16. Landmannstraßenfest KölnGanz schön jecke Töne in Neuehrenfeld
Neuehrenfeld – Die beiden jungen Damen mit ihren Puscheln geben alles, und Sänger Ramon hat den richtigen Ton getroffen: „Denn ich ben nur ne kölsche Jung un mi Hätz, dat litt mer op d'r Zung“ von den Veedels-Matadoren Brings singt er von der Bühne auf dem überfüllten Lenauplatz und löst Jubelstürme aus. „Wollt ihr noch eins“, fragt Moderator Larry G. Rieger das Publikum neckisch, während Ramon den Gestressten gibt: „Da ist aber das letzte Mal, sonst müssen wir wegen der Gage neu verhandeln.“ Egal, jetzt legt er erst mal nach: „Denn mir sin all all nur Minsche, un en jedem steckt 'ne kölsche Jeck.“
Ganz schön jeck ging es auch an den beiden Tagen des 16. Landmannstraßenfests zu: Wahrsager, Karussells, Kinder-Bungee, Hüte, Sommerkleider, Sandalen und ein großer Stand der KG Rheinflotte waren nur einige der Attraktionen, die wieder geschätzt 30.000 Besucher anlockten. Die konnten selbstverständlich auch in diesem Jahr aus einem riesigen Angebot an Speis und Trank wählen, von Bratfisch und Rievkooche bis zum exotischen Cocktail und edlen Wein war alles vor Ort.
Nur knapp ein Drittel ortsansässiger Händler
Am Stand von Silvia Legat blieb das Gedränge allerdings übersichtlich: „Wie in fast jedem Jahr – einfach kein Teewetter“, fasste die Inhaberin des Ladens Tee de Cologne nach einem Blick in den strahlend blauen Himmel ihren alljährlichen Straßenfest-Blues zusammen. Die gut gemeinte, aber mit viel Understatement gestylte Kanne Eistee auf ihrem Tisch lockte auch keine Massen an, obwohl Legat gute Gründe für einen Probeschluck anführen konnte. „Das ist nicht die Zuckerbrühe mit Teegeschmack, die Sie im Supermarkt kriegen, sondern garantiert zuckerfrei und schon gestern Abend aufgesetzt und dann über Nacht im Kühlschrank gekühlt.“
Legat, die sich in der Projektgruppe Landmannstraßenfest engagiert und zusammen mit den Vertretern der Werbepraxis von der Gathen alljährlich das Fest plant und vorbereitet, sieht allerdings auch allgemein Grund zur Sorge. Rund 60 Stände waren aufgebaut, nur ein knappes Drittel wurde wieder von ortsansässigen Einzelhändlern gestellt: „Das werden immer weniger“, sagt sie und meint, den Grund zu kennen: „Man kann an den beiden Tagen vielleicht einige Stammkunden begrüßen, aber der Rest gehört nicht zur typischen Kundschaft. Die kommen auch nicht wieder.“
Dennoch hat sie sich erneut für eine Teilnahme entschieden, „einfach weil es Spaß macht, draußen auf der Straße zu sein, Menschen zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten.“ Im vergangenen Jahr hat sie am Stand nebenan beispielsweise Anette Stephanus-Queins kennen gelernt, eine Tupperware-Gruppenberaterin. In diesem Jahr hat Silvia Legat ihr einen Tisch vor ihrem Laden reserviert. Nicht nur aus Sympathie und wegen der Standgebühren, sondern auch aus Überzeugung, denn Tupperware kann über das Nachhaltigkeitsthema plötzlich und unerwartet beachtliche Coolness-Zuwächse verbuchen: „Das ist ja die nachhaltige Verpackung schlechthin“, strahlt Anette Stephanus-Queins, „die kann man praktisch unendlich oft verwenden.“ Es sei heute durchaus üblich, dass Kunden etwa beim Metzger einfach ihre Tupperware-Dosen über die Theke reichten und das Gewünschte einpacken ließen. Und die Leiter der einst gefürchteten Tupper-Partys heißen mittlerweile auch schon Party-Manager.
Weil Vernetzung auch im Einzelhandel angesagt ist, lädt Silvia Legat einmal im Monat am Samstagmorgen Anette Stephanus-Queins zur Tupper-Beratung in ihren Teeladen ein. Wenn nicht gerade die mobile Shiatsu-Massage auf dem Programm steht, erklärt Legat lächelnd, die auch mit einer kleinen Konzertreihe in ihrem Laden für Aufmerksamkeit sorgt. Solche Aktionen entwickelten sich eben häufig aus spontanen Treffen – auf dem Fest zum Beispiel. Ihre Freundschaft zelebrierten die beiden Frauen beim Landmannstraßenfest in diesem Jahr mit einem gemeinsamen Mittagessen zum Auftakt im Traditionshaus Pöttgen. Zum Abschluss möchten sie sich zusammen den Auftritt von Planschemalöör auf der Hauptbühne ansehen.
Ein bisschen genervt ist Heinz-Josef Meller, Chef der Parfümerie Meller, schon, wenn er an die Massen auf dem Lenauplatz denkt, verliert aber seine gute Laune nicht. „Da hat uns in diesem Jahr der Kloppo einen Strich durch die Rechnung gemacht, der versammelt ja ganz Fußball-Deutschland hinter sich“, sagt er lachend. Denn das diesjährige Champions-League-Finale mit Liverpool werde wohl viele Menschen, die sonst am Samstagabend Party auf dem Platz machen, nach Hause an den Fernseher treiben. „Dabei haben wir das Straßenfest vor drei Jahren von Ende Juni auf Anfang Juni verlegt, um vor den Europa- oder Weltmeisterschaften alle zwei Jahre sicher zu sein.“
Mitentscheiden, wer sich beteiligt
Meller, der ebenfalls bei der Projektgruppe mitmacht, sieht den Schwund bei den Ortsansässigen in milderem Licht als Legat: „Wir haben hier zum Glück ja noch viele inhaber- oder familiengeführte kleinere Läden, die sind am Wochenende einfach müde und brauchen es zum Regenerieren“, erklärt er sich das Phänomen. „Aber bei der Auswahl der auswärtigen Händler geht die Webepraxis von der Gathen sorgfältig vor, und wir können mitentscheiden, wer hier einen Stand aufbauen darf. Das sind Dinge, die unsere Kunden interessieren“, ergänzt er mit Blick auf den Stand mit Gurken-Likör gegenüber. „Und wer hier nett und fachkundig beraten wird, der kommt auch wieder, das weiß ich aus Erfahrung“, sagt seine Mitarbeiterin Marita Hoffstadt.
Ein Plus, so Meller, seien auf jeden Fall die vielen Besonderheiten dieses Straßenfestes, die Modenschau bei Due Lune etwa oder die Open Air-Bühne des Moselstübchens an der Einmündung zur Subbelrather Straße. Die seien längst etabliert und zögen eine Menge Gäste an. Das bestätigen Ingo und Charlotte, die hier den Live-Bands mit ihrer musikalisch kompetenten Mischung von Soul, Funk und Rock zuhören: „Ja klar, wir gehen hier an den Ständen herum und kaufen auch mal eine Kleinigkeit, wenn uns etwas gefällt“, sagt Ingo. „Aber eigentlich kommt man ja her, um zusammen mit anderen ein bisschen zu feiern.“