Der Kölner Verein Klug fördert die soziale Vernetzung im Liebig Quartier und fordert mehr Bürgerbeteiligung bei Stadtentwicklungsprozessen.
Initiative „Begegnungsrad“Kölner Verein entwickelt nachhaltige Ideen für Liebig-Quartier
Knapp 130 Hektar groß ist das Gelände zwischen Innerer Kanalstraße, A 57, Parkgürtel und dem Bahndamm entlang der Geldernstraße. Es ist unter dem Namen Liebig Quartier bekannt, rund 6500 Menschen leben dort, aber in gewisser Weise ist es ein Niemandsland geblieben. Ein Teil gehört zum Stadtteil Neuehrenfeld, Bezirk Ehrenfeld, der andere zu Bilderstöckchen, das liegt im Bezirk Nippes.
„Wenn man mit den Leuten redet, beklagen sie sich oft, dass viel von Ehrenfeld die Rede ist, auch vom Stadtteil Nippes gleich auf der anderen Seite des Bahndamms“, erzählt Kira Kollbach. „Für das Liebig Quartier interessiere sich niemand.“
Liebig Quartier: Kölner Verein setzt sich für nachhaltige, am Gemeinwohl orientierte Entwicklung ein
Kollbach ist seit zwei Jahren Koordinatorin des Projekts Begegnungsrad beim Kölner Verein Klug. Der Verein setzt sich angesichts des massiven Strukturwandels, der dem Quartier wegen des Abzugs von Großgewerbe und dem Sanierungsbedarf an Wohnhäusern und Infrastruktur bevorsteht, seit Jahren für eine nachhaltige, am Gemeinwohl orientierte Entwicklung ein. Konkret vor Ort auch für eine bessere Vernetzung und das gegenseitige Kennenlernen der Bewohner, von denen überdurchschnittlich viele unter 30 Jahre alt sind und eine Zuwanderungsgeschichte haben.
„Das Konzept Begegnungsrad haben wir vor drei Jahren entwickelt. Damals kündigte die Stadt an, die sogenannten dritten Orte zu fördern, also Räume für niedrigschwellige, kostengünstige Angebote in Bereichen wie Bildung, Beratung und Freizeit“, berichtete Milena Otte vom Verein Klug auf dem Abschlussfest des Projekts. „Unser ,dritter Ort‘ war allerdings mobil, die aufsuchende Version sozusagen.“
Klug-Mitglieder bereichern Quartier mit Begegnungsrad
Drei Jahre lang fuhren Klug-Mitglieder mit dem E-Bike mindestens einmal pro Woche durch das Quartier und packten an Orten wie dem Geldernpark Spiele, Bastelutensilien, Bücher oder Info-Material aus dem großzügigen Stauraum des Rads. „Sehr beliebt waren unsere Koch-Aktionen, das Rad verfügt über einen Gasherd, einen Kühlschrank und eine Spüle“, so Kollbach. Zwischen einem Dutzend und bis zu 80 Menschen hätten sie mit ihren Fahrten jeweils erreicht, doch nun ist der Förderzeitraum zu Ende.
Die Arbeit des Vereins Klug aber geht weiter, das zeigte sich auch auf dem Abschlussfest des Begegnungsrades vor den Räumen des Vereins in der Liebigstraße 257, bei dem die Anwohner zu Kaffee, Kuchen, Waffeln und Chili sin Carne eingeladen waren. Drinnen liefen eine Veranstaltung mit Tipps zum Energiesparen und ein Repair Café für Fahrräder, im „Offenen Wohnzimmer mit dem Team Liebig“ wurde über das Räumliche Entwicklungskonzept (REK) der Stadt für das Liebig Quartier diskutiert.
Bereits im März hatte das Amt für Stadtentwicklung und Statistik das REK öffentlich vorgestellt (der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete), im September wurde den Bezirksvertretungen Ehrenfeld und Nippes, die nur ein Anhörungs-, kein Entscheidungsrecht haben, eine leicht modifizierte Fassung vorgelegt.
Entwicklungs-Konzept für Liebig Quartier: Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung
Im Konzept, das die Verwaltung als „Selbstverpflichtung“ ansieht, ist von bezahlbarem Wohnraum und der Verbesserung der Lebensqualität durch mehr Grün die Rede, von sicheren Rad- und Fußwegen und einer Anpassung an den Klimawandel. Kleinteiliges Gewerbe und Gastronomie sollen an den ehemaligen Standorten von Schlachthof und Molkerei angesiedelt werden.
Der Verein Klug hat inzwischen eine Stellungnahme verfasst, in der er begrüßt, dass „erstmals ein ganzheitlicher Rahmenplan für die Entwicklung dieses komplexen und für die Stadtentwicklung Kölns bedeutenden Gebiets vorliegt“. Einen „deutlichen Präzisierungs- und Nachsteuerungsbedarf“ sieht der Verein allerdings auch.
Angemahnt wird etwa die Einbeziehung von Initiativen und Anwohnern in Formaten wie einem „Runden Tisch“ oder einem „Quartiersrat“, die gezielte Ansiedlung von zukunftsweisenden, nachhaltig arbeitenden Unternehmen, oder der Ankauf von Flächen beziehungsweise die Anwendung des Vorkaufsrechts durch die Stadt, um „spekulativen Entwicklungen und Mietsteigerungen vorzubeugen“.
Die Bezirksvertretung Nippes hat bereits einen Beschluss gefasst, wonach die Verwaltung bei der Umsetzung des REK eine Kooperation mit den örtlichen Vereinen, Initiativen und Gewerbetreibenden eingehen soll. Deren Ideen und Anregungen sollten „wohlwollend geprüft“ werden.
Einige Ehrenfelder Bezirksvertreter hatten noch Beratungsbedarf und möchten sich vor ihrem Beschluss auf der Sitzung am 4. November noch einmal mit Vertretern des Vereins Klug unterhalten. „Die Vorschläge des Vereins sind beachtenswert, die Formulierung der Nippeser BV erscheint mir dagegen etwas zu vorsichtig“, meint Jürgen Brock-Mildenberger von der Ehrenfelder SPD-Fraktion.