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Bündnis „Köln stellt sich quer“ im PorträtSo geht der Kampf gegen Rechts weiter

Lesezeit 6 Minuten
Rund 70.000 Menschen waren dem Aufruf zur Kundgebung gegen die AfD am 21. Januar an der Deutzer Werft gefolgt. Zu sehen sind Demonstrierende mit zahlreichen Transparenten.

Rund 70.000 Menschen waren dem Aufruf zur Kundgebung gegen die AfD am 21. Januar an der Deutzer Werft gefolgt.

Für den 21. März ist ein Sternmarsch durch Köln geplant. Es ist der Höhepunkt der Aktion „15 vor 12“. Noch sei das Aufbäumen gegen rechte Gesinnungen nur ein „Strohfeuer“, so die Sprecherinnen und Sprecher des Bündnisses.

Ausruhen ist keine Option für das Bündnis „Köln stellt sich quer“. Noch sind die Erinnerung und die leichte Euphorie nach dem Massenprotest mit rund 70 000 Menschen gegen Rechts auf der Deutzer Werft Ende Januar frisch, doch in den Wahlumfragen auf Bundesebene ist die rechtsgerichtete AfD noch immer zweitstärkste Kraft. „Bislang war der Protest ein Strohfeuer, mit dem viele Menschen ihr Gewissen beruhigt haben. Die Frage ist für uns, wie wir den Protest mit Blick auf die Europawahl verstetigen können“, skizziert Reiner Hammelrath (SPD), einer der Sprecher der Gruppe, die Lage der Nation. Und die des Bündnisses „Köln stell sich quer“, das sich den Kampf gegen Rechtsextremismus zum Ziel gesetzt hat.

Der 21. März ist der internationale Tag gegen Rassismus, das Datum hat die Gruppe ganz bewusst als Termin für die nächste Aktion gewählt. Bei „15 vor 12“ sollen eine Viertelstunde lang an möglichst vielen Orten Zeichen gegen Ausgrenzung und Intoleranz gesetzt werden – auf Schulhöfen, in Sporthallen und in Fußgängerzonen. „Dieses Vorhaben ist ungleich härter als der Massenprotest, weil wir nun mit Menschen diskutieren, die anderer Meinung sind“, sagt Witich Roßmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschafts-Bundes. Der Aufruf zur Teilnahme ging an Dutzende Vereine und Initiativen, die schon den großen Protest auf der Deutzer Werft unterstützt haben.

Die Gesichter des Bündnisses: Birgitta von Bülow (v.l.), Witich Roßmann, Claudia Wörmann-Adam und Reiner Hammelrath. Sie gehören zu den Sprecherinnen und Sprechern.

Die Gesichter des Bündnisses: Birgitta von Bülow (v.l.), Witich Roßmann, Claudia Wörmann-Adam und Reiner Hammelrath.

Wenn sich in Köln Widerstand gegen rechte Gesinnungen formiert, dann meist auf Initiative des Bündnisses „Köln stellt sich quer“. Als im Jahr 2008 die rechtsgerichtete Partei „Pro Köln“ gegen den Bau der Moschee in Ehrenfeld auf die Straße ging, den Einzug in den Stadtrat schaffte und zum großen Anti-Islamisierungskongress aufrief, war dies die Geburtsstunde der Protestbewegung. „Das war die Initialzündung. Die ganze Stadt war damals auf den Beinen“, erinnert sich Bürgermeisterin Birgitta von Bülow (Grüne), die ebenfalls von Anfang an dabei ist. Hotels stellten ihre Räume nicht für den rechten Kongress zur Verfügung, schließlich hatten sich sogar Taxi-Unternehmen geweigert, die Rechten nach Hause zu chauffieren.

Das Bündnis „Köln stellt sich quer“ ist kein eingetragener Verein, „wir sind ein juristisches Nichts“, meint Roßmann. Die Besonderheit der Gruppe ist bis heute die Vielfalt der unterstützenden Gruppen. „Die breite Bündnispalette war ein Novum für mich. Wir haben sowohl eher konservative Unternehmen als auch alternative Gruppen vereint. Noch heute ist Rechtsaußen das gemeinsame Feindbild“, erzählt Claudia Wörmann-Adam vom Verein „EL-DE Haus“ des NS-Dokumentationszentrums. Reiner Hammelrath sagt es so: „Es gibt kein Reinheitsgebot für unser Bündnis.“ Bis heute gehören Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Vereine dazu. Ebenso die Künstlerinitiative „Arsch huh“ mit vielen Kölner Bands.

