Genehmigungsbescheid für den Retentionsraum Worringen: Die künstlich geschaffene Überschwemmungsfläche soll bei Hochwasser bis zu 30 Millionen Kubikmeter aufnehmen und damit den Rheinpegel um bis zu 17 Zentimeter senken.
HochwasserschutzGesteuerter Überflutungsraum im Worringer Bruch genehmigt - Steb Köln übernehmen Umsetzung

Im Worringer Bruch soll die größte Hochwasserschutzmaßnahme in Nordrhein-Westfalen durch Retentionsflächen entstehen.
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Es ist die größte Maßnahme in Nordrhein-Westfalen zum Schutz vor Hochwasser durch Retentionsflächen. In Worringen soll eine 679 Hektar große Flutungsfläche mit einem Fassungsvermögen von rund 30 Millionen Kubikmetern Wasser geschaffen werden. Gestern übergab der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) den Planfeststellungsbeschluss an Ulrike Franzke, Vorständin der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (Steb).
Die niedrigen Wiesen der Rheinschleife im Naturschutzgebiet Worringer Bruch sind topografisch natürliche Überflutungsflächen bei Hochwasser. Mit dem Bau eines zwölfeinhalb Kilometer lang umringten Polders soll die Fläche in Zukunft bei Hochwasser kontrolliert geflutet werden können. Mit einem Zufluss von 410 Kubikmetern pro Sekunde und einer Fülldauer von 22 Stunden könnte die Hochwasserspitze im Rhein dann um bis zu 17 Zentimetern abgesenkt werden. Für einen sogenannten Retentionsraum müssen Deiche, Schutzwände sowie Ein- und Auslassbauwerke errichtet werden. Geflutet werden soll dieser erst, wenn der Rhein einen Kölner Pegel von 11,70 Meter hat und 11,90 Meter amtlich vorhergesagt werden. Bei sinkendem Wasser würde die Fläche bis acht Metern Kölner Pegel über das Auslassbauwerk, der Rest über den Pletschbach und das Pumpwerk entleert.
679 Hektar Fläche zur Überflutung
„Wir können dieses Becken wie eine Badewanne steuern – mit einem Riesen-Schutzeffekt für die Menschen“, sagte Krischer gestern beim Termin am Hochwasserpumpwerk am Werthweg. Die Maßnahme soll mehrere Zehntausend Menschen im Kölner Norden bei Hochwasser schützen, aber auch allen rheinabwärts wie Dormagen, Leverkusen und Düsseldorf Erleichterung verschaffen. Selbst an der niederländischen Grenze würden noch fünf Zentimeter dadurch wettgemacht werden. „In geringem Maße könnte der Sunk auch in Richtung Innenstadt eine Effekt haben“, erklärte Christian Gattke, Steb-Betriebsleiter Planung und Bau. Statistisch seltener als alle 200 Jahre wäre es möglich, dass das Fassungsvermögen nicht ausreiche. „Dann aber hätten wir 14 Stunden mehr Zeit für Rettungsmaßnahmen“, so Gattke.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker betonte: „Wir wissen alle, wieviel Kraft Wasser haben kann.“ Deswegen müssten die Hochwasserschutz-Maßnahmen kontinuierlich erneuert werden. „Die gesamte Hochwasserschutzlinie entlang des Rheins wurde verstärkt, der Retentionsraum Langel ist bereits in Betrieb. Mit dem Retentionsraum Worringen folgt jetzt der letzte große Schritt des ‚Aktionsplan Hochwasser‘“, so Reker. Der Aktionsplan, der heute heute als Programm „Rhein 2040“ und in der Hochwasserrisikomanagement-Planung in NRW weitergeführt wird, war eine Reaktion auf die extremen Hochwasser von 1993 und 1995. Bereits 1996 wurde die Umsetzung für Worringen beschlossen, seit 1998 wurde geplant. 2016 wurde die Planfeststellung beantragt.
226 Millionen Euro Gesamtkosten
Durch den Abschluss des Planfeststellungsverfahrens liegt die Genehmigung durch die Bezirksregierung Köln nun vor. „Bei einem Vorhaben dieser Größe sind vielfältige Belange zu beachten“, sagte Regierungspräsident Thomas Wilk. Nun sei es aber eine rechtssichere Maßnahme. Die Steb übernimmt jetzt die Ausführung und vergibt die Bauleistungen für den Zeitraum 2027 bis 2034. Vorständin Franzke sagte: „Wir werden auch den langfristigen Betrieb sicherstellen.“ Die Gesamtkosten, die von Bund und Land getragen werden, belaufen sich nach aktueller Planung auf 226 Millionen Euro.
Rund 30 Vertreter des Bürgervereins Worringen protestierten gegen die Planung. „Wir müssen draußen bleiben“, stand auf einem Schild, weil der Verein für gestern nicht eingeladen worden war. Die Steb wiederum verwies auf den Termin zur Bürgerbeteiligung am 8. April um 18 Uhr im Vereinshaus Worringen. Dennoch war es dem Bürgerverein wichtig, Präsenz zu zeigen. „Wir sind nicht gegen den Retentionsraum Worringer Bruch, sondern nur gegen die große Lösung“, betonte Vorstandsmitglied Karl-Johann Rellecke. Gründe dafür reichen vom Naturschutz bis hin zur Frage nach der Sinnhaftigkeit. In Dormagen sei der Hochwasserschutz nämlich einen Meter höher, insofern sei das Prinzip „Der Oberlieger schützt den Unterlieger“ eh hinfällig. Vor allem gehe es aber um die Bundesstraße. „Die B9 ist für uns bei Störfällen unverzichtbar und muss immer frei bleiben“, so Rellecke. Laut Bürgerverein würde ein Überflutungsraum zwischen Rheindeich und B9 mit einem Damm entlang der Straße völlig ausreichen. Dies sei aber bereits abgelehnt worden, weil das Fassungsvermögen dann nur bei rund 14 Millionen Kubikmetern liegen würde. Der Verein kündigte an: „Wir werden den Planfeststellungsbeschluss rechtlich prüfen lassen.“

Übergabe des Planfeststellungsbeschlusses für den Worringer Bruch mit Regierungspräsident Thomas Wilk, Steb-Vorständin Ulrike Franzke, NRW-Umweltminister Oliver Krischer und Oberbürgermeisterin Henriette Reker (von links).
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