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Kölner Behindertenverbände kritisieren„Verwaltung stellt sich komplett auf Seite der Außengastro“

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Gefährlicher Ist-Zustand: Hier müssen alle Fußgänger und auch Menschen mit Seh- oder Gehbeeinträchtigung oder kleinen Kindern auf die Straße

Gefährlicher Ist-Zustand: Hier müssen alle Fußgänger und auch Menschen mit Seh- oder Gehbeeinträchtigung oder kleinen Kindern auf die Straße ausweichen.

Die In einem Beteligungsprozess Eine neue Ratsvorlage der Stadt Köln zur Außengastronomie kollidiert mit den Forderungen des „Arbeitskreises Barrierefreies Köln“.

„Wir orientieren uns in der Nähe der Fassade, weil sie als innere Leitlinie sicher ist. Bei einem unerwarteten Ereignis Richtung Straße auszuweichen, ist für uns sehr gefährlich“, sagt Paul Intveen. „Deshalb brauchen wir eine Gehwegführung an der Fassadenseite.“ Der Bankkaufmann ist Mitglied des Arbeitskreises „Barrierefreies Köln“ (AKBK) und blind. Seine Erfahrungen hat er in einen Beteiligungsprozess eingebracht, bei dem die Belange zu Fuß gehender Kölner und Kölnerinnen, beeinträchtigter Menschen und der Gastronomie erarbeitet wurden. Und in dem unter Beteiligung der Fachverwaltung ein größtmöglicher Konsens erreicht werden sollte.

Das Ziel: Klare Regeln für die Nutzung des öffentlichen Raumes. Der soll barrierefrei allen Menschen zur Verfügung stehen. Und auf Antrag für Außengastronomie genutzt werden können. In acht Sitzungen des Prozesses „Köln. Gestaltet. Außengastronomie.“ erzielten die 60 Beteiligten Kompromisse. Und hielten Unvereinbarkeiten fest – etwa zur Breite der „hindernisfreien Gehbahn“. Die Ergebnisse wurden im November 2023 an den Verwaltungsvorstand der Stadt - den Dezernenten und der Oberbürgermeisterin - zur Entscheidung weitergereicht. So weit, so gut.

Konstruktiver Prozess, irritierendes Ergebnis

„Doch in der jetzt vorgelegten Beschlussvorlage für den Rat weicht die Verwaltung ganz wesentlich von den Positionen ab, die sie im Beteiligungsprozess eingenommen hat“, kritisiert Intveen. „Im Prozess haben wir uns gemeinsam auf die Vorgaben zur Barrierefreiheit in Köln und die Richtlinien für den Straßenbau bezogen und waren in vielen Punkten einig. Dissens gab es meist zwischen Gastronomie und Verwaltung“, schildert AKBK-Mitglied Günter Bell, bis 2020 Behindertenbeauftragter der Stadt. „Es war für uns sehr überraschend, dass sich die Verwaltung jetzt so konsequent auf die Seite der Gastro stellt.“

Zwei Entscheidungen fallen besonders ins Gewicht: Die Breite der hindernisfreien Gehbahn und die Position der Tische und Stühle.

Die Gehwege sind vielerorts zugestellt und für Menschen mit Geh- oder Sehbeeinträchtigung nur mit großer Unsicherheit passierbar.

Die Gehwege sind vielerorts zugestellt und für Menschen mit Geh- oder Sehbeeinträchtigung nur mit großer Unsicherheit passierbar.

