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Max Becker-Gelände in EhrenfeldHier sollen 1300 neue Wohnungen für Köln entstehen

Lesezeit 5 Minuten

Wertvoller Baugrund im Herzen des Bezirks Ehrenfeld ist das Max Becker-Gelände.

Ehrenfeld – Nach der Entscheidung des Rats war Bezirksbürgermeister Josef Wirges spürbar erleichtert. „Das ist eine Riesenchance, die schlimmsten Folgen der Gentrifizierung in Ehrenfeld zu vermeiden“, kommentierte er den mehrheitlichen Beschluss des Gremiums. Er sieht vor, als Grundlage für die weitere Entwicklung des Areals zwischen Widdersdorfer Straße, Maarweg, Oskar-Jäger-Straße und der Bahntrasse Köln-Aachen einen städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen. Damit sollen die künftigen Nutzungsmöglichkeiten sowie Dichte und Höhe der Bebauung festgelegt werden, wobei ein Anteil von 30 Prozent öffentlich gefördertem Wohnungsbau und unter anderem Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Grünflächen vorgegeben sind.

Anlass für den Ratsbeschluss war die überraschende Nachricht, dass die Metallverarbeitung Max Becker ihr rund 12,5 Hektar großes Grundstück an der Widdersdorfer Straße 194 im Dezember an das Immobilienunternehmen Pandion AG verkauft hatte. Die Pandion zieht derzeit just auf der anderen Seite der Bahnlinie, im Rahmen ihres „Ehrenveedel“-Projekts auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs an der Vogelsanger Straße, insgesamt 240 Eigentums- und 80 Mietwohnungen hoch. Viele davon im eher hochpreisigen Bereich, daher hatte die Nachricht vom Verkauf des Max Becker-Geländes an die AG die Befürchtung geweckt, an der Widdersdorfer Straße werde ein „Luxusquartier“ entstehen.

Grünflächen, Schule und Kindertagesstätten geplant

Wirges, der nach eigener Aussage bereits im vergangenen Sommer auf einer Immobilienmesse in München Pläne der Pandion für das Max Becker-Gelände gesehen und das Thema daraufhin ins Gespräch gebracht hatte, weiß auch, dass das Immobilienunternehmen einen hohen Preis für das Grundstück gezahlt hat. Und dass diese Kosten nun wieder hereingeholt werden müssen. Von „mindestens 150 Millionen Euro“ sei da die Rede gewesen, erinnert sich Wirges, und von einem Quadratmeterpreis von 9100 Euro für die Eigentumswohnung. Zum Vergleich: Im „Ehrenveedel“ nebenan verkauft die Pandion Wohnungen ab einem Quadratmeterpreis von 5747 Euro.

Offensichtlich alarmiert durch die öffentlichen Diskussionen hatte die Pandion Mitte der vergangenen Woche in einer Pressemitteilung angekündigt, insgesamt seien auf dem Max Becker-Gelände „rund 1300 neue Wohnungen – darunter circa 400 im sozial geförderten Segment“ geplant, außerdem „umfangreiche öffentliche Frei-, Spiel- und Grünflächen, Angebote für altersgerechtes Wohnen, eine Schule, mehrere Kindertagesstätten.“ Pandion-Vorstand Reinhold Knodel erläutert auch, dass die Planungen für das Gelände schon lange vor dem Ankauf begonnen hätten, auch seien die stadtentwicklungspolitischen Sprecher der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP und Die Linke schon informiert worden: „Die Planungsideen sind fraktionsübergreifend auf großen Zuspruch gestoßen“, schreibt Knodel.

Wertvoller Baugrund im Herzen des Bezirks Ehrenfeld ist das Max Becker-Gelände.

