Corona-Serie „Krise meistern“In Köln heißt es „Dringeblieben“ statt rausgegangen
- In unserer Kölner Serie „Die Krise meistern“ stellen wir Menschen vor, die sich in der aktuellen Lage hervorheben.
- Dank Tim Betzin und dringeblieben.de findet die Kultur auch in Corona-Zeiten zu den Menschen.
- Das Programm umfasst vieles – vom DJ-Set auf der Dachterrasse bis zum Yoga für alle.
Köln – Not macht erfinderisch. Eigentlich stellt das Team von Rausgegangen den Kölnern per App diverse kulturelle Veranstaltungen vor, die einen Besuch lohnen könnten. Konzerte, Partys, Kinofilme – die Auswahl ist riesig, mit dem „Rausweis“ gibt es eine monatliche Kultur-Flatrate, und mit dem „Zusammen Leuchten“-Festival auf der Galopprennbahn in Weidenpesch oder Geheimkonzerten hat Rausgegangen sich auch als Veranstalter etablieren können.
Normal ist in diesen Tagen aber nichts mehr: Im Zuge der Corona-Krise hat die Stadt Veranstaltungen untersagt. Es gibt somit nichts, was empfohlen werden könnte. Was also tun, wenn die Leute nicht mehr rausgehen und sich versammeln sollen? Tim Betzin, Gründer und Geschäftsführer von Rausgegangen, hat aus der Not eine Tugend gemacht und innerhalb von 48 Stunden die Internetseite dringeblieben.de ins Leben gerufen, die vergangene Woche Dienstag online gegangen ist. Dort werden ab sofort Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen oder Partys, aber auch zum Beispiel Wohnzimmer-Yoga-Übungen per Live-Stream übertragen. „Uns war es einfach wichtig, dass wir unseren selbst gestrickten Auftrag, die Leute zu inspirieren und ihnen Kultur zu zeigen, weiter durchziehen – also bringen wir die Kultur in die Wohnzimmer“, erklärt Betzin die Idee, die hinter dringeblieben.de steckt.
Livestreams von der Dachterrasse und Gymnastik für jedermann
Das Angebot ist bereits jetzt abwechslungsreich: So baut etwa das Kölner Techno-Kollektiv „Freunde legen auf“ die Plattenteller ab sofort jeden Mittwoch um 16 Uhr für einen „Freunde Stay Home“-Livestream auf die Dachterrasse einer befreundeten Agentur mit traumhafter Aussicht über die Stadt auf, Bleibtreuboy vom Team Rhythmusgymnastik und DJ Cem von Beatpackers bitten jeden Morgen zur Kinderdisko, und auch diverse Yoga- und Fitnessstunden lassen sich täglichen finden. Per Chat können sich die Zuschauer zudem währenddessen austauschen. Und auch wenn der Service kostenfrei angeboten wird: Über ein Online-System kann man den Künstlern unkompliziert finanzielle Unterstützung zukommen lassen. So kamen seit dem Start des Projekts schon über 20 000 Euro zusammen.
Unterstützung, die zurzeit eben auch bitter nötig ist. Gegenüber der Rundschau fasst Betzin die Stimmung innerhalb der Branche zusammen. Die Lage sei für alle Kulturschaffende „ein Fiasko. Da hängen Existenzen dran, es müssen vor allem unkomplizierte finanzielle Lösungen her“, so der Rausgegangen-Gründer. Seine größte Befürchtung, falls dies nicht gelingen sollte: „Die bunte Kölner Szene, die wir bislang hatten, wird dann nicht mehr da sein.“ Weil Rausgegangen auch ein Ticketing-System anbietet, könne er absehen, dass die Leute derzeit auch für Veranstaltungen im Sommer noch nicht wirklich Tickets kaufen. „Das ist ja auch nachvollziehbar, aber natürlich dennoch ein großes Problem.“
Allzu traurig wird Betzin also wohl nicht sein, wenn dringeblieben.de nicht mehr benötigt wird. Ob die Seite nach Überstehen der Krise allerdings gleich ganz eingestampft wird, dazu will er noch keine Prognose abgeben. „Vielleicht ergibt sich daraus ja auch ein neuer Markt.“ Notgedrungen werden sie sich jetzt aber zunächst einmal nur mit der einen Form zufrieden geben müssen.