An der Spitze von Marillion schrieb er Musikgeschichte. Nun ist „Fish“ reif für die Insel.
Emotionaler Abschied„Fish“ hat seinen letzten Auftritt in Köln
Zu Auszügen aus der Overtüre von Gioacchino Rossinis „La gazza ladra“ betritt ein stattlicher, rasierter Derek William Dick alias „Fish“ um Punkt 20 Uhr die Bühne des ausverkauften Carlswerk Vicoria. 1600 Fans standen dicht an dicht und konnten es hörbar kaum erwarten, ihr Idol noch ein letztes Mal auf der Bühne zu sehen. Es wurde ein von beiden Seiten emotionaler und von Seiten der Fans frenetischer Abschied.
„Farewell Tour 2024“ steht auf dem Foto-Pass der Journalisten. Der offizielle Titel meint dasselbe, ist aber poetischer: „Road to the Isles 2024/2025“ heißt Fishs letzte Tournee, bei der er auch für zehn Stationen in Deutschland gastiert. Mit „Isles“ ist hier die Insel-Gruppe der Hebriden gemeint. Auf eine dieser der Westküste Schottlands vorgelagerten Inseln möchte Fish sich nach Abschluss der Tour mit seiner Frau zurückziehen, um dort in einem Bauernhof zu leben und Drehbücher und Romane zu schreiben. Auf dem Weg dorthin wird aber noch ein letztes Mal auch in Köln gerockt.
Ein Blick zurück
Der Abend beginnt mit einem Blick zurück: „Vigil In the Wilderness of Mirrors“ vom gleichnamigen 1990er Debüt-Album des Schotten, welches es damals auf Platz sechs der deutschen Album-Charts schaffte und sich 20 Wochen lang in der Hitliste hielt. Mit „Credo“ folgte gleich darauf ein Lied von Fishs zweitem Solo-Album „Internal Exile“ (1990).
Eine klare Chronologie im Sinne einer geordneten Rückschau hatte das Kölner Set jedoch nicht. „Ich spiele auf der Tour die Songs, die mir besonders wichtig sind“, erklärte Fish im Laufe des Konzertes, „da kann es auch schon mal sein, dass der eine oder andere denkt: Was zum Teufel ist das denn jetzt für ein Song?“Hiermit meinte Fish an diesem Abend unter anderem das epische, sechsteilige Stück „Plague Of Ghosts“, das eine vertonte Traumreise zwischen Düsternis und Hoffnung sein könnte – inklusive druckvoll rollender Teile („Diggin Deep“) mit einem Groove wie bei Peter Gabriels „Digging in The Dirt“, aber auch minutenlanger Text-Rezitation zu stehenden Tönen („Chocolate Frogs“).Zweieinviertel Stunden lang zeigte der gebürtige Schotte, der angeblich einst von seinen Studenten-Freunden „Fish“ getauft wurde, weil er gerne stundenlang in der Badewanne liegt, das volle Repertoire seines Könnens.
Hypnotische Songs
Neben oft epischen, teils hypnotischen Songs und teilweise 13 Minuten langen Liedern („Waverley Steps“) brachten Fish und seine gut eingespielte sechsköpfige Band auf einer nur mit bunten Scheinwerfern beleuchten, schlichten Bühne auch viele eingängige, teils ausgelassene und fröhliche Lieder wie „A Feast of Consequences“ zu Gehör. Und zum Glück waren nicht nur den Fans, sondern auch Fish die großen Klassiker bei seinem Kölner Abschied wichtig: Erstmals ebenso laut wie die Band sang das Publikum bei Marillions „Slàinte Mhath“, und auch „Kayleigh“, und „A Gentleman’s Excuse“ durften nicht fehlen. Bei „Lavender“ sang das Publikum begeistert teilweise die Strophe alleine, während Fish dirigierte. Nicht nur am Ende des Konzertes wurde in der Victoria-Halle ausgiebig gefeiert und vereinzelt sogar getanzt.
Zeit für Persönliches
Zwischendurch erzähle der 66-Jährige Persönliches, unter anderem über das Älterwerden: „Wenn ich morgens aufwache, denke ich: Das ist nicht mein Kopf, das ist nicht mein Bauch!“. Richtig gemerkt habe er sein Alter, als „meine Frau sagte, da komme ja jetzt regelmäßig Geld auf mein Konto und fragte, ob ich in letzter Zeit Fernseh-Auftritte gehabt hätte oder so. Nein, habe ich gesagt und dann gemerkt: Das ist meine Pension! Könnt ihr Euch das vorstellen, Leute, meine Pension!“.
Nach dreimaliger Rückkehr auf die Bühne verabschiedete sich Fish sichtlich gerührt mit einem letzten As im Ärmel, nämlich einem seiner schönsten Lieder: Er und seine Band spielten eine Version von „The Company“, , die selten intensiv und emotional geriet. „Mich mit Worten ausdrücken kann ich am besten. Ich bin ein Schriftsteller“, hatte der 66-jährige Schotte dem Kölner Publikum an diesem Abend fast entschuldigend erklärt. „Ein Schriftsteller, der das Glück hat zu singen!“ Den Sänger wird man wohl nicht mehr erleben, aber von den Hebriden aus wird der Schriftsteller Fish uns hoffentlich auch weiterhin mit Poetischem versorgen.