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Das Kleid für einen TagSo arbeiten Kölner Brautmodengeschäfte in der Hauptsaison

Lesezeit 4 Minuten

Volles Haus: 13 Bräute können im „Hochzeitsrausch“ gleichzeitig bedient werden. Ein Termin dauert im Schnitt eine Stunde.

Köln – Wenn die Schiffsglocke läutet, hat Clarissa Sirone alles richtig gemacht. Wie jetzt. Einen Moment lang richten sich alle Blicke auf die Braut, die so lautstark geklingelt hat. Es bedeutet: Ich habe mein Kleid gefunden. Im „Hochzeitsrausch“, Kölns größtem Geschäft für Brautmode, wird applaudiert. Eine Szene, die sich mehrmals am Tag wiederholt.

Rund 1250 verschiedene Modelle hängen in dem Fachgeschäft bereit zur Anprobe: mit oder ohne Tüll, Perlen und Glitzersteine, mit Schnürung oder Spitze, als A-Linie, mit Reifrock oder Meerjungfrauen-Schleppe. Dazu gibt es unzählige Accessoires, vom Schleier bis zum Strumpfband. Für Schwangere gibt es einen Attrappenbauch zum Umschnallen – damit am großen Tag auch alles passt.

Keine Lust auf Sahnebaiser-Kleider: Designerin Victoria Rüsche (l.) und Schneiderin Angela Müller verkaufen schlichte Kleider in intimer Atmosphäre.

Ohne Termin geht nichts

Im Mai ist Hochsaison für die Brautmodeläden, samstags sind im Geschäft auf der Hahnenstraße oft alle 13 Kabinen gleichzeitig belegt. Ohne Termin geht nichts. Schon freitags werden alle Zukünftigen abtelefoniert, ob sie auch wirklich kommen. „Das ist für uns bares Geld“, erklärt Geschäftsführer Rene Emser. Denn läutet eine Braut die Schiffsglocke, klingelt es auch in der Kasse. Bei „Hochzeitsrausch“ kostet das günstigste Kleid 199 Euro, das teuerste 10 000 Euro.

„Der Beruf ist sehr emotional“, erzählt Verkäuferin Clarissa Sirone. „Tränen fließen bei uns im Geschäft jeden Tag.“ Oft gebe es bei den Bräuten einen „Wow-Effekt“ vor dem Spiegel, „dann rollen auch die Tränchen. Erst bei der Mutti und dann bei der Braut“, erzählt Verkäuferin Daria Markert. Wenn das „Wow“ nicht da sei, habe man eben kein Glück gehabt. Liesa Matenia hat zwar keine Tränen, aber ein zufriedenes Strahlen in den Augen, als sie 35 Minuten und fünf Kleider später die Schiffsglocke läutet. „Mit oder ohne Schleier?“, will sie von ihren Freundinnen wissen.

Eine Korsage macht eine schöne Taille – Brautmoden-Verkäuferin Clarissa Sirone (l.) weiß, worauf es beim Brautkleidkauf ankommt.

„Jede Braut ist schön“

Die 28-Jährige aus Engelskirchen heiratet im August, gefeiert wird in einer rustikalen Scheune. Dazu soll das Brautkleid passen („Bitte nicht zu opulent“) und nicht mehr als 1000 Euro kosten. Verkäuferin Sirone hat es gefunden. „Du hast echt was von Kate Middleton“, sagt sie nicht ohne Triumph in der Stimme, während sich die zukünftige Braut und zahlende Kundin auf dem Podest vor dem Spiegel dreht.

„Jede Braut ist schön“, ist eine Art Motto der Verkäuferinnen. Jede Braut hat aber auch einen anderen Geschmack. Schneiderin und Brautmoden-Designerin Victoria Rüsche hat in dieser Saison etwa 300 Kleider verkauft – keines davon hat einen klassischen Prinzessinnen-Schnitt. Denn ihr Nachname ist eben nicht Programm: In dem kleinen Geschäft in der Sternengasse gibt es keine Sahnebaiser-Kleider. Stattdessen Roben aus fließenden Seidenstoffen, mit Namen wie „Itea“ oder „Nemesia“, mit etwas Spitze und wenig Tüll. „Unsere Kundinnen sind ganz normale Frauen, die sonst Jeans und T-Shirt tragen, und auch bei ihrer Hochzeit sich selbst treu bleiben wollen“, erklärt die 28-jährige Rüsche, die gebürtig aus dem Ruhrgebiet kommt. Heiraten müsse nicht „08/15“ sein, sagt sie. Wenige ihrer Kunden heiraten kirchlich, viele haben freie Trauungen, gerne auch barfuß oder mit Blumenkränzen im Haar.

„Hier haben sich schon Dramen abgespielt.“

Seit vier Jahren gibt es ihren Brautmoden-Shop in Köln, seit diesem Jahr verkauft sie neben zum Teil exklusiven Designerkleidern auch eine eigene Kollektion mit fünf Modellen (zwischen 1500 und 3000 Euro). Kunden kommen vor allem auf Empfehlung oder weil sie Fotos der Kleider auf Instagram gesehen haben. „Ein halbes Jahr vor der Hochzeit sollte man schon kommen“, sagt Rüsche, die auch Kunden aus Belgien und Holland hat.

„Das wichtigste im Job ist, sich mit viel Fingerspitzengefühl ganz auf die Braut zu konzentrieren.“ Deshalb hat sie auf ihrer Webseite einen gut gemeinten Hinweis platziert: die Begleitpersonen auf maximal drei zu beschränken. „Je mehr mitkommen, desto schlimmer“, sagt auch Daria Markert aus dem „Hochzeitsrausch“. „Hier haben sich schon Dramen abgespielt.“

Die Folge von zu vielen Meinungen und Geschmäckern seien verunsicherte Bräute, enttäuschte Schwiegermütter oder beleidigte Freundinnen. Aber es gibt auch ganz andere Dramen: Denn während sich die eine Braut noch wie eine Prinzessin auf dem Podest dreht, kommt eine junge Frau in den Laden. Sie will ihr vor zwei Wochen bestelltes Kleid zurückgeben: Ihr Freund hat die Hochzeit abgesagt. Nach zehn Jahren Berufserfahrung ist Daria Markert wenig verwundert. Das komme öfters vor.