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Kochexpertin im RuhestandDiese Kölnerin gibt Kochkurse auf der ganzen Welt

Lesezeit 3 Minuten

Johanna Dohle mit ihren Auszubildenden im Zentrum für berufliche Bildung „Tsirihanitra“ in Antalaha, Madagaskar.

Die Kölnerin Johanna Dohle schafft mit ihrem Essen Verbindungen, die bis nach Madagaskar reichen.

Ein Regal voller Gewürze ist an sich nichts Besonderes. Besonders wird es erst, wenn man weiß, wie man damit umgeht. Orientalische Düfte füllen den Flur einer kleinen Wohnung in Weidenpesch. Hier steht Johanna Dohle vor ihrem Hab und Gut. Neben den reinen Gewürzen finden sich im Regal auch ihre eigenen Gewürzmischungen. Über 15 Jahre lang verkaufte sie diese in ihrem Unternehmen „Zimt und Rosen“, das zu Höchstzeiten drei Läden in Sülz umfasste. Auch im Ruhestand möchte Dohle weiterhin ihrem Leitsatz „kulinarisch Grenzen überwinden“ treu bleiben, und ihr Wissen in die weite Welt tragen.

Ihr sei es wie „Schuppen von den Augen gefallen“, als sie nach der Abmeldung ihres Gewerbes 2018 realisierte, wie viele Kompetenzen sie eigentlich über die Jahre angesammelt hatte. Von ihren Erfahrungen als Drogistin, Journalistin, Unternehmerin und Köchin sollten nun auch andere profitieren. Deshalb bewarb sich die Kölnerin 2020 kurzerhand als Expertin beim „Senior Expert Service“ (SES) in der Gastronomie-Tourismus-Branche.

Einsatz im Norden von Madagaskar

Der SES ist eine Organisation, für ehrenamtliche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit ins Ausland entsendet. Expertinnen und Experten aus allen Sektoren werden für einige Wochen im In- oder Ausland eingesetzt, um dort Entwicklungshilfe zu leisten. Im November 2023 bekam Dohle eine Anfrage für ein Ausbildungszentrum im Norden von Madagaskar, direkt am Indischen Ozean. „Da wurde echt ein Traum wahr“, erzählt sie in Erinnerungen schwelgend.

Johanna Dohle in ihrer Wohnung in Weidenpesch. Im Hintergrund eine Madagaskarpalme aus Holz, ein Abschiedsgeschenk der Frauen.

Mit dem Ziel ihr Wissen weiterzugeben trat sie am 6. Mai dieses Jahres optimistisch ihren ersten Einsatz an. Für drei Wochen sollte sie fünf junge Frauen und die Leiterin des Zentrums in Sachen Qualitätsverbesserung der Gerichte und ihrer Präsentation weiterbilden. Jedoch holte die Realität die Kochexpertin schnell ein, und sie musste aus ihrem Traum erwachen.

„Ich wusste, dass ich in ganz einfache Verhältnisse komme. Dass es so einfach ist, habe ich nicht gedacht“, erklärt die Kölnerin. Kein fließendes Wasser, Stromausfälle und fehlende Ausstattung machten ihr das Leben schwer. Obendrein wusste sie nie, welche Produkte auf dem Markt verfügbar waren. Starke Regenfälle und Lieferengpässe sorgten für tägliche Ausfälle. Unter diesen Umständen drei neue Speisen pro Tag zu planen sei eine „riesen Herausforderung“ gewesen. Vor allem, wenn die Auszubildenden hohe Erwartungen haben.

Johanna Dohle mit ihren Auszubildenden im Zentrum für berufliche Bildung „Tsirihanitra“ in Antalaha, Madagaskar.

Aufgeben war jedoch keine Option. Sie wollte das Beste aus der prekären Situation machen. Rückblickend schildert Dohle: „So kreativ bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen“. Mit jeder Menge Improvisation gelang es ihr jeden Tag aufs Neue drei Gerichte aufzutischen. Auch die fünf Frauen haben dank Dohles Hilfe ihre Kochprüfungen mit Bravour bestanden. Die Reise erreichte einen emotionalen Höhepunkt, als die Kölnerin sich von den Frauen verabschieden musste. „Diese Herzlichkeit hat mich umgehauen“, offenbart Dohle. Trotzdem würde sie nicht nochmal zurückkehren. Die Frauen seien nun so gut ausgebildet, dass sie ohne ihre Hilfe zurechtkommen würden.

Zurzeit ist Dohle in Köln. Hier arbeitet sie auch im Ruhestand als private Köchin weiter. Lange bleibt sie allerdings nicht. Im kommenden Frühling begibt sie sich auf ihren zweiten Einsatz für den SES. Diesmal geht es nach Johannesburg in Südafrika. Um auch andere Menschen über den Tellerrand blicken zu lassen, möchte Dohle ihre Reiseerfahrungen zukünftig auf Instagram und TikTok teilen. Nur bei der Namensgebung grübelt sie noch: „unterwegs mit Johanna“ oder „Johanna unterwegs“?


Der Senior Expert Service

13.632 Expertinnen und Experten sind zurzeit Teil des „Senior Expert Service“ (SES), was ihn zur größten Stiftung seiner Art in Deutschland macht. Seit der Gründung 1983 haben schon über 60.000 ehrenamtliche Einsätze in 170 Ländern stattgefunden, davon waren rund ein Drittel inländisch. Die Experts sind im Schnitt 69 Jahre alt und werden vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sowie Institutionen eingesetzt. Die Organisation möchte so mithilfe von Wissenstransfer die Zukunftsperspektiven anderer verbessern, und das global.