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„Ich knacke jeden Panzerschrank“Kölner öffnet Tresore – ohne Gewalt und ganz legal

Lesezeit 4 Minuten
Lars Jelonnek sitzt hinterm Schreibtisch in seiner antiken Tresorsammlung

Lars Jelonnek sitzt hinterm Schreibtisch in seiner antiken Tresorsammlung

Was Kriminelle illegal erledigen, macht Lars Jelonnek im Einklang mit dem Gesetz: Der Kölner ist hauptberuflich „Tresorknacker“.

„Ich knacke jeden Panzerschrank, bei manchen Modellen dauert es 20 Minuten, bei anderen bis zu zwölf Stunden“, berichtet Lars Jelonnek, der zu den wenigen Spezialisten bundesweit gehört, die alte und neue Stahlschränke ohne Zerstörung öffnen können.

An der Klingel zu seiner Werkstatt steht „Tresorchirurg“; mit dem Kunst-Namen Chirurg möchte der gelernte Metallbauer zum Ausdruck bringen, dass er, wie ein Arzt, minimalinvasiv arbeitet. Der Begriff Panzerknacker stehe schließlich eher für das grobe Vorgehen beim „Knacken“ von Tresoren. Für das gewaltlose Öffnen muss Jelonnek nicht nur jedes Mal strategisch neu überlegen, sondern er braucht auch spezielles Werkzeug, das er teilweise selbst anfertigt. In der Regel schmeißt der Tresoröffner darum nie einen Schlüssel weg, denn man kann auch ältere Originalschlüssel umarbeiten oder noch einmal wiederverwenden.

„Tresorknacker“ brauchen Geduld und eine gute Fingerfertigkeit

„Viele Tresore haben auch im Inneren Sicherheitselemente, beispielsweise eine Glasplatte vor dem Schloss, an der Seile angeschlossen sind. Wenn man das Glas zerstört, dann werden automatische Verriegelungen ausgelöst, und die Arbeit noch komplizierter. Ich schaue mit dem Endoskop in die Tür, mache dann eine Inspektionsbohrung, um zu sehen, wie der Schließmechanismus aufgebaut ist. Man braucht Geduld und eine perfekte Fingerfertigkeit“, so der 54-Jährige, der in der elterlichen Schlosserei eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht und 1994 vor der Handwerkskammer Köln seine Meisterprüfung abgelegt hat.

Eine Werkzeugsammlung, mit der man Safes öffnen kann.

Eine Werkzeugsammlung, mit der man Safes öffnen kann.

Für die Prüfung hat er ein großes, kompliziertes und sehr kunstvoll geschmiedetes Renaissance-Schloss aus dem 16. Jahrhundert gefertigt. Diese Fertigung, in die er über 200 Stunden Feinarbeit gesteckt hat, weckte in dem Kölner nicht nur den Tüftler und Sammler, sondern auch die Neugier auf Tresore und deren Schließmechanismen. Schnell war ihm klar, dass das Geheimnis im Mechanismus liegt, das der Schlüssel überwinden muss.

Privatkunden, Banken und die Polizei beschäftigen den Kölner

Ab 2005 baute der damals 35-Jährige seine eigene Werkstatt für Tresoröffnungen auf und erarbeitete sich rasch einen Ruf als Experte für schwierige Fälle. Lars Jelonnek wird von Privatkunden, Banken und der Polizei gerufen. „Ich arbeite mit der Polizei zusammen, wenn bei der Steuerfahndung die Tresore geöffnet werden müssen oder auch nach Einbrüchen, wenn es darum geht, die Geldschränke wieder instand zu setzen. Was sich darin befindet, ist für mich nebensächlich, mich interessiert eher, wie komme ich da zerstörungsfrei rein“, so der „Tresorchirurg“.

Lars Jelonnek steht neben einem Tresor um 1900 der Firma Beylen, der einen drei stufigen Schließungsmechanismus hat.

Lars Jelonnek steht neben einem Tresor um 1900 der Firma Beylen, der einen drei stufigen Schließungsmechanismus hat.

Über die Jahre hat Jelonnek ein kleines Museum zusammengesammelt. In seiner Halle stehen mehrere antike Tresore, die zum Teil über 250 Jahre alt sind und groß wie Kleiderschränke, manche von ihnen sind bis zu zwei Tonnen schwer. Die meisten in perfektem Zustand und mit zum Teil ausgeklügelten Mechanismen.

Buchstabenkombi kennen, Verzierungen drücken, Abdeckung öffnen

Um 1870, so berichtet er, hätten die Tresorbauer häufig ein perfekt durchdachtes Sicherheitssystem in mehreren Stufen verbaut. Bei der Öffnung musste man in einem ersten Schritt die richtige Buchstabenkombination eingeben, manchmal auch noch an kleinen Verzierungen drücken oder ziehen, bevor sich dann, wie von Zauberhand, die Abdeckung vor einem ein gut verstecktes Schlüsselloch öffnete.

„Ich mag diesen Ideenreichtum, diese Trickserei und Kunst. Die Tresore mussten sich damals ins Interior eingliedern, deshalb schauen manche auch wie Möbelstücke aus. Zur Tarnung war die Oberfläche holzlackiert und das Schließwerk in die Ornamente mit einbezogen“, schwärmt der Ehrenfelder über seine Schätzchen, für die so mancher Sammler bereit ist, bis zu 40.000 Euro auszugeben.

Jelonnek veranstaltet auch Führungen durch seine Tresorsammlung

Neben Tresoren hängen in dem kleinen Museum auch alte Schlüsselbunde und Schlösser, akribisch aufgehängt in großen Vitrinen. Beim Gang durch seine Sammlung kommt der Ehrenfelder immer wieder ins Schwärmen: Er begeistert sich für Sperrfederschlösser, Buntabart-, Chubb-, Scheiben-, Stift- und Doppelbartschlösser oder ausgefallene Schließzylinder.

Ab und an veranstaltet er auch Führungen für Schulklassen durch seine private Tresorsammlung und verrät dabei die eine oder andere Trickserei. „Die Kinder kommen häufig gelangweilt hierher und verlassen nicht selten tief beeindruckt mit offenen Mündern meine kleine Tresorwelt“, so der Tresoröffner, der auf der „Lock–Con“ - einer Art Europameisterschaft für Schlossfreaks, schon so manche Siegermedaille gewonnen hat.

Der Ehrenfelder Panzerknacker arbeitet im Gegensatz zu den kriminellen Exemplaren tagsüber – ohne Bohrmaschine und Stemmeisen und stets legal im Einklang mit dem Gesetz.