In der Dokumentation des Beteiligungsprozesses führt die Verwaltung eine Gehbahnbreite von 1,80 Metern als Regelfall auf. Lediglich bei bestehender Gastronomie sollte eine Breite von 1,50 Meter in Ordnung sein. „Dass die Gastronomen sich um ihre Bestandsbetriebe sorgen, kam in dem sehr konstruktiven Prozess zum Ausdruck, und das verstehen wir vollkommen“, sagt Intveen. „Deshalb war unser Vorschlag ja auch, dass bei bestehender Außengastronomie eine Breite von 1,50 Metern ausreicht, wenn nicht mehr Platz zur Verfügung steht. Und dass bei Betrieben, die neu entstehen, die 1,80 Meter gelten sollen.“

Außengastro in Köln: Anordnung der Tische in der Kritik

In der fünf Monate nach dem Beteiligungsprozess präsentierten Ratsvorlage steht dagegen zur Abstimmung, dass das Grundmaß der hindernisfreien Gehbahn (…) für Straßenzüge im Bestand regelhaft 1,50 Meter betragen soll. „Weil hier auf bestehende Straßen und nicht auf bestehende Betriebe Bezug genommen wird, wird die Ausnahme automatisch zur Regel“, kritisiert Intveen. „Das ist schlecht, denn eine ausreichend breite Gehbahn ist nicht nur für Menschen, die auf einen Rollator, Gehilfen oder einen Rollstuhl angewiesen sind, für Sehbehinderte und Blinde wichtig, sondern auch für Eltern mit kleinen Kindern. Egal, ob sie zu Fuß mit einem Kinderwagen oder mit älteren Kindern per Roller, Laufrad oder Kinderfahrrad unterwegs sind.“

Der zweite wesentliche Kritikpunkt betrifft die Anordnung der Tische und Stühle. Hier forderte die Gastronomie die Anordnung an der Fassade, damit Markisen als Wetterschutz weitergenutzt werden können und das Personal die Gehbahn nicht queren muss. Die Verwaltung sprach sich im Beteiligungsprozess für eine grundsätzlich straßenseitige Anordnung mit begründeten Ausnahmen aus — und damit im Sinne der Behindertenvertreter. „Die Innenseite des Bürgersteiges ist für Beeinträchtigte und für Eltern mit Kindern sicherer“, so Intveen.

Dagegen stellt die Ratsvorlage in dem zu beschließenden Punkt beides gleichberechtigt nebeneinander. „Wird so entschieden, gibt es keine eindeutige Regel dazu, wo Tische und Stühle stehen sollen“, kritisiert Bell. „Wir werten die für die Ratssitzung am 16. Mai erstellte Vorlage als Verschiebung zu Lasten der Barrierefreiheit und zu Lasten aller Zu-Fuß-Gehenden. Deshalb haben wir einen geänderten Beschlussvorschlag vorgelegt“, so Intveen für die Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik.

Die Regeln, die jetzt beschlossen werden, bestimmen die Nutzung dieses Raumes in Köln langfristig.
Paul Intveen und Günter Bell

Für drei weitere Problemfelder, die im Beteiligungsprozess Thema waren, aber in der Ratsvorlage gar nicht vorkommen, hatte die Leiterin des Stadtplanungsamtes Eva Herr am 11. April in einer Sondersitzung der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik eigenständige Vorlagen angekündigt. Die wirkmächtigsten beiden Punkte stehen dagegen jetzt zur Abstimmung an. Sie betreffen 2200 Außengastronomieflächen im Stadtgebiet.

Bell und Intveen ist wichtig: „Wir sind keine Gegner der Außengastronomie, sondern nutzen sie selber.“ Aber es werde an vielen Stellen immer enger auf den Bürgersteigen, teils mit Tischen und Stühlen auf beiden Seiten des Durchgangs. Für Menschen mit Beeinträchtigung seien solche Passagen nur mit großer Unsicherheit zu bewältigen.

„Der Gehweg ist in erster Linie ein öffentlicher Raum, in dem sich mit Blick auf die Verkehrswende und zunehmender ÖPNV-Nutzung immer mehr Menschen bewegen werden. Die Regeln, die jetzt beschlossen werden, bestimmen die Nutzung dieses Raumes in Köln langfristig“, sagen Paul Intveen und Günter Bell. „Deshalb hoffen wir sehr darauf, dass die Politik der Barrierefreiheit die nötige Beachtung beimisst und die Verwaltungsvorlage in diesem Sinne korrigiert.“ Die neuen Regeln sollen ab 2025 gelten.