Viel Platz für Newcomer, und alles geht. Die c/o pop ist einfach ein Gute-Laune-Festival. Ein Gang übers Festivalgelände in Ehrenfeld.
Köln entspannt, hip und alternativFestival c/o pop lockte mit Konzerten, Streetfood und Baggerfahren
Ältere Semester werden sich noch an das Ringfest erinnern können – das Straßenfest, das in den 1990ern und 2000ern stets parallel zur Popkomm auf den Kölner Ringen stattfand. 2005 wurde es zum letzten Mal veranstaltet, die Popkomm war bereits 2003 nach Berlin verzogen. Aus dem Vakuum, das die Popmusik-Messe hinterlassen hatte, entstand 2004 die c/o pop, die sich in den vergangenen 20 Jahren von einem Festival mit anfänglichem Fokus auf elektronischer Musik hin zu einem multimedialen Popkultur-Happening mit dem Ohr am Puls der Zeit entwickelt hat – und seit 2019 ebenfalls mit einem Straßenfest verbunden ist.
Am Festival-Wochenende verwandelt sich die Venloer Straße zwischen Heliosstraße und Leyendeckerstraße in eine Feiermeile mit Gratis-Konzerten, kulturellen Angeboten, Streetfood-Trucks und Verkaufsständen. Der „historische“ Vergleich streicht die Unterschiede heraus: Im Gegensatz zum durchkommerzialisierten, megalomanischen Popkomm-Ringfest zeigt sich die c/o pop kleiner, entspannter, hipper und alternativer.
Vielversprechende Newcomer statt großer Stars
Große Stars sucht man vergeblich, stattdessen ist es erklärtes Ziel der Festival-Macher, vielversprechenden Newcomern eine Bühne zu bieten: Musikern wie Rosa Anschütz, Seda, LNA oder Bi Män, die bisher nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt sind. Dementsprechend tummelt sich ein ausgesprochen junges Publikum auf der Venloer Straße: Twentysomethings in weiten Hosen und mit um die Schultern geschlungenen Brusttaschen, die vor den DJ-Kanzeln der Radiosender Cosmo und Kölncampus zum Takt mitwippen, für vegane Burger anstehen und statt mit einem Wegbier immer öfter mit einem Glas Aperol Spritz über die Meile schlendern – der grell-orange Stand des Trendgetränks erfreut sich großer Beliebtheit.
Ältere Besucher lassen sich vom jungen Gemüse aber auch nicht abhalten, jedenfalls nicht die 51-jährige Mareike, die „um die Ecke wohnt und einfach mal gucken“ will. Keine Berührungsängste? „Quatsch“, sagt sie und lacht, „Zu Techno haben wir auch schon getanzt, so alt bin ich noch nicht!“ Bühnen sucht man auf der Venloer vergeblich – die Konzerte finden in verschiedenen kleinen Locations entlang der Venloer Straße und ihrer Nebenstraßen statt, so etwa in den Kneipen Em Drügge Pitter (EDP) und Franky's Bar sowie in der Sparkassenfiliale an der Subbelrather Straße, die kurzerhand zur „Red Stage“ umfunktioniert wurde.
Musik ist jedoch nur ein Aspekt. Lesungen, Filmvorführungen, Koch- und Tanzkurse zeigen, dass der Popkultur-Begriff ziemlich weit gefasst wird. Weitere Attraktionen sind etwa die Führungen im Helios-Turm, der der Öffentlichkeit für gewöhnlich nicht zugänglich ist, ein „Pop-up-Beach“ im Bürgerzentrum, der zum Chillen einlädt, und ein „Beichtstuhl“, in dem Fremde einander intimes erzählen können.
Besonders gut kommt das Baggerfahren an: In der Bartholomäus-Schink-Straße können sich Inhaber von Festival-Pässen eine Fahrstunde in dem Baufahrzeug geben lassen. Hier findet sich immer eine Schlange Wartender vor der kleinen Baustelle. „Es gibt sogar einen Workshop!“, stellt eine junge Frau erfreut fest.
Natürlich steht die Musik immer noch im Zentrum. Die Red Stage in der Sparkasse hat inzwischen etwa UHD in Beschlag genommen, ein junger Berliner DJ, der mit schnellen harten Beats zu einem klassischen Rave einlädt. Die Schalterhalle füllt sich schnell, das Publikum nimmt die Einladung bereitwillig an. Es zeigt sich jedoch auch ein Nachteil der kleinen Konzert-Orte – einfach nur mal aus Neugier bei dem einen oder anderen Konzert vorbeischauen ist schwierig, denn wer nicht rechtzeitig da ist, bleibt im dichtgedrängten Eingang stecken.
So etwa auch beim Auftritt von Gündalein im EDP. Die Rapperin bedauert dies, freut sich aber trotzdem über den vollen Laden: „Nice, dass ihr da seid. Seid ihr ready?“ Der Leo-Amann-Park am Bürgerzentrum dient derweil als Festival-Wiese: Viele kleine bis größere Grüppchen lassen sich auf dem Rasen nieder, um sich eine Auszeit vom Trubel zu nehmen. So auch Yannick, Lea und Tom, alle Anfang 20. Yannick studiert in Köln, Lea und Tom sind Schulfreunde aus der westfälischen Heimat, die er über das Wochenende in seinem WG-Zimmer aufgenommen hat. „Es gibt hier einfach viel zu entdecken“, sagt er. „Die Leute, die hier auftreten, hat man vorher höchstens mal auf Instagram oder Tiktok gesehen, denen merkt man oft an, dass sie noch nicht oft vor Publikum aufgetreten sind und noch voll Bock drauf haben. Das ist sehr authentisch“, beschreibt Lea den Reiz des Festivals.
„Awareness“-Team gegen Grenzüberschreitungen
Insgesamt ist die Atmosphäre sehr entspannt – nicht nur aus Zufall, denn auf „Awareness“ wird viel Wert gelegt. Damit ist gemeint, dass alle Beteiligten, Veranstalter wie Besucher, zu einem rücksichtsvollen Miteinander angehalten sind, frei von Diskriminierung, sexistischen oder anderen Grenzüberschreitungen. Wer dennoch negative Erfahrungen macht, kann sich an das Awareness-Team neben dem Bumann & Sohn wenden. Bei den drei jungen Frauen hat sich bisher zwar noch keine Schlange gebildet. „Die Anzahl der konkreten Fälle finde ich aber nicht so entscheidend, es geht erst mal auch darum, die Leute darüber zu informieren, dass es diese Möglichkeit gibt“, sagt eine der drei. „Und wir merken schon, dass sich mehr Leute melden als in den letzten Jahren, das ist ein gutes Zeichen.“