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Verkehrsversuch in Köln-EhrenfeldDarum ist es jetzt für Fußgänger gefährlich auf der Venloer Straße

Lesezeit 3 Minuten
Eine Radfahrerin fährt auf der Venloer Straße hinter mehreren Autos durch eine Engstelle.

Der Verkehrsversuch auf der Venloer Straße mündet stellenweise in Chaos

Mit der gegenseitigen Rücksichtnahme im Verkehr ist das so eine Sache. Das funktioniert schon meist unter üblichen Bedingungen nicht. Und erst recht nicht beim Verkehrsversuch auf der Venloer Straße.

Zwei Schritte vor, drei wieder zurück und dann mit fünf Schritten ganz schnell rüber: Es mutet wie Fußgängerballett, was sich auf der Venloer Straße an der Kreuzung mit der Neptunstraße abspielt. Flankiert wird das „Schauspiel“ von Autos, die wahlweise abbremsen oder Gas geben und Radfahrern, die lieber auf den durchgestrichenen Radstreifen bleiben. Und daneben stehen Anwohner und fragen sich: „Was haben die eigentlich geraucht in der Verwaltung.“ Willkommen beim Verkehrsversuch auf der Venloer Straße in Ehrenfeld.

„Jetzt herrscht Anarchie“

Die Frage nach dem „Rauchwerk“ stellt sich Sven Hiepler, Betreiber des Telekom-Shops direkt an der besagten Kreuzung. „Das war hier schon immer gefährlich“, sagt er mit Blick auf die Venloer Straße. „Doch jetzt herrscht Anarchie.“ Dabei soll das, was jetzt da passiert, schon die Verbesserung sein. Vergangene Woche Dienstag hat die Stadt den Versuch eingerichtet: Tempo 20 auf der Einkaufsmeile in Ehrenfeld auf einer Länge von 800 Metern, die Ampelanlagen abgeschaltet, nur noch rechts vor links, die Fahrradstreifen aufgehoben, Rad und Auto sollen sich die Fahrbahn teilen, und im kommenden Jahr soll eine Einbahnstraßenregelung vom Gürtel in Fahrtrichtung Innere Kanalstraße eingerichtet werden. Zielsetzung dieses Versuchs: Den Durchgangsverkehr um bis zu 30 Prozent reduzieren. Das klappt offensichtlich noch nicht so gut. Oder, wie die Verwaltung es umschreibt: „Es hat sich ergeben, dass die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer Schwierigkeiten haben, die neuen Straßenverkehrsregelungen wahrzunehmen. Sven Hiepler hingegen sagt: „Katastrophe.“

„Die geben hier alle Gas“

Wie Hiepler, so wirft auch der Inhaber eines Radladens an der Venloer einen kritischen Blick auf den Verkehrsversuch. „Eigentlich hat sich nichts verändert“, sagt er ironisch. An die 20 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit halte sich niemand. „Die geben hier alle Gas. Das kontrolliert ja auch keiner.“ Die Fahrradfahrer würden sich deshalb wieder auf die Radstreifen zurückziehen. Doch, ein bisschen was scheint sich doch verändert zu haben, schenkt man der Verkäuferin in einem Buchladen Glauben: „Es gibt jetzt mehr Geschrei.“ Zwischen denen, die die neuen Regelungen „wahrgenommen“ haben und jenen , die noch in der Lernphase sind. Erstere sind laut der Buchhändlerin noch klar in der Minderheit. Die Eierverkäuferin weiß warum: „Von den neuen Regelungen weiß doch keiner was.“

„Kernpunkt ist die Einbahnstraße“

Diesen Punkt sieht Christoph Schmidt vom ADFC Köln noch locker: „Das muss sich einspielen.“ Der Kernpunkt sei vielmehr die Einbahnstraße. „Die hätten wir zuerst gemacht“, sagt er für den ADFC. Dazu noch eine entgegengesetzte Einbahnstraßenregelung im Abschnitt Gürtel bis Äußere Kanalstraße und auf dem 800 Meter langen Versuchsabschnitt ginge es deutlich ruhiger zu. Das rät Schmidt der Stadt – und vom Gesetzgeber fordert er, dass er den Städten in einer 20-km/h-Zone mehr Spielraum einräumt. Diese Zone heißt im Fachjargon „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“, und in dem darf nur jeweils bei der Einfahrt auf die Höchstgeschwindigkeit hingewiesen werden.

Ampeln, Zebra- und Radstreifen sind verboten. So seien laut Schmidt die Fußgänger ins Hintertreffen geraten. Den dadurch entstandenen Missmut findet er „traurig“, den: „Der Erfolg des gesamten Radkonzepts Ehrenfeld wird hieran gemessen.“ Die Stadt hat nun auf den Missmut reagiert. Ab Montag werden an der „Einfahrt“ in die Versuchszone „drei Meter hohe Fahnen“ wehen, auf denen die Regeln erklärt sind. Als Übergangslösungen wurde die Ampel an der Piusstraße wieder aktiviert und im Kreuzungsbereich an der Neptunstraße die Fahrbahn verengt. Dort, wo jetzt dank dieser Lösung das Fußgängerballett aufgeführt wird.