Sie leben und arbeiten hier, dürfen aber nicht wählen: Viele Kölnerinnen und Kölner wollen das jetzt schnellstmöglich ändern - und deutsche Staatsbürger werden.
Ansturm auf Einbürgerung in KölnDoppelte Staatsbürgerschaft möglich – Amt bittet um Zurückhaltung bis September
Am 27. Juni tritt das „Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ in Kraft. Mit der Neufassung sind umfangreiche Erleichterungen bei der Einbürgerung verbunden. Die Rundschau schildert, welche da sind und warum sie für die mehr als 200.000 Kölner und Kölnerinnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit von entscheidender Bedeutung sein können.
Was ist anders am neuen Einbürgerungsgesetz?
Eine sehr wesentliche Änderung ist die Möglichkeit der Mehrstaatlichkeit. Das heißt, dass Bewerbende bei ihrer Einbürgerung ihre bisherige Staatsangehörigkeit nicht aufgeben müssen, sondern zwei Staatsangehörigkeiten haben können. Das ist in Ländern wie Frankreich, Italien und Portugal schon lange möglich. „Wir begrüßen die Änderung sehr“, sagt Christina Boeck, Leiterin des Kölner Ausländeramtes. „Denn wir vermuten, dass viele Menschen, die in Köln leben, die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes nicht aufgeben möchten, auch wenn sie gerne die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen würden. Diese Hürde gibt es jetzt zum Glück nicht mehr.“ Außerdem wurden die zeitlichen Fristen und die sprachlichen Anforderung für die Generation der „Gastarbeiter“ deutlich gesenkt (siehe Infotext).
Ist das Interesse an einer Einbürgerung gestiegen?
Seit etwa 2022 ist die Zahl der Anfragen gestiegen, weil viele Geflüchtete aus Syrien oder dem Irak die Regelfrist eines achtjährigen Aufenthaltes, die wegen besonderer integrativer Leistungen auf fünf Jahre verkürzt werden konnte, als ein wichtiges Kriterium erfüllt hatten. Viele waren in dieser Zeit schon dauerhaft berufstätig. Mit dem Bekanntwerden der Gesetzesänderung sei das Interesse nochmals stark gewachsen, so Boeck. „Aber leider wurden Erwartungen geweckt, die wir nicht erfüllen können. Wir müssen die einbürgerungswilligen Kölnerinnen und Kölner leider um Geduld bitten. Das Gesetz wurde im März verabschiedet, ein Jahr Vorlauf wäre angemessen gewesen – jetzt sind es nur drei Monate.“
Wie viele Menschen werden in Köln pro Monat eingebürgert?
„Im laufenden Jahr haben wir etwa 500 Einbürgerungswünsche monatlich und konnten von rund 400 Anträgen etwa 90 Prozent positiv bescheiden. Im Jahr 2023 haben unsere 30 Mitarbeitenden im Fachbereich 3800 Einbürgerungen durchgeführt, in den Jahren davor waren es rund 3000“, sagt Boeck. „Jetzt sind wir an den Grenzen der Optimierung angelangt. Wir brauchen deutlich mehr Personal. Wenn wir alle 50 zusätzlich benötigten Stellen besetzt haben, ist unsere Zielmarke 10 000 Einbürgerungen pro Jahr. “ Wie stark ist die Nachfrage nach Terminen?
Wie stark ist die Nachfrage nach Terminen?
Alle Termine bis Ende des Jahres sind ausgebucht, zudem liegen dem Ausländeramt Anfragen oder auch Mails mit Unterlagen für 6000 bis 8000 Einbürgerungsanträge vor. „Wir könnten theoretisch sofort alle Termine im Jahr 2025 vergeben. Aber ein Vorlauf von mehr als zwölf Monaten ist nicht sinnvoll, dann werden Termine erfahrungsgemäß teils nicht eingehalten“ , so Boeck.
Ab wann können wieder Termine vergeben werden?
„Ab September diesen Jahres. In den kommenden Wochen werden wir erst einmal den riesigen Arbeitsberg abarbeiten, der auf jedem Schreibtisch liegt. Meine Mitarbeitenden arbeiten schon seit längerem an ihren Kapazitätsgrenzen. Jede Mail, die bei uns eingeht, müssen wir öffnen um zu sehen, worum es geht. Das kostet Zeit und wirft uns weiter zurück bei der Bearbeitung der Anträge, die an der Reihe sind“, schildert Boeck. „Deshalb werden wir Mails, die uns zwischen dem 1. Juni und Ende August erreichen, nicht nach Eingangsdatum bearbeiten, sondern diese Anfragen mit denen gleichsetzen, die ab dem 1. September bei uns eingehen.“
Gehen alle Kommunen gleich vor?
Es gebe Kommunen, die unkomplizierte Fälle wie etwa EU-Bürger vorziehen, die biometrische Pässe haben, so die Leiterin des Ausländeramtes. „Das tun wir nicht, denn das würde geflüchtete Menschen aus Syrien, Irak oder Afghanistan massiv benachteiligen.“ Die Identitätsfeststellung bei Menschen aus diesen Ländern dauere länger; auch deshalb, weil sie teils nicht alle erforderlichen Dokumente im Original hätten mitnehmen können, die für eine Einbürgerung vorliegen müssten.
