Steigende Zahlen von Bewerberinnen und Bewerbern für einen Ausbildungsplatz, die Unternehmen stellen aber deutlich weniger ein.
AusbildungsmarktMehr Bewerber, aber weniger offene Stellen in Köln

Drei Auszubildende, einer bereits mit Abschluss und die Azubi-Beauftragte von Socura: Hanza Coban, Nesrin Makawi, Birgit vor der Wülbecke, Dakhwaz Jondi und Bilal Ümurtay (v.l.).
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Von einem „Turnaround“, der Umkehr eines Trends, sprach der Geschäftsführer der Kölner Agentur für Arbeit, Johannes Klapper. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für einen Ausbildungsplatz steigt weiter, Handwerk und Handel ziehen vermehrt junge Menschen an. Das Studium gilt nicht mehr als allein vielversprechende Karrieregarantie. Leider hat dieser „Turnaround“ aber einen Haken: Denn nachdem die Betriebe über Jahre hinweg den allgegenwärtigen Fachkräftemangel beklagten, sind sie es nun selbst, die kräftig auf die Bremse treten. Um rund zehn Prozent ging die Zahl der offenen Lehrstellen zurück.
Gleichzeitig warfen im ersten Halbjahr des Ausbildungszyklus' ebenfalls fast zehn Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerber ihren Hut in den Ring, 4763 junge Menschen sind über 400 mehr als im Vorjahr. Auf 100 Stellen kommen so nun rechnerisch 111 Bewerberinnen und Bewerber. Ein Ungleichgewicht, bei dem der Leiter der Kölner Agentur für Arbeit, Johannes Klapper, die Betriebe in die Pflicht nimmt: „Die Zahl der aktuell gemeldeten Stellen in Köln ist nicht ausreichend“, erklärt er ohne Umschweife. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass im nächsten Jahr aufgrund der Umstellung von 12 auf die alten 13 Jahre Schullaufbahn ein ganzer Abiturjahrgang wegfällt, appelliert er an die Unternehmen, Lehrstellen zu besetzen: „Gerade jetzt ist die Chance, passende Azubis zu finden, besonders gut.“
Unsicherheit in allen Gesellschaftsbereichen
Es werde zurzeit in allen Gesellschaftsbereichen viel Unsicherheit ausgestrahlt, sagt Klapper. „Das scheint jetzt auch auf den Ausbildungsmarkt durchzuschlagen.“ Simone Marhenke von der Handwerkskammer Köln kann diesen Trend nur bestätigen, die Betriebe seien eher zögerlich mit dem Abschluss neuer Ausbildungsverträge. „Wenn gespart werden soll, wird immer zunächst an der Werbung und in der Lehre angesetzt. Aber gerade Letzteres kann nicht der richtige Weg sein. Ein paar Jahre später fehlen die Nachwuchskräfte dann.“
Vorgestellt wurde die Halbjahresbilanz von Branchendienstleister Socura, einer hundertprozentigen Malteser-Tochter. Und auch deren Auszubildende berichten von großen Schwierigkeiten, einen geeigneten Platz zu bekommen. Dabei sind die jungen Menschen mit viel Herzblut bei der Sache, ihre Ausbildungsleiterin Birgit vor der Wülbecke voll der lobenden Worte. Warum die Jobsuche so schwierig war und warum sie dann bei der Socura willkommen waren, ist schwer zu beantworten „vielleicht, weil wir zuerst nach dem Menschen schauen, dann erst nach Noten“, versucht sich vor der Wülbecke an einer Erklärung.
Kein Anlass für zu viel Pessimismus
Socura hat keine Probleme, Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen: Das 480 Mitarbeitende starke Unternehmen hat laut eigenen Angaben auf 17 Azubi-Stellen Bewerberinnen und Bewerber weit im vierstelligen Bereich. Zum Trübsal blasen bestehe trotz der momentanen Schwierigkeiten aber dennoch kein Anlass, betonten Marhenke und Klapper. Zum einen setzt man auf Bewegung im zweiten Halbjahr, auch außerhalb der eigentlichen Terminierung für das Ausbildungsjahr „wenn beide Seiten wollen, findet sich eigentlich immer eine Lösung“, sagt Klapper. Zum anderen zeigten die Zahlen, dass Handel und Handwerk gefragt sei: Allein in Köln wurden bereits über 300 Verträge für die 130 angebotenen Handwerksausbildungen unterzeichnet.
Ziemlich genau doppelt so viele verzeichnet die Industrie- und Handelskammer (IHK), weniger allerdings als im Vorjahr. Das sei aber kein Anlass zur übermäßigen Beunruhigung, betont Johannes Juszczak von der IHK. „Ausbildungsverhältnisse werden immer später geschlossen werden und tauchen entsprechend spät in der Statistik auf.“ Die Unternehmen hätten ihre Suche nach Auszubildenden längst noch nicht abgeschlossen.