AboAbonnieren

Justizvollzugsanstalt OssendorfNeuer „Klingelpütz“ in Köln kostet eine halbe Milliarde Euro

Lesezeit 4 Minuten
Die JVA Ossendorf aus der Vogelperspektive.

Das größte Gefängnis des Landes Nordrhein-Westfalen in Ossendorf verfügt über mehr als 1000 Haftplätze.

2019 hatte das Justizministerium den Zeitplan für den Ersatzneubau der JVA Ossendorf schon verworfen. Nun sind die Pläne wieder auf dem Tisch und die Vorbereitungen gestartet.

Jetzt doch: Köln bekommt einen neuen „Klingelpütz“. Fünf Jahre nachdem die Pläne für einen Abriss und Neubau der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Ossendorf gestoppt wurden, gibt es konkrete Schritte bei der Planung. So könnten die Arbeiten für den Ersatzneubau des größten Gefängnisses in NRW nach Rundschau-Informationen ab 2026 starten und 2035/36 beendet sein. Nach rund 20 Jahren des Hin-und Her der Planung wird es wohl nicht nur der größte, sondern auch der teuerste Knast des Landes: Für den Bau ist knapp eine halbe Milliarde Euro an Kosten kalkuliert.

Projektsteuerer gesucht

Den Stein ins Rollen bringt der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB). Ein Sprecher bestätigt gegenüber der Rundschau: „Im ersten Schritt wird aktuell ein Projektsteuerer für die weitere Planung und Umsetzung der Baumaßnahmen in Köln gesucht.“ Dazu gehört in der Regel auch, dass die bisherige Planung noch einmal gründlich überprüft wird, besonders in den Aspekten Nachhaltiges Bauen. Auch neue Technik wie das sogenannte BIM (Building Information Modeling) soll angewendet werden. Dabei wird parallel zum Bau ein digitaler Zwillingsbau erstellt. Das hilft bei Reparaturen und Instandhaltungen.

Das Vorhaben ist allerdings sehr komplex: Der Neubau soll im laufenden Betrieb erfolgen. Dafür müssen allerdings die Häftlinge zeitweise umziehen. Wegen der landesweiten Kapazitäten an Haftplätzen könne der geplante Neubau der JVA Köln erst nach Fertigstellung der Neubauten der Justizvollzugsanstalten Münster und Willich I beginnen, so der Sprecher weiter.

Im Falle von Willich I steht der Neubau eines Hafthauses laut BLB kurz vor dem Abschluss. Die Bauzeit für das Gebäude mit 400 Haftplätzen, ein Mehrzweckgebäude sowie große Teile der Werkstätten beträgt rund drei Jahre. Anfang 2024 sollen die Arbeiten für den zweiten Bauabschnitt, in dem die jetzige Haftanstalt zurückgebaut und ein zweites Hafthaus errichtet wird, starten.

Ein Schloss an einem der Hafträume.

Im maroden Klingelpütz machen auch die Schlösser Probleme.

Die Arbeiten in Willich lassen bereits erahnen, wie aufwendig der Abriss und Neubau im Kölner Norden werden wird. Dieser soll in mehreren Abschnitten erfolgen, die jeweils als Außenbaustellen umgesetzt werden sollen. Der neue „Klingelpütz“ soll dann insgesamt 1000 Haftplätze für den geschlossenen Erwachsenenvollzug verfügen, 700 für Männer, 300 für Frauen. Bisher sind es 1171 Haftplätze, 37 davon im offenen Vollzug.

Kostenrahmen ohne Baunebenkosten

Rund neun Jahre Bauzeit sind laut Rundschau-Informationen angesetzt. Zur Kostenplanung heißt es in der Ausschreibung: „Für die Umsetzung der Baumaßnahme ist ein Gesamtkostenrahmen von rund 466.407.976,77 Euro (brutto) für die KG 200 bis 600 vorgesehen“.

KG steht in diesem Fall für Kostengruppen. Die vom BLB aufgeführten umfassen alle Baukosten, von den vorbereitenden Maßnahmen über das Bauwerk bis zu Außenanlagen und Ausstattung. Was dort jedoch nicht mitberechnet wird, sind die Baunebenkosten sowie die Finanzierungskosten. Zudem bedeutet Kostenrahmen in der Regel eine erste Grundlage der Bedarfsplanung. Insgesamt wird der Neubau der JVA Ossendorf also mindestens eine halbe Milliarde Euro verschlingen.

Hunderte Zellen nicht nutztbar

Wie dringend der Ersatzneubau ist, zeigt der Zustand der 1969 eröffneten Vollzugsanstalt. Bei dem stark maroden Gebäude waren Wanzen das geringste Problem, aktuell herrscht dort laut Rundschau-Informationen mal wieder eine Rattenplage. Erst Anfang des Jahres gab es einen Rohrbruch im Untergeschoss, bei dem Fäkalien aus den Rohren flossen. Asbest ist ein weiteres großes Problem. Wegen des Bauschadstoffs waren bereits 2019 mehr als 100 Zellen nicht nutzbar. Aktuell sollen es sogar rund 300 sein.

Der BLB-Sprecher erklärt zum Zustand: „Schon aufgrund ihres Alters erfüllen die Bestandsgebäude der JVA Köln nicht mehr vollumfänglich die Anforderungen an einen modernen Justizvollzug, weisen an verschiedenen Stellen Sanierungsbedarf auf und sollen deshalb durch Neubauten ersetzt werden.“

Umzug von 250 Insassen

Doch wie sicher ist der Zeitplan diesmal? Neben dem Hochbetrieb für die JVA in Willich baut der BLB auch in Münster. In beide Haftanstalten sollen die Insassen aus Köln verlegt werden. Wie die Rundschau erfuhr, gibt es bereits einen Plan für den Umzug, so sollen in einem ersten Schwung 250 Inhaftierte nach Willich umziehen, bevor die Arbeiten in Köln starten.

Parallel zu den drei Bauten in Köln, Münster und Willich hat der BLB in diesem Sommer auch Projektsteuerer und Generalplaner für einen JVA-Neubau in Iserlohn beauftragt. Zudem erklärt der Sprecher: „Um den Haftplatzbedarf in Nordrhein-Westfalen langfristig zu decken, sucht der BLB NRW im Auftrag des Ministeriums der Justiz in ganz Nordrhein-Westfalen nach möglichen Flächen für den Bau neuer Justizvollzugsanstalten. Die Flächensuche läuft landesweit und beschränkt sich nicht auf bestimmte Regionen.“