Islamfeindlichkeit war die Initialzündung

Das Bündnis gegen Rassismus ist seit Jahren eine etablierte Größe, wenn es darum geht, rechter Meinungsmache die Stirn zu bieten. Es hat die Rolle des zivilgesellschaftlichen Stimmungsbarometers eingenommen, das bei Druck auf die Demokratie mit Transparenten und Reden aus dem Häuschen kommt und sich in den Wind stellt. Beim Moschee-Bau beantworteten sie fast wöchentlich den Protest der Rechten mit Gegendemonstrationen. Auch nach den rechtsextremen Anschlägen in der Probsteigasse 2001 und der Keupstraße 2004 riefen sie zum Protest auf. Und als die fremdenfeindliche Organisation Pegida Anfang 2015 in Köln auf die Straße ging, waren sie ebenfalls zur Stelle.

Das aktuelle Feindbild ist die Alternative für Deutschland (AfD), die der Verfassungsschutz gerne als „gesichert rechtsextrem“ einstufen würde und nicht bloß als „Verdachtsfall“, im März steht eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster an, weil die Partei gegen ihre Beobachtung geklagt hat. „In Krisen kommt Ausländerfeindlichkeit immer wieder hoch, das war schon Anfang der 1990er Jahre so, als es Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gab“, sagt Witich Roßmann. Nun schreckte der Bericht des Medienunternehmens „Correctiv“ über ein Treffen von Rechtsextremen, Führungskräften aus Unternehmen und AfD-Mitgliedern in Potsdam auf, wie dort über die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland diskutiert wurde.

Den Unterrepräsentierten eine Chance geben

Eine Überraschung? „In dieser Brutalität hatte ich das für eine Außenseitermeinung in der AfD gehalten, aber es ist eine relevante politische Position“, gesteht Roßmann. Erwartbar nennt Claudia Wörmann-Adam die ausländerfeindlichen Bestrebungen. „Mich hat Potsdam nicht gewundert, schon vorher war von Remigration zu lesen. Es hat mich aber gefreut, dass dies zu einem Fanal geworden ist und die Mehrheit der Menschen wach geworden ist“, sagt sie.

Nun entlädt sich der Protest deutschlandweit auf den Straßen. Hunderttausende Menschen nahmen an den Kundgebungen gegen die AfD teil. „Viele Menschen hatten das Bedürfnis, ein Gemeinschaftsempfinden auszudrücken“, sagt Birgitta von Bülow. Und rauszubrüllen. Auch in Köln schallte der tausendfach skandierte Slogan „Ganz Köln hasst die AfD“ durch die Straßen. Doch der Ansatz, einfach nur dagegen zu sein, ist dem Kölner Bündnis zu wenig. „Wir müssen verstehen, warum die Menschen eine rechte Partei wählen. Es wäre falsch, die Wählerinnen und Wähler der AfD nur als gesellschaftlich abgehängt zu beschreiben“, sagt Roßmann. Die entscheidende Frage sei folgende: „Wie lässt sich eine Gesellschaft gestalten, damit die Rechten nicht gewählt werden?“

Die Krisen der vergangenen Jahre hatten das Bündnis stets in den Aktionsmodus versetzt. Am Ende der Corona-Pandemie, in der sich Gegnerinnen und Gegner von Impfungen und anderen Maßnahmen zu Montags-Demos trafen, startete „Köln stellt sich quer“ die Aktion „Gemeinsam aus der Pandemie“. Und nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Anstieg der Energiekosten versuchen sie die Menschen auch durch diese Krise zu begleiten. „Wir müssen all denen eine Chance bieten, die sich in der Politik unterrepräsentiert fühlen“, sagt Roßmann.

Wenn das Krisenbarometer unter Druck gerät, greifen nach den vielen Jahren der Protest-Erfahrung eingespielte Mechanismen. Die Kundgebung auf der Deutzer Werft wurde in fünf Tagen auf die Beine gestellt. „Wenn es drauf ankommt, holen wir alle Akteure schnell zusammen. Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt von Bülow. Und wenn es drauf ankommt, sind die Nächte kurz. „Dann muss man auch gegen den inneren Schweinehund ankämpfen und seine beruflichen und familiären Pläne für einige Tage zurückstellen“, meint Roßmann. Inzwischen werde schnell geklärt, wer die Bühne besorgt, wer sich um Redebeiträge kümmert. Und wer bei „Arsch huh“ anruft. „Das ist ein großer Vorteil. Der musikalische Part ist immer gut abgedeckt“, sagt Hammelrath.


Die nächste Aktion

8 Sprecherinnen und Sprecher hat das Bündnis, sie sind sozusagen der innere Zirkel. Dies sind Brigitta von Bülow (Grüne), Claudia Wörmann- Adam ( Verein ELDE Haus), Dr. Witich Roßmann ( DGB Köln) Joanna Peprah ( Initiative schwarze Deutsche), Jörg Detjen ( Die Linke) Patrick Gloe (ColognePride), Sammy Wintersohl (Evangelischer Kirchenverband Köln und Region) sowie Reiner Hammelrath ( SPD). Am 21. März will das Büdnis de Aktion „15 vor 12“ umsetzen, hierbei soll die Menschenwürde im Vordergrund stehen. (tho) www.15-vor-12.de