Gibt es Ausnahmefälle, die vorgezogen werden?
Bei Menschen, für die die Einbürgerung für den weiteren Lebensweg entscheidend ist und eine existentielle Bedeutung hat, kann die Bearbeitung vorgezogen werden. Das ist etwa der Fall, wenn jemand einen Beruf im Staatsdienst ausüben, also etwa Polizistin werden möchte.
Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zur Behörde?
„Sehr wichtig. Im persönlichen Gespräch kann vieles geklärt werden, was sonst zu einer Ablehnung führen könnte. Etwa wenn es Bedarf gibt, mehr über die Voraussetzungen zu erfahren. Oder wenn ein Antrag wegen des aktuellen Aufenthaltstitels nicht anerkannt werden kann“, erklärt Boeck. „Wir haben eine hohe Anerkennungsquote und können Verzögerungen vermeiden, weil wir vorher klare Signale senden. Und wir prüfen erst, bevor wir die Einbürgerungswilligen mit der Gebühr finanziell belasten. “
Ist die Sicherheitsabfrage Teil des Prozesses?
„Wenn uns alle benötigten Unterlagen im Original vorliegen, stellen wir eine Sicherheitsanfrage beim Verfassungsschutz“, erklärt Stephanie Ortelbach, Leiterin des Integrationsamtes. „Besonders im Fokus sind antisemitische, rassistische und menschenverachtende Haltungen.“ Ablehnungen von Einbürgerungsanträgen werden in der Regel von Gerichten überprüft. Deshalb würden wohl auch Gerichte und Sicherheitsbehörden mit der vielfachen Menge an Arbeit konfrontiert werden. Im Jahr 2023 wurden etwa 30 Menschen nicht eingebürgert, weil erhebliche Zweifel bestanden, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen.
Gibt es genug Interessierte, wer zahlt die Aufstockung?
„Die Politik steht hinter der Umwandlung unserer Behörde in eine Willkommensbehörde, und der Prozess läuft ja auch schon“, sagt Boeck. „Unabhängig davon ist Einbürgerung eine Pflichtaufgabe der Kommune. Die wollen und können wir nicht erst nach mehrjähriger Wartezeit erfüllen. Wir wären sehr glücklich, wenn wir alle 50 Stellen bis Jahresende besetzen könnten. „Und sind zuversichtlich. Denn die Arbeit bei der Einbürgerungsbehörde ist eine sehr positive“, so Ortelbach. „Wir arbeiten mit Menschen, die sich integriert haben und die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen möchten. Und wir helfen ihnen dabei, den letzten Schritt zu tun.“
Voraussetzungen und Staatsbürgerrechte
Wer eingebürgert werden will, muss seinen Lebensunterhalt selbst sichern können. Nach dem neuen Gesetz können langjährig hier lebende ehemalige Gastarbeiter oder Menschen, die in Vollzeit arbeiten, auch dann eingebürgert werden, wenn sie Sozialleistungen beziehen.
Zur historischen Verantwortung Deutschlands, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, müssen sich Menschen, die deutsche Staatsbürger werden möchten, nach der Gesetzesänderung zusätzlich bekennen. Verpflichtend ist nach wie vor das Bekenntnis zur freiheitliche-demokratischen Grundordnung.
Zuvor fünf Jahre in Deutschland leben
Fünf Jahre lang müssen Bewerbende in Deutschland leben, bevor sie eingebürgert werden können; bisher waren mindestens acht Jahre Pflicht. Bei besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen, bürgerschaftlichem Engagement oder Erfüllung der Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe C1 können auch drei Jahre ausreichend sein. Für die „Gastarbeiter“ der ersten Generation gibt es Lockerungen bei den zuvor geltenden Sprachanforderungen; jetzt reicht es aus, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben auf Deutsch verständigen können. Für sie kann auch der obligatorische Einbürgerungstest mit 33 Fragen zum Leben in Deutschland entfallen.
49.370 Türken und Türkinnen ohne deutschen Pass leben in Köln. Das sind 22 Prozent der insgesamt 228.555 nicht-deutschen Kölner und Kölnerinnen. Die zweitgrößte Gruppe sind Italiener (18.242 Menschen/acht Prozent). Aus der Ukraine stammen 14.826 Nicht-Deutsche (sieben Prozent). Jeweils vier Prozent der Nicht-deutschen sind Bulgaren (10.067) und Iraker (9436). (Alle Angaben Stand 31.12. 2023).
Alle Rechte und Pflichten als Staatsbürger und -bürgerin hat, wer eingebürgert ist. Dazu zählt etwa das Wahlrecht und das Recht, für politische Ämter zu kandidieren, Freizügigkeit in Europa, visafreie Einreise in viele Länder, das unverwirkbares Aufenthaltsrecht, Zugang zum Beamtenstatus und konsularischer Schutz im Ausland.
Mit einem personalisierten Code sollen Termine auf Sicht selbst gebucht werden. Damit soll vermieden werden, dass sie von Dritten gebucht und dann teuer unter der Hand „verkauft“ werden. Ab wann das Codesystem und die geplante Digitalisierung der Antragstellung verfügbar sind, ist noch offen.