Die Bezirksvertretung Chorweiler fordert ein Seveso-III-Gutachten. Die Verwaltung sperrt sich.
Dauerstreit über GutachtenGefahrenbeurteilung für den Kölner Norden gefordert
Schwere Industrieunfälle haben oft schwerwiegende Folgen. Die Unfälle in Seveso, Bhopal oder Enschede sind bekannte Beispiele dafür. Die Mitglieder der Bezirksvertretung (BV) Chorweiler wünschen sich seit langem ein Gutachten, dass die Gefahrenpotenziale für Köln in den Blick nimmt. Zweck einer solchen Untersuchung wäre, grundsätzlich zu klären, in welchen Abständen zu sogenannten Störfallbetrieben etwa der im Bezirk Chorweiler reichlich vertretenen chemischen Industrie, neue Kindertagesstätten, Schulen, Seniorenheime oder andere „schutzwürdige“ Einrichtungen gebaut werden könnten.
Die europäische Seveso III-Richtlinie legt solche Abstände fest. Die Bezirksvertreter versprechen sich davon, dass es in Stadtteilen wie Merkenich, die seit Jahren unter dem Mangel an grundlegender Infrastruktur leiden, endlich vorangeht. Die Verwaltung hingegen, die ein solches Gutachten erstellen oder in Auftrag geben müsste, sträubt sich gegen das Anliegen: Sie argumentiert, dass der personelle und zeitliche Aufwand sowie die hohen Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen würden.
Leverkusen hat das Gutachten schon
Auf einen Antrag auf Erstellung eines Seveso III-Gutachtens, den die BV Chorweiler im vergangenen Jahr beschlossen hatte, reagierte die Verwaltung mit einer Beschlussfassung, in der sie empfahl, den Antrag zu ignorieren. Doch im Stadtentwicklungsausschuss (StEA) stößt der Vorstoß der Chorweiler Bezirksvertreter durchaus auf Verständnis, weshalb die Beschlussfassung dort bereits mehrmals beraten und wieder zurückgestellt wurde. Die SPD-Fraktion stellte der Verwaltung einen Katalog von Fragen – etwa, welche Bauvorhaben im Norden aktuell von der Seveso III-Richtlinie betroffen sind, warum deren Umsetzung stockt, welche Vorhaben von einem Gutachten profitieren könnten und wie hoch der personelle Aufwand tatsächlich sei.
In ihrer Antwort machte die Verwaltung klar, dass sie keinen generellen Stillstand bei den betroffenen Vorhaben – darunter auch das geplante Neubaugebiet an der Worringer Brombeergasse sowie ein Nahversorger und eine Kita in der Causemannstraße in Merkenich – erkennen könne. Vielmehr sei jedes Vorhaben einem individuellen Prozess unterworfen. Grundsätzlich würde ein Gesamtgutachten Einzelfallbetrachtungen eine Zeit lang überflüssig machen.
Kosten von bis zu 125.000 Euro
Von den genannten Projekten profitiere jedoch keines davon, da es zu lange dauern würde, das Gutachten überhaupt zu erstellen. Zur Frage des personellen, finanziellen und zeitlichen Aufwands gibt es Erfahrungswerte in den Nachbarkommunen Leverkusen, Dormagen und Wesseling, in deren Umkreisen sich ebenfalls viele Störfallbetriebe befinden. Die Nachbarn haben jeweils bereits gesamtstädtische Seveso III-Gutachten erstellen lassen. Die Leverkusener Verwaltung gab demnach an, der Aufwand sei in der Tat nicht zu unterschätzen. Es biete sich daher an, eine Vollzeit- sowie eine halbe Stelle mit der Bearbeitung zu betrauen.
In Wesseling hatte die Amtsleiterin mit einer weiteren Vollzeitkraft an dem Gutachten gearbeitet, Dormagen hatte das Gutachten extern vergeben. Dennoch widmete auch dort ein Mitarbeiter einen großen Teil seiner Arbeitszeit ausschließlich diesem Thema. Bei allen drei Kommunen nahm die Erstellung des Gutachtens drei bis vier Jahre in Anspruch. Die Kostenhöhe war ursprünglich auf 54.000 und 71.000 Euro veranschlagt worden, jedoch im Fall von Leverkusen und Dormagen durch unvorhergesehenen Mehraufwand auf bis zu 125.000 Euro angestiegen.
Das Kölner Stadtplanungsamt rechnet mit dem Einsatz einer halben Vollzeitstelle über drei bis fünf Jahre. Auch die jüngste Beratung im Stadtentwicklungsausschuss endete nicht mit einem Beschluss. Stattdessen soll nun ein Fachgespräch zum Thema anberaumt werden, an dem neben der Verwaltung, dem Ausschuss und der Bezirksvertretung auch die Bezirksregierung Köln teilnehmen soll. Inan Gökpinar, SPD-Fraktionsvorsitzender in der BV Chorweiler, äußerte den Wunsch, auch die Bürgervereine des Kölner Nordens zu dem Gespräch einzuladen. Zumindest der Bürgerverein Merkenich sollte mitreden dürfen, forderte Gökpinar.