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Bleiberechtsprojekt in KölnImmer mehr Menschen bekommen Chance auf eine neue Heimat

Lesezeit 3 Minuten

Eine Abschiebung muss nicht das Ende eines Duldungsstatus sein – wie hier bei einem Fall in Leipzig.

Köln – Die Zahlen geben es noch nicht ganz her, aber das im Oktober 2018 gestartete Bleiberechtsprojekt für langjährige geduldete Menschen in Köln hat deutliche Erfolge gezeigt. Nachdem der Stadtrat im Mai 2021 beschlossen hatte, das Projekt als dauerhaftes Programm „Bleibeperspektiven in Köln“ fortzusetzen, haben von rund 5500 Geduldeten in Köln bisher 446 einen Aufenthaltstitel erworben.

Die Betonung liegt auf „erworben“, denn nur, wer aktiv an der eigenen Integration mitwirkt, kommt ans Ziel. Mitwirken heißt: Klärung der Identität, Qualifikationen nachholen, Kenntnisse der Sprache und hiesigen Gesetze erwerben, straffrei bleiben, sich um Arbeit bemühen. Das Projekt wurde für Menschen auf den Weg gebracht, die sich seit mindestens acht Jahren im Duldungsstatus befinden. „Es ist eine Hilfestellung, um die gesetzlichen Kriterien für eine Aufenthaltsgenehmigung zu erfüllen“, erläutert Stadtdirektorin Andrea Blome. „Spannend“ findet sie, dass die Aufgaben interdisziplinär, also in enger Zusammenarbeit mit Ämtern der Stadt und freien Trägern angegangen werden. Caritas, Diakonie, der Kölner Flüchtlingsrat und Rom e.V. sind im Boot. Derzeit nehmen 1815 Personen am Programm teil, davon wurde 135 bislang Geduldeten Stand 27. Juli 2022 das Bleiberecht erteilt. Ausgeschlossen sind Intensiv-Straftäter, Gefährder und Personen, die ihre Identität verschleiern.

Bessere Chancen für Integrationswillige

Das Projekt ging 2016 aus einer Initiative des Flüchtlingsrats, des Runden Tisches und des Rom-Vereins hervor, die Anfang 2017 einen offenen Brief in Zeitungen platzierte, in dem sie von der Politik forderte, Integrationswilligen Chancen zu geben. Damals hatten die Initiatoren vor allem die Volksgruppe der Roma aus dem Westbalkan im Blick. „Der Duldungsstatus zermürbt die Leute, bei ihnen kommt an: Du darfst nicht hier sein, du darfst dich nicht integrieren“, weiß Ossi Helling von Rom e.V., der heute von einem bundesweit einzigartigen Bleiberechtsprojekt spricht. „Ja, andere Städte fragen schon nach unseren Erfahrungen“, bestätigt Ulrike Willms, Leiterin des des Ausländeramtes.

Was dagegen eine Perspektive bewirken kann, schildert Projektleiter Dr. Dennis Gratz am Beispiel eines 2000 in Köln geborenen Roma. Wie viele Angehörige seiner Volksgruppe bekam er vom Herkunftsland seiner Familie keinen Pass, war also staatenlos. Dank Förderung besuchte der junge Mann wieder regelmäßig die Schule, ließ von Kleinkriminalität ab, schaffte 2020 trotz Lernen unter Corona-Bedingungen die Fachoberschulreife und begann 2021 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.

Seit das Projekt ab Juni 2021 als Programm geführt wird, ist der Personenkreis um Syrer, Afghanen, Iraker und vorgeschlagene Personen seitens der Träger erweitert. Stadt und Träger hoffen nun, Geduldete bereits nach fünf Jahren in die weiterentwickelten „Bleiberechtsperspektiven in Köln“ aufnehmen zu können. Voraussetzung bleibt, dass eine Rückkehr oder Abschiebung in ihr Herkunftsland auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Weil sie eine verfolgte Minderheit sind, oder weil dort Krieg herrscht.

„Der neue Chancen-Aufenthalt eröffnet auch ein Potenzial für Geflüchtete aus der Ukraine, früher in die Integration einzusteigen, bevor sie ihre Zeit ,abgesessen’ haben“, fasst Ausländeramtsleiterin Willms zusammen.