gesicht, als er begleitet von einem Justizbeamten Saal 10 des Amtsgerichts betritt. Acht Autos soll er diesen Sommer in Wahn und Wahnheide angezündet haben, steht es in der Anklage, die von der Staatsanwältin verlesen wird.

Fall erschütterte die Kölner Feuerwehr

Ein Jugendschöffengericht verhandelt diesen Fall der Brandstiftung, der am 7. Juni die Kölner Feuerwehr erschüttert hatte. Zwischen dem 26. Mai und jener Juninacht brannten rund um den Wohnort und das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Wahnheide acht Fahrzeuge. Auf sein Schweigerecht verzichtet der Angeklagte, eifrig berichtet er von drei Taten, die er begangen habe. Drei von acht. „Von anderen Bränden weiß ich nichts“, sagt er. Gab es noch einen zweiten Brandstifter? „Einer der entscheidenden Punkte ist, ob die Brandserie nach der Festnahme aufgehört hat oder nicht“, gibt Richter Gerd Krämer zu bedenken. Eine Polizeibeamtin sagt später aus, dass nach der Festnahme des 20-Jährigen keine Fahrzeugbrände in Wahnheide mehr gemeldet worden sind.

Löschgruppe Esch

2000 gab es einen vergleichbaren Fall in Köln, die Feuerwehr musste eine ähnliche Situation meistern: Drei Mitglieder der Löschgruppe Esch waren damals festgenommen worden, weil sie insgesamt mehr als 20 Brände gelegt hatten. Der Schaden betrug rund 30 Millionen Deutsche Mark. Sie erhielten Haftstrafen. (EB)

Warum zündet ein junger Mann, der gerne Feuerwehrbeamter werden möchte, Autos an? „Ich hatte mitbekommen, dass es einen Brandstifter gibt und dachte: das kann ich auch“, erzählt der schmal gewachsene Mann im schwarzen Kapuzenpulli. Seit dem Tag seiner Festnahme sitzt er in Untersuchungshaft, seine Eltern sitzen im Zuschauerbereich des Gerichtssaals. In allen Fällen, die er zugibt, habe er Grillanzünder auf einen der Vorderreifen gelegt. Dann habe er den Tatort verlassen, sein nach Hause gegangen und habe auf die Alarmierung gewartet, um mit seinen Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr das Fahrzeug zu löschen. Es gibt sogar Fotos, die ihn beim Löschen der Brände zeigen.

Schon früh keimte im Kollegenkreis ein Verdacht

Juristisch interessant ist für das Gericht die Frage, ob der Angeklagte am 3. Juni in der Straße „Auf dem Acker“ ein Wohnmobil in Brand gesteckt hat, denn dieser Fall als schwere Brandstiftung, weil Personen hätten zu Schaden kommen können. Doch schon früh gab es innerhalb der Löschgruppe einen Verdacht gegen den 20-Jährigen. Bei einem Feldbrand hatte er selbst den Notruf gewählt, dies aber später bestritten. Wie es sich angefühlt hat, die Feuer zu legen, will der Richter wissen. „Das Gefühl war nicht gut. Ich habe überlegt, wie es jetzt dem Autobesitzer geht“, schildert er seine Empfindungen. Dennoch habe nach der ersten Tat, als ein VW-Golf ausbrannte, gedacht: „Da geht noch mehr“.Festgenommen wurde der Feuerwehrmann, der eine Schlosserlehre macht, am 7. Juni. Dieses Mal hatte er sich den Innenhof nahe des Mehrfamilienhauses seiner Mutter an der Frankfurter Straße als neuen Tatort gesucht. Nachdem er Grillanzünder auf dem Vorderreifen eines Autos entzündet hatte, war er von Zivilfahndern festgenommen worden. Jemand habe ihm 100 Euro geboten, wenn er ein Auto anzünde, hatte er den Beamten bei seiner Festnahme erzählt. Später habe er dann von 1000 Euro gesprochen. Eine Schutzbehauptung.

Als „sehr engagiert und vielleicht etwas übermotiviert“, beschreibt ein Kollege den Mann auf der Anklagebank. Ein anderer Kollege (19) berichtet, der Angeklagte sei nach den Alarmierungen bei den Autobränden im Sommer stets vor ihm selbst am Gerätehaus gewesen, „das war ungewöhnlich“, erzählt er. Der Anwalt des Angeklagten hat da seine Zweifel und will es genauer wissen: „Jetzt gehen wir mal alle Fälle durch, mein Freund“, kündigt er an, um nach zwei wackeligen Antworten festzustellen: „Er hat keine Ahnung und haut hier nur eine Geschichte raus“. Es folgen Tränen beim Zeugen.

Doch am Ende hat seine Aussage Gewicht. Konfrontiert mit der Beweislast und der Aussicht auf eine Bewährungsstrafe, knickt der 20-Jährige schließlich nach neun Stunden Verhandlung ein und gesteht, alle acht Brände gelegt zu haben. Der Richter verhängt eine zweijährige Haftstrafe und setzt diese zur Bewährung aus. Dadurch darf der Brandstifter das Gericht als freier Mann verlassen. Seit seiner Festnahme im Juni hatte er in Untersuchungshaft gesessen.