Sabine Pakulat, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, bestätigte, dass ein solches Treffen stattgefunden hat: „Wenn die Pandion nun kritische Fragen als ,Zuspruch’ wertet, dann ist das eine sehr freie Interpretation.“ Andererseits sei auch klar, dass der Rat dieses Areal angesichts des Mangels an Wohnraum nicht als Industriegelände belassen, sondern Wohnungsbau ermöglichen möchte. Da seien die Optionen begrenzt. Zwar habe die Rheinenergie, die nebenan ein größeres Grundstück für die Gasversorgung inklusive Umspannwerk besitzt, als Vorbesitzerin einiger Parzellen auf dem Max Becker-Gelände noch eine Rückkaufoption bis Anfang März: „Aber dann müsste sie den gleichen Preis zahlen.“

Aus diesem Grund hält auch Martin Berg, Fraktionsvorsitzender der CDU in der BV und von Beruf Rechtsanwalt, den im Ratsbeschluss enthaltenen Passus, die Verwaltung solle darauf hinwirken, dass die Rhein-Energie AG ihr Vorkaufsrecht prüft und gegebenenfalls anwendet, für ziemlich utopisch. Er widerspricht auch dem Gerücht, die Stadt hätte ihr Vorkaufsrecht ziehen können. „Hier handelt es sich um ein Geschäft zwischen zwei Privatunternehmen, da kann die Stadt höchstens eingreifen, wenn es sich bereits um ausgewiesenes Bauland handelt.“ Berg ist aber ebenso wie Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der BV, zufrieden mit dem Ratsbeschluss, der es ermögliche, die Entwicklung im gesamten Gebiet zwischen Oskar Jäger-Straße und Maarweg – und sogar im ebenfalls erwähnten gesamten Rahmenplangebiet – zu steuern: „Manchmal ergeben sich ja ganz unvermittelt Möglichkeiten, wenn Betriebe schließen.“

Und Josef Wirges fordert die Bürger ausdrücklich zur Mitwirkung an dem Prozess hin zu einer sozial verträglichen Nutzung der letzten großen „Filetstücke“ Ehrenfelds zu beteiligen. „Da muss Druck aufgebaut werden, ich wünsche mir eine vertiefte Bürgerbeteiligung, so ähnlich wie beim Helios-Gelände. Entsprechende Signale von Bürgern habe ich schon vernommen. “

Anträge der Bezirksvertretung zum Max Becker-Gelände

Kontra Luxusquartier: Um einer unerwünschten Entwicklung hin zu einem Luxusquartier vorzubeugen, hatte die Ehrenfelder Bezirksvertretung schon im November des Vorjahres beantragt, die Stadt Köln solle dem Eigentümer des Max Becker-Geländes unverzüglich ein Kaufangebot unterbreiten. Dies gelte auch für die stadtnahen Gesellschaften, sofern sie eine Rückkaufoption auf Teile des Grundstücks besäßen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Gelände bereits verkauft ist, forderten die Ehrenfelder Bezirkspolitiker zu Beginn der vergangenen Woche in einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen und Einzelmandatsträger die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Areal zwischen Widdersdorfer Straße, Maarweg, Oskar-Jäger-Straße und der Bahntrasse. Es sollte als ein Mischgebiet ausgewiesen werden, ansonsten wäre in dem jetzigen Gewerbe- und Industriegebiet kein Wohnungsbau möglich.

Für diesen Bebauungsplan sollten ähnliche Vorgaben gelten, wie sie nun der Ratsbeschluss festlegt, allerdings ist im Antrag der Bezirksvertretung ausdrücklich von Wohn- und Pflegeheimen, einem Hospiz und einer „Fachausbildungseinrichtung für Sozial – und Pflegeberufe“ sowie vor allem von 20 Prozent „preisgedämpften Wohnungen und mindestens 20 Prozent Werkswohnungen“ zusätzlich zu den 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungen die Rede.

Im vom Rat beschlossenen gemeinsamen Antrag von CDU, Grünen und Ratsgruppe GUT entfallen diese spezielleren Festlegungen, es wird ein städtebaulicher Wettbewerb vorgeschaltet. Damit kann der SPD-Bezirkspolitiker Josef Wirges einigermaßen gut leben: „Unter ’preisgedämpft’ hatten wir uns einen Mietpreis von 10 bis 12 Euro vorgestellt, wie sie ihn die GAG etwa in ihrem frei finanzierten Wohnungsbau anbietet. Aber das Areal ist ja groß, da ist vieles möglich.“