Erhebliche FolgenDer Rheinpegel steuert auf ein neues Rekordtief zu
Köln – Mit einem leichten Rumpeln setzt die Fähre „Fritz Middelanis“ am Rheinufer in Langel auf. Viel Platz zum Anlanden hat Fährführer Erik Hoogstra (52) nicht mehr. Beim momentanen Niedrigwasser nutzt er bereits die letzten Zentimeter der Betonrampe. Fällt der Pegel noch weiter, würden die Landeklappen mitten auf den Felsbrocken liegen, die der Strom freigegeben hat. Dann muss der Betrieb eingestellt werden.
„2018 war das für zwei Wochen der Fall“, erinnert sich Hoogstra. Damals sank der Rheinpegel in Köln auf das Rekord-Tief von 67 Zentimetern (siehe Grafik). Am Dienstag waren es 91 Zentimeter, gestern 94 Zentimeter, derzeit verändert sich der Wasserstand kaum. Im Dürresommer 2018 lag der Pegel am 10. August bei 1,23 Meter, vor einem Jahr waren es 4,41 Meter. Einiges spricht dafür, dass der Rekord von 2018 in diesem Jahr geknackt wird. Ergiebige Regenfälle sind nicht in Sicht, das hat Folgen. Ein Überblick.
Die Aussichten
Trockenheit und Sonne satt bestimmen die Großwetterlage. „Eine seriöse Prognose, wie tief der Rheinpegel noch fällt, ist nicht möglich“, sagt Marc Daniel Heintz, Geschäftsführer der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). Klar sei aber: „Wenn es trocken bleibt, nähern wir uns dem Rekordtief von 2018.“ Tiefstände würden normalerweise im Herbst gemessen, wenn aus den Alpen kein Schmelzwasser mehr komme. „Dass wir jetzt schon so niedrige Pegel haben, ist ungewöhnlich.“
Triathlon
23 Tage dauert es bis zum Köln-Triathlon am 4. September, bei dem die Schwimmdisziplin im Rhein stattfinden soll. Trotz niedrigem Pegel werde genug Wasser vorhanden sein, um das Schwimmen im Rhein durchzuführen, teilte der Veranstalter gestern mit.
Vom Start im Deutzer Hafen bis zum Ausstieg im Rheinpark werde die vom Verband vorgegebene Mindesttiefe von einem Meter vorhanden sein, da sich die Gesamttiefe aus dem Kölner Pegel plus 1,11 Meter zusammensetzt.
Für den Triathlon wird die östliche Hälfte der Fahrrinne für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Schwimmer werden von DLRG und Wasserschutzpolizei mit Booten und Surfbrettern begleitet. (fu)
Die Fähre
Noch kommt die Crew mit den widrigen Bedingungen klar. „Wir nehmen weiterhin auch Lkw und Traktoren bis 32 Tonnen Gewicht mit“, sagt Hoogstra. Aber man müsse sehr aufpassen, dass das Schiff nicht auf Grund läuft. Es lauern Kiesbänke im Rhein, die im trüben Wasser kaum zu erkennen sind. Hindernisse, die sich schnell verändern können. „Die Schiffsschrauben wirbeln Kies auf und verteilen ihn. Manchmal hören wir Kiesel gegen den Rumpf klackern“, so Hoogstra. Die Fähre Zons-Urdenbach hat den Betrieb bereits wegen des Niedrigwassers eingestellt. Für die Fähre Langel-Hitdorf ist bei rund 80 Zentimern Pegel Schluss.
Die Wirtschaft
Güterschiffe können wegen der niedrigen Wasserstände derzeit nur einen Bruchteil der üblichen Ladungsmenge transportieren. Christian Lorenz, Sprecher der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK), nennt Salztransporte vom Neckar nach Köln als Beispiel: „Normalerweise fasst ein Schiff rund 2100 Tonnen. Am 1. August kamen 889 Tonnen in Godorf an, am 8. August nur noch 655 Tonnen. 2018 waren es zeitweise sogar bloß 300 Tonnen.“
Weniger Ladung bedeutet mehr Fahrten und höhere Kosten, Unternehmen drohen Materialengpässe. Im Dürrejahr 2018 nahm der Warentransport auf deutschen Flüssen und Kanälen um rund elf Prozent ab, das Wirtschaftswachstum kam zum Erliegen. Auch Ausflugsschiffe werden ausgebremst. Wegen des Niedrigwassers kann die Köln-Düsseldorfer (KD) ihren historischen Schaufelraddampfer „MS Goethe“ nicht mehr auf dem Mittelrhein einsetzen. Die Siebengebirgstour von Köln nach Linz geht derzeit nur bis Königswinter, weil die Wassertiefe an einigen Anlegern nicht ausreicht.
Auch schwimmende Restaurants sind von der Dürre betroffen. Das Sürther Bootshaus am Leinpfad liegt momentan komplett auf dem Trockenen. Betreiber Jörg Blöck berichtete, dass sich die Pontonkonstruktion teils irreparabel verzogen hat.
Die Gefahren
Die Hitze bringt viele dazu, im Rhein Abkühlung zu suchen. Doch im Fluss zu schwimmen, ist lebensgefährlich. Immer wieder ertrinken Menschen. „Wer glaubt, bei Niedrigwasser sei Baden im Rhein ungefährlich, der irrt sich gewaltig“, so Rolf Nagelschmidt vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Köln (WSA). Die Strömung sei tückisch, und gegen den Sog der Schiffsschrauben komme niemand an.
Auch am Ufer lauern Gefahren. Bei Niedrigwasser tauchen immer wieder Blindgänger und Munitionsreste auf, am Sonntag fanden Spaziergänger in Poll eine Granate aus dem ersten Weltkrieg. Auch ganze Autos fischt das WSA mitunter aus dem Rhein – etwa zwei bis drei pro Jahr, so Nagelschmidt. „Wenn der Pegel unter 67 Zentimer fällt, werden wir Dinge sehen, die wir noch nie gesehen haben.“
Die Natur
Bei der Hitze leiden auch die Fische. „Die kritische Wassertemperatur von 25 Grad wird im Rhein bereits regelmäßig überschritten“, so IKSR-Geschäftsführer Heintz. Für Lachs und Seeforelle werde es dann ungemütlich. „Sollten die Temperaturen weiter steigen, könnte ein Fischsterben drohen wie 2003.“ Schwer abzuschätzen seien die ökologischen Langzeitfolgen. Der Klimawandel begünstige die Ausbreitung invasiver Tierarten wie Schwarzmundgrundel und Quaggamuschel, die heimische Flusstiere verdrängen.