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Corona-FolgenWarum Kölner Fahrschüler wochenlang auf ihre Prüfung warten

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Fahrschule1

Symbolbild 

Köln – Wochenlange Wartezeiten, vergessene Termine und spontane Absagen: Damit müssen sich die Kölner Fahrschulen nun schon seit einigen Monaten herumschlagen. Die Kritik am TÜV wird lauter, Fahrschüler und –lehrer sind angesichts der Situation ratlos. „Der TÜV hat diese Probleme schon seit Jahren, es ist jeden Sommer das Gleiche“, berichtet Markus Höfs, Inhaber der Kölner Fahrschule Pro Drive. In normalen Jahren sollte sich die Situation im Herbst eigentlich wieder beruhigen. „Dieses Jahr ist es jedoch extrem, wie viele Prüfer die Prüfungen nicht antreten und keinen Ersatz finden“, sagt Höfs.

Termine der Prüfer sind eng getaktet

Laut einer Stellungnahme des TÜV Rheinland seien „die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie“ der Grund für die momentane Lage. Zehn bis zwölf Prozent der Fahrerlaubnisprüfungen fallen laut TÜV Rheinland aktuell krankheitsbedingt aus. Wenn ein Prüfer erkrankt, lasse sich kurzfristig meist kein Ersatz finden, denn die Termine aller Prüfer seien sehr eng getaktet, erklärt ein Sprecher. „Die Zahl der Corona-Ausfälle sollte aber nicht zu so großen Ausfällen führen, wie wir sie aktuell erleben“, merkt Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein, an.

Auch beim TÜV ist ein Problem – wie aktuell an vielen Stellen – fehlendes Personal. Das ginge laut Fahrlehrerverband sogar so weit, dass genervte Eltern und Fahrschulen beim TÜV anriefen und niemand die Telefonate entgegennehmen könne. „Der Zustand ist nicht akzeptabel, für die Fahrschulen nicht, aber genauso wenig für den TÜV.“ Dort suche man nach Lösungen, doch das komme zu spät und laufe schleppend.

Der Prüfer ist krank und keiner weiß Bescheid

Fahrschulen und vor allem die Prüflinge geraten dadurch immer wieder in frustrierende Situationen. „Oft stehen wir morgens da, und es kommt keiner“, erzählt Fahrschul-Inhaber Höfs. Oft habe dann einfach jemand vergessen, Bescheid zu geben, dass der Prüfer krank ist. „Betriebswirtschaftlich gesehen, ist das eine Katastrophe.“ Fällt die Prüfung aus, muss ein neuer Termin beantragt werden und wieder heißt das: einige Wochen Wartezeit. „Am meisten nervt mich, dass nicht mit den Fahrschulen kommuniziert wird“, äußert sich ein anderer Kölner Fahrschulinhaber. Oft würden Termine ohne Erklärung abgesagt. Der Fahrlehrerverband Nordrhein befindet sich deshalb in Gesprächen mit dem TÜV, um eine Lösung zu finden.

Für die Fahrlehrlinge bedeuten die abgesagten Termine neben dem erneuten Prüfungsstress auch erhebliche Mehrkosten. Um in Übung zu bleiben, empfehlen Fahrschulen ihren Lehrlingen bestenfalls zwei Doppelstunden pro Woche. 60 bis 75 Euro kostet eine Fahrstunde. Das summiert sich schnell.

Führerscheinkosten steigen

2200 Euro kostete ein Führerschein der Klasse B 2020 durchschnittlich im Rheinland. Das geht aus einer Erhebung der Moving International Road Association hervor. Aktuell rechnen Fahrschulen mit etwa 2800 bis 3500 Euro für den Führerschein. Ein genauer Preis lässt sich nicht festlegen, da Fahrschulen keiner Gebührenordnung unterstehen, und daher ihre Preise weitestgehend selbst festlegen können.

Der Preis setzt sich zusammen aus einer Grundgebühr, theoretischem Unterricht, Fahrstunden, Sonderfahrten, etwa über die Autobahn, Lernmaterial und den Prüfungskosten. Laut ADAC variiert die Zahl der Fahrstunden je nach Fahrschüler zwischen 10 und 25. Hinzu kommen Gebühren der Straßenverkehrsbehörde für den Führerscheinantrag.

200 Prüfer nehmen aktuell in NRW die praktischen Fahrprüfungen ab. Der TÜV bildet seine Fahrprüfer größtenteils selbst aus. Um Fahrerlaubnisprüfer zu werden, müssen Bewerber unter anderem eine zweijährige Ausbildung absolvieren, mindestens eineinhalb Jahre als Ingenieur gearbeitet haben und eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge sämtlicher Klassen besitzen.

100000 Fahrprüfungen ist der TÜV im Jahr 2020 gefahren, um den im Corona-Jahr entstandenen Rückstau abzuarbeiten. Das sind mehr als jemals zuvor und rund 10 000 mehr als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. (vkö/sim)

Auch die Zahl der nicht geprüften Fahrschüler hat durch die Probleme in den vergangenen Monaten zugenommen. „Es hat sich eine ,Bugwelle’ gebildet, die wir vor uns herschieben“, berichtet ein TÜV-Sprecher. Die Prüforganisation habe es mit einer stark erhöhten Nachfrage zu tun. Das habe verschiedene Gründe. Zum Einen seien während der Lockdowns die theoretischen und praktischen Fahrprüfungen zeitweise ausgesetzt worden, viele Fahrschulen boten aber weiterhin Online-Theorieunterricht an. Es habe dann viele ausgebildete Schüler gegeben, die die Prüfung nicht ablegen konnten, berichtet der TÜV.

Dazu käme, dass viele Behörden während der Pandemie die Fristen für die Führerscheine verlängerten, die teilweise erst jetzt auslaufen. Schüler, deren Fristen längst abgelaufen wären, seien dadurch wieder potenzielle Prüflinge geworden. Außerdem sei der Führerschein gerade in großen Städten wieder beliebter geworden. „Viele wollten wahrscheinlich wegen der Pandemie nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren“, vermutet der Sprecher.

Prüfungen künftig auch samstags

Um den Rückstau abzuarbeiten, habe man qualifiziertes Personal aus anderen Bereichen abgezweigt. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. Ab Mitte Oktober werden die Prüfer auch samstags Prüfungen fahren. Ob diese Maßnahme ausreicht, um die Situation nachhaltig zu entspannen, kann derzeit niemand sagen.