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Autos sollen wegWie die Ehrenstraße sich zur Fußgängerzone wandelt

Lesezeit 5 Minuten
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Neues Bild: Seit vergangener Woche sind die Parkplätze auf der südlichen Seite der Ehrenstraße weggefallen.

Köln – Walther König kennt die Ehrenstraße noch als ein Stück schlichtes Köln. „Da gab es viele Handwerker, einen Elektriker, der seine Glühbirnen verkauft hat und einen Installateur, der seine Armaturen anbot.“ Das war Anfang der 80er-Jahre, König war mit seiner Kunstbuchhandlung herübergezogen, E-Scooter waren bestenfalls eine kühne Vision. Die Ringe, das war die benachbarte Flaniermeile, die Ehrenstraße eher ein Durchgangsweg in der City.

Das hat sich grundlegend geändert. Die Meile ist vor allem bei jungen Besuchern beliebt, und nun könnte sie zur Fußgängerzone werden. Die Stadt hat mit dem ersten Umbau begonnen. Offiziell wurden zunächst alle 33 Stellplätze entfernt oder besser: mit Pollern blockiert (siehe Infotext). Was genau mit der Fläche passieren wird, ist noch unklar, der Gehweg werde erweitert, teilt die Stadt mit. So ähnlich ist das in der Altstadt. Was weg soll, ist klar: Autos.

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Die Grünen sind die neue starke Kraft im Stadtrat. Ob sie weiter mit der CDU koalieren werden oder doch mit der SPD, ist noch offen. Beide wären jeweils die Juniorpartner. Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin hat früh klar gestellt, dass es in der Verkehrspolitik „einen gewissen Druck“ brauche. „Ich wünsche mir, dass wir als Erstes die Ehrenstraße und die Breite Straße autofrei machen“, sagte sie der Rundschau. Weitere Bereiche in der Innenstadt und in den Veedeln sollen folgen.

Parkplatz wie ein Sechser im Lotto

Der Buchhändler König findet, diese wenigen Parkplätze hätten kaum einen Autofahrer glücklich gemacht. Ein Stellplatz sei wie ein Sechser im Lotto gewesen. Außerdem gebe es genügend Parkhäuser umliegend. Also: „Ich persönlich fände es wunderbar, wenn wir eine Fußgängerzone bekämen.“

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„Radfahrer könnten sich an Regeln halten“, findet Barbara Wilke.

König steht also auf der einen Seite des Grabens. Die Debatte um die Ehrenstraße trägt längst Züge eines Glaubenskampfes. Für das Auto oder dagegen? Dabei ist das Teilstück, um das es geht, gerade einmal 298 Meter lang. Auf der östlichen Seite, nahe der Apostelnstraße, hat König sein Geschäft, das Sohn Franz inzwischen übernommen hat. Es kommen Stammkunden, der Blick auf Bild- und Kunstbände im Schaufenster gehört für viele Passanten zum Bummel dazu.

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Die Autos sollen raus aus der Ehrenstraße.

Auf der westlichen Seite, dem Friesenwall, führt Barbara Wilke das Käsehaus Wingenfeld, ebenfalls eine sehr bekannte Kölner Adresse. Wilke sagt: „Wenn das eine Fußgängerzone wird, mache ich zu.“ Die Leute wüssten doch heute schon nicht mehr, wie sie zu ihr kommen sollten. Ältere Kunden kämen nicht pfeifend auf dem Lastenrad vorbei geradelt. Überhaupt diese Radfahrer: machen was sie wollen. „Wenn sie sich gegenüber den Fußgängern so verhalten würden wie sie es von den Autofahrern verlangen, wäre schon viel gewonnen.“ Wilke führt das Traditionshaus seit 20 Jahren. Ihre Ladentür liegt direkt an der kleinen Kreuzung, und wer heraus tritt, steht mitten im ungeordneten Verkehrsstrom. Sie störe, sagt die 61-Jährige, dass Meinungen gar nicht mehr gefragt sind, dass sie sich in einem Prozess befindet, dessen Ende schon klar sei.

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Ein gewohntes Bild bislang: Schaufahren auf der Ehrenstraße

Mehr Raum für Menschen

Es sind die üblichen Frontlinien, die auf der Ehrenstraße verlaufen. Auf der einen Seite stehen die, die sich breite Wege und Straßencafés erträumen. Auf der anderen Seite wappnen sich jene, die ein Durchfahrtverbot mit ausbleibender Kundschaft gleichsetzen. Das Problem: Die einen gelten als modern, die anderen als gestrig. Die einen als progressiv, die anderen als reaktionär. Der Verkehrs-Club Deutschland erklärt umarmend: Händler und Passanten seien sich einig, mehr Raum für Menschen mache die Straße attraktiver. Der Händlerverband Stadtmarketing mahnt, man dürfe nichts übers Knie brechen.

Die Planung

Vor eineinhalb Wochen hat die Stadt die Poller auf der Ehrenstraße errichtet und so 33 Parkplätze beseitigt. Wie im April dient die Maßnahme dazu, in der Corona-Krise mehr Platz (und Abstand der Menschen untereinander) zu schaffen.

Der gewonnene Straßenraum werde für die Schaffung 23 neuer Fahrradabstellanlagen, vier Abstellflächen für Lastenräder und einer Aufstellfläche für E-Scooter genutzt. Langfristig sei eine „Neuaufteilung des gesamten Straßenraums“ geplant. In einem Schreiben an die Anlieger wird die Verwaltung konkreter: Als nächstes solle auf der Südseite der Straße der Gehweg erweitert werden, um die Aufenthaltsqualität für Fußgänger zu erhöhen. Damit folge man einem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt. Anregungen und Kritik nehme man per Mail entgegen.

Die Grünen wollen einen Schritt weiter gehen und die Straße für den Autoverkehr sperren. (mft) Mails an: parkraumkonzepte@stadt-koeln.de

Anders herum: Gehört es zur bürgerlichen Freiheit, mit seinem Cabrio durch die „Monaco“-Kurve (Kreuzung zur Benesisstraße) zu fahren? Oder ist das nicht auch eine Form der Provokation, weil der Platz längst zu eng geworden ist im City-Dickicht? Christiane Martin, die starke Frau der Grünen, findet, an der Ehrenstraße werde sichtbar, worum es bei der Verkehrswende geht. „Wir reduzieren nicht nur den Autoverkehr, wir schaffen damit auch mehr Lebensqualität, sorgen für bessere Luft in der Stadt.“ Das nütze allen. Diese 300 Meter neuer Straßenraum sind auch eine Ansage.

Morgens liegen die E-Scooter im Weg

Ulrike Ritter hätte auch etwas zu sagen. Sie arbeitet bei der Bäckerei Zimmermann, wenige Meter hinter dem Friesenwall. Morgens um halb 5 muss sie zunächst mal die Ladezone von umherliegenden E-Scootern befreien. Bis zur Mittagszeit läuft der Lieferverkehr, das Schwarzbrot muss in die Supermärkte, die Burgerbrötchen rausgefahren werden. „Ich kann doch die Körbe nicht wer weiß wohin schleppen.“ Sie habe der Stadt schon mitgeteilt, dass sie all das bitte bei ihrer Verkehrswende bedenken möge. Viele Kunden kämen ohnehin nur noch morgens früh mit dem Auto, danach habe es keinen Zweck mehr habe. Übrigens seien es doch die wenigen verbliebenen Traditionshändler, die die Ehrenstraße so so attraktiv machten.

Oder nicht?