68er-Ausstellung in KölnMary Bauermeister spricht über ihre Erkrankung und den Tod
Köln – Lebendig und energieladen wirkt sie, und ganz viel Humor bringt sie mit. Mary Bauermeister sitzt da, erzählt aus ihrem bewegten Leben, und sofort nimmt sie das Publikum im überfüllten Saal des Kölnischen Stadtmuseums mit. Und dann sagt sie unvermittelt: „Ich sterbe gerade an Krebs, ich habe das akzeptiert und freu’ mich drauf.“ Sie sei schon mal „drüben“ gewesen, während einer OP, in einem Zustand der Glückseligkeit. Furcht habe sie keine: „Ich nenne es die Ebenen wechseln.“
Im Rahmen der 68er-Ausstellung war Bauermeister zu Gast im Stadtmuseum. In den 60er Jahren hat sie die Fluxus-Szene mitgeprägt, hat