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Kneipensterben in KölnHohe Kosten, lange Tage, unklare Nachfolge – Der letzte Wirt von Worringen erzählt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Wirt hinter der Theke.

Lutz Meurer hatte das „Hotel Matheisen“ und den „Wirsingkönig“ in Köln-Worringen von seinen Eltern übernommen – doch jetzt denkt auch er ans Aufhören.

Auf der „Kneipenallee“ in Worringen gab es einst 17 Wirtschaften bei 2700 Einwohnern. Heute verfallen die Gebäude. Der letzte Wirt erzählt.

Steht man auf der Alte Neusser Landstraße in Worringen der Einmündung in die St. Tönnis-Straße gegenüber, lässt sich die Vergangenheit noch erahnen: Das weiß gestrichene Haus auf der südlichen Straßenseite beherbergte bis vor Kurzem noch den „Burghof“, der rote Ziegelbau auf der nördlichen Seite hingegen war lange Zeit als Gaststätte „Am Müllebaas“ bekannt.

An einem Haus ein paar Meter Richtung stadteinwärts ist heute noch der Schriftzug „Gasthof Am Markt“ zu lesen. Es sind Spuren der Glanzzeit der Alte Neusser Landstraße im 19. Jahrhundert, als sich auf der als „Kneipenallee“ bekannten Meile 17 Wirtschaften befanden. Insgesamt verfügte Worringen damals über 29 Lokale – bei etwa 2700 Einwohnern.

Die Gaststätte Zum Markt besteht aus einem alten weißen Gebäude.

Die Gaststätte „Zum Markt“ steht bereits seit vielen Jahren leer und verfällt.

Doch diese Zeiten sind lange vorbei: Fast alle der ehemals traditionsreichen Gastronomiebetriebe Worringens sind inzwischen verschwunden – eine Tendenz, die sich in den vergangenen zwölf Jahren noch einmal verstärkt hat, wie die Mitglieder des Worringer Heimatarchivs feststellten. 2011 hatten sie zum ersten Mal eine Broschüre über die „Wurringer Weetschafte“ herausgebracht, in der sie deren Spuren im Ortsbild nachgingen. „In der Zwischenzeit hat sich unsere Kneipen- und Restaurantlandschaft aber noch einmal so grundlegend geändert, dass wir die Zeit reif für eine Neuauflage hielten“, sagt Jakob Mildenberg vom Heimatarchiv.

Traditionslokale in Köln-Worringen haben nach und nach geschlossen

Im „Burghof“ etwa gingen die Lichter 2020 zum letzten Mal aus – der Betreiber hatte das Gebäude an einen Investor veräußert, der dort nun Wohnungen anbieten will. Seit 2021 ist auch „Zum Treppchen“ in der St. Tönnis-Straße, das einige Jahre lang noch als Veranstaltungsraum zu mieten war, endgültig Geschichte. Im selben Jahr gaben auch die Inhaber des ebenfalls in der St. Tönnis-Straße gelegenen „Haus Schlösser“ auf, in dem der erste Schnaps 1901 ausgeschenkt worden war.

Mit seinem himmelblauen Anstrich ist das Hotel Matheisen eine markante Landmarke im Ort.

Mit seinem himmelblauen Anstrich ist das „Hotel Matheisen“ eine markante Landmarke im Ort.

Damit ist der älteste noch aktive Gastronomiebetrieb im Ort der „Wirsingkönig“, das Restaurant des Hotels „Matheisen“. Seit 1928 ist es ein Familienbetrieb, wenn es allerdings nach dem heutigen Inhaber Lutz Meurer ginge, wäre es auch schon längst weg. „Die Leute von Rewe hatten sich sehr interessiert an dem Gebäude gezeigt, um hier Mitarbeiter für ihr Logistikzentrum unterzubringen“, sagt Meurer, „letztlich haben sie aber doch einen Rückzieher gemacht. Jetzt müssen wir noch zwei, drei Jahre weiter machen.“

Er spürt, dass sich etwas im Freizeitverhalten der Worringer verschoben hat. „Seit Corona gehen die Leute nicht mehr so viel aus, das ist hier anders als in der Innenstadt. Die gestiegenen Preise und die Inflation machen das natürlich nicht besser“, so Meurer. In seinem Fall ist der Wunsch aufzuhören allerdings nicht wirtschaftlich begründet. „Ich kann jetzt schon absehen, dass es kein schlechtes Jahr wird“, sagt er. „Aber ich bin 56 Jahre alt und mache das jetzt seit 40 Jahren. Meine Tochter hat kein Interesse, das Geschäft zu übernehmen, es war also klar, dass ich der letzte in der Familie sein würde, der hier Bier zapft.“

Worringer Lokale werden mit der Zeit zu „Schandflecken“

Das Problem der Nachfolge plagt offensichtlich viele ehemalige Kneipen und Lokale, denn oft bleiben aufgegebene Betriebe verwaist. „Der Zustand der Bausubstanz ist teilweise erschreckend“, meint Mildenberg, „man kann hier teilweise schon von Schandflecken im Ort sprechen.“ Der „Gasthof am Markt“ etwa zeigt sich mit halb abgedecktem Dach als Bauruine, das Haus der kleinen Kneipe „En dr Kaschämm“ an der Ecke zur Elkebergstraße verfällt zusehends. Und auch die heruntergelassenen Jalousien des „Haus Schlösser“ laufen langsam grün an.

"En dr Kaschämm" an der Ecke von Alte Neusser Landstraße und Elkebergstraße ist schon lange kein Leben mehr. Um das Gebäude liegt Müll.

„En dr Kaschämm“ an der Ecke von Alte Neusser Landstraße und Elkebergstraße ist schon lange kein Leben mehr.

Meurer hat eine Ahnung, warum sich niemand mehr findet, der sich am Betrieb eines Lokals versuchen will. „Seit Corona finanzieren die Banken keine Gastronomiebetriebe mehr“, sagt er. „Das heißt, wenn man ein geeignetes Objekt findet, muss man dafür selbst eine Million Euro auf den Tisch legen – und dafür kauft man sich letztlich einen 14-Stunden-Arbeitstag. Dafür würde ich auch keine Million ausgeben wollen.“


Die Broschüre „Wurringer Weetschafte im Wandel der Zeit“ des Heimatarchiv Worringen kostet 9 Euro und ist an verschiedenen Verkaufsstellen im Ort erhältlich – Fragen an email@heimatarchiv-worringen.de