CoronavirusProben aus Kölner Abwasser sollen Aufschluss über Infektionsgrad bringen
- Die Kölner Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) sollen dazu beitragen, mehr Sicherheit in der Corona-Pandemie zu bringen.
- Die Experten nehmen an einem Forschungsprojekt teil, bei dem mithilfe von Abwasserproben herausgefunden werden soll, wie hoch der Infektionsgrad in einer Region ist.
- Dazu werden Proben aus dem Klärwerk Stammheim genommen.
Köln – Wie hoch ist die Dunkelziffer? Lösen die Lockerungsmaßnahmen eine zweite Infektionswelle aus? Zwei von vielen Unsicherheiten bei der Corona-Pandemie. Die Kölner Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) sollen nun dazu beitragen, mehr Sicherheit zu bringen. Die Abwasserexperten nehmen teil an einem Forschungsprojekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, das in der Nähe von Leipzig angesiedelt ist. Das Ziel: anhand von Abwasserproben schnell den wirklichen Infektionsgrad in einer Region abzulesen.
Ein Team von 20 Experten arbeiten im Helmholtz-Zentrum an dem Projekt. Unter ihnen Mikrobiologen und Virologen. Sie erhalten seit wenigen Tagen Proben aus Abwasseranlagen in Köln, Dresden, Leipzig, vom Wasserverband Eifel-Rur und aus 20 weiteren Städten. „Dass Köln dabei ist, das stand außer Frage“, sagt Birgit Konopatzki, Sprecherin der Steb. Eine repräsentative Studie ohne die viertgrößte Stadt Deutschlands – undenkbar. Zumal Köln zu Anfang der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland ein Schwerpunkt war. Der Aufwand ist denkbar gering für die Steb. Eine elektronische Entnahmeeinheit hängt im Hauptzustrom des Stammheimer Klärwerks. „Die Entnahmemenge richtet sich nach der Menge des täglichen Zustroms“, sagt Konopatzki. Ist der stark, ist die Probe groß und umgekehrt. Die Probe wird dann ans Helmholtz-Zentrum geschickt. Auf herkömmlichen Weg. Per Paketdienst.
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Dort nehmen sich die Mikrobiologen und Virologen des Abwassers von Köln an. Der Clou: Das Coronavirus ist in den Fäkalien nachweisbar. Von der Stärke seines Vorkommens lassen sich Rückschlüsse auf den Infektionsgrad im Einzugsbereich des Klärwerks schließen. „Entscheidend wird die Fähigkeit sein, eine Detektionsempfindlichkeit für SARS-CoV-2 zu erreichen, die nicht erst bei hohen Zahlen von Infizierten verwertbare Ergebnisse liefert“, sagt Helmholtz-Virologe Dr. René Kallies. Bedeutet: Wer auf aktuelle lokale Entwicklungen in der Pandemie reagieren will, muss schnell verlässliche Zahlen auf den Tisch bekommen.
Monitoring
Die Idee des Abwassermonitorings ist nicht neu, ähnliche Untersuchungen wurden bereits im Rahmen des Drogenscreenings und im Zusammenhang mit Polio-Impfmaßnahmen erfolgreich durchgeführt.
In Bezug auf das SARS-Coronavirus-2 berichteten im Februar niederländische Wissenschaftler, dass sie wenige Infizierte pro 100 000 Personen anhand des Erbguts von SARS-CoV-2 in Abwässern aus sechs Kläranlagen – darunter die des Flughafens Schiphol – mit hoher Genauigkeit feststellen konnten.
Neben den Faktoren Genauigkeit und Schnelligkeit gibt es ein weiteres Argument für die Methode: Sie ist kostengünstig. (EB)
So können zurzeit die Auswirkungen der umfangreiche Lockerungsmaßnahmen noch nicht eingeschätzt werden, weil der dafür zu Rate gezogene Reproduktionsfaktor Entwicklungen beschreibt, die über zwei Wochen zurückliegen. Die tägliche Auswertung von Fäkalien hingegen würde tagesaktuelle Daten liefern. Mehr noch: Weil sie nicht auf sporadischen Testergebnissen beruhen, sondern auf dem täglichen Toilettengang, könnten sie eine Dunkelziffer weitestgehend ausschließen. „In solchen Messungen steckt großes Potenzial für die Etablierung eines räumlich differenzierten, kontinuierlichen Frühwarnsystems, etwa um die Folgen von Lockerungsmaßnahmen zu beobachten und wenn nötig nachzusteuern“, sagt Prof. Dr. Georg Teutsch, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Mit 23 Städten und einem Wasserverband steckt das Projekt noch in den Kinderschuhen. Laut Helmholtz-Zentrum braucht es Proben aus rund 900 Kläranlagen um annähernd 80 Prozent des in Deutschland täglich anfallenden Abwasseraufkommens in den Blick zu nehmen. „Damit wäre dann ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland erfasst“, sagt Teutsch.
Die bisherigen Ergebnisse stimmen die Wissenschaftler „vorsichtig optimistisch“. Sie würden für die Testregionen belegen, dass der Grenzwert von 50 Infizierten je 100.000 Einwohner eingehalten wird.