Corona weltweitWie Kölns Partnerstädte derzeit die Pandemie erleben
Köln – Die Lage in Köln: Ein Impfzentrum, aber kein Impfstoff, ein ausgeklügelter Plan zur teilweisen Öffnung, aber immer mit dem bangen Blick auf den nächsten Lockdown: Köln befindet sich wie (fast) alle deutschen Städte in einer ständigen Warteschleife. Und mit ihr die Bürgerinnen und Bürger. Aber wie gehen Kölns Partnerstädte mit dem Virus um? Wir haben uns bei einigen mal umgehört – mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Tel Aviv
Freibier beim Piksen oder die Verlockung der „Gutschein-Politik“: Wer sich impfen lässt, darf wieder ins Theater oder zu Konzerten. Das schnelle Anlaufen der Impfungen hat dazu geführt, dass die Stadt in den letzten Wochen fast vollständig wieder geöffnet wurde. Knapp 79 Prozent der gemeldeten Einwohner haben mindestens eine Dosis des Pfizer Vakzins bekommen haben, fast 74 Prozent beide. Bars, Restaurants, Hotels und Vergnügungsstätten sind geöffnet.
Ein Restaurant betreten dürfen nur geimpfte Personen, alle anderen aber draußen sitzen, erklärt Eytan Halon von der Stadtverwaltung Tel Aviv. Im mediterranen Klima. Es wurden in den letzten Wochen eine Menge Veranstaltungen durchgeführt, um das kulturelle Leben wieder hochzufahren: Inklusive Open-Air-Rockkonzerte, ein Outdoor-Comedy-Marathon und mehr. Alle Veranstaltungen, so Eytan Halon, waren binnen kürzester Zeit ausverkauft. Monika Möller, Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Tel Aviv-Yafo, hat bei ihren Freunden und Bekannten noch keine Neid-Debatte erlebt: Das Impf-Angebot gelte schließlich für alle, die Gutscheine seien eher Motivation als alles andere. Allerdings gebe es auch in Israel immer wieder aufflammende Corona-Warngebiete wie auch ausgewiesene Impfgegner. Etwa in Vierteln mit großen Familienverbünden wie den mehrheitlich arabisch bewohnten oder unter den orthodoxen Juden.
Bethlehem
Gerade mal 80 Kilometer weiter südöstlich, in Bethlehem, stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Die Stadt ist wie weite Teile des Westjordanlandes im harten Lockdown. Allerdings kommen hier die Vakzine nur spärlich unter die Leute – weil es schlicht nicht genug Wirkstoff gibt. Die Disziplin sei zwar groß, was die Einhaltung der Regeln angehe, sagt Michael Kellner vom Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem.
Er und seine Vereinskollegen stehen in ständigem Kontakt zu den Menschen vor Ort, telefonieren, schreiben Mails, vor allem aber läuft die Kommunikation über WhatsApp. Zum gibt es viele Großfamilien, zum anderen aber erreichen ohnehin zu wenig Waren Bethlehem – auch Vakzine nicht, jedenfalls nicht in ausreichender Menge. „Die Menschen in Bethlehem sind doppelt gelackmeiert“, sagt er: „Sie sehen, was möglich ist und haben selbst kaum noch Einkommensmöglichkeiten, weil auch der Tourismus völlig zusammengebrochen ist. Das drückt die Stimmung ganz enorm.“
Liverpool/ Dunstable
Auch die Briten drehen Deutschland beim Impfen eine Nase. Doch die Stimmung ist teilweise trotzdem angespannt: Nicht alle Scousers (Dialekt rund um Liverpool) halten sich an die Bestimmungen – so jedenfalls die Beobachtung von Alex Rhys, der gerade beruflich in Englands Nordosten weilt und sehr zu seinen Leidwesen das Anfield Stadium nur zum Impfen betreten könnte. Wenn er denn einen Termin hätte. Es gebe viel Einsicht, aber auch das Gegenteil: „Die Stimmung ist teilweise aggressiv“, sagt er. Zimperlich waren sie in der Gegend noch nie.
Knapp 300 Kilometer weiter südlich, in Dunstable, der Partnerstadt von Porz, geht es gelassener zu. Es gab sogar zahlreiche Neueröffnungen, berichtet Bürgermeister Peter Hollick: Bäckereien, Konditoreien, Kleidergeschäfte, Vermittlungsagenturen, Coffee Shops und mehr. Allerdings im Moment im Lockdown wie wir – man müsse abwarten, ob alle Geschäfte den überleben, so Hollicks. Insgesamt aber sei man mit der Situation ganz gut fertig geworden: Mit den älteren Menschen halten sowohl die Kommune wie auch Jugendclubs Kontakt, Rezepte und andere Notwendigkeiten werden bei Bedarf geliefert. Und auch wenn alle großen Veranstaltungen abgesagt wurden, habe man doch einige kleinere abhalten können, um wenigstens etwas kulturelles Leben zu erhalten.
Barcelona/ Sant Cullat del Vallès
Carmen Fernandez und Holger Schmidt sind schon vor vielen Jahren in die Nähe von Barcelona gezogen. Die beiden Exil-Kölner haben ihre alte Heimat bereits beim ersten Lockdown beneidet, denn so rigoros wie in Katalonien hätte sich hierzulande kaum jemand reglementieren lassen. Komplette Ausgangssperren bis auf eine Stunde Einkaufen zum täglichen Bedarf im nahen Umkreis, und das über Wochen. Jetzt wieder gelockert, aber gerade eben erst wurde die Mobilität innerhalb Kataloniens wieder freigegeben – vorher war sogar der Verkehr zwischen einzelnen Kommunen ohne Ausnahmegenehmigung monatelang verboten. In andere Provinzen („autonome Gemeinschaften“, vorsichtig vergleichbar mit unseren Bundesländern), dürfen die Katalanen immer noch nicht. Auch zu Ostern nicht, etwa um die Familie zu besuchen. „Das nervt unglaublich“, sagt Carmen Fernandez. „Vor allem, weil Touristen aus aller Welt nach Madrid, auf die Kanaren und die Belearen fliegen, während wir selbst uns kaum bewegen dürfen.“
Auch in Spanien hat jedes Land, jede Kommune eigene Regeln, in der Region gilt eine Ausgangssperre ab 22 Uhr. Dafür dürfen Restaurants und Bars öffnen, auch innen, aber nur bis 17 Uhr. „Wir leben in Spanien, das Wetter ist gut, lasst uns doch rausgehen“, klagt Carmen Fernandez. Und lässt durchblicken, dass man sich langsam, aber sicher nicht mehr an alle Regeln halten will und kann. Aber die Polizei kontrolliert, und die Strafen in Spanien können empfindlich hoch sein.
Peking
Mitte Februar war in China Neujahrsfest. Das Jahr des metallenen Wasserbüffels wird auch in Peking 15 Tage lang gefeiert – mit Freunden, Familien, im öffentlichen Raum. Aber mit gebremstem Schaum, denn es ist vieles anders in diesem Jahr. Während sonst Bahnhöfe, Flugplätze und Autobahnen vor Reisenden überquellen, bleibt diesmal die große Reise zu den Verwandten meistens aus. Ein offizielles Reiseverbot gibt es nicht, doch viele Hindernisse. Wer in ländliche Gegenden fährt, muss nicht nur einen aktuellen Covid-Test vorzeigen, sondern auch eine 14-tägige „Gesundheitsbeobachtung“ absolvieren, bei der die Körpertemperatur mehrmals täglich durchgegeben wird. Insbesondere viele Arbeitsmigranten verzichten daher auf die Reise zu den Verwandten – oft die einzige Möglichkeit im Jahr –, weil sie sich die 14 Tage Quarantäne nicht leisten können.
Es gibt verpflichtende Corona-Apps mit individuellem QR-Code, ohne den man kein Einkaufszentrum, kein Restaurant betreten darf. Etwa 1000 akute Corona-Fälle sind zurzeit in Peking gemeldet – weniger als in Köln bei 30 mal mehr Bevölkerung, doch die Vorsicht der Behörden ist nach wie vor fast physisch greifbar. Wird ein Corona-Fall gemeldet, werden innerhalb kürzester Zeit ganze Stadtteile durchgetestet. Es gelten weiter viele Restriktionen. Und es ist keine gute Idee, sich in China den Vorschriften zu widersetzen. Denn die Vorstellung eines Lockdowns ist in China eine andere als hierzulande: Sie geht bis hin zur totalen Blockade ganzer Millionenstädte, dem Kappen sämtlicher inner- und außerstädtischen Verkehrsverbindungen und zur wochenlangen Abriegelung kompletter Wohnblocks inklusive der Bewohner. Es sei eine seltsame Mischung aus neu gewonnener Freiheit und ständiger Überwachung, berichten viele China-Korrespondenten. Doch die Akzeptanz der Maßnahmen sei eine ganz andere als bei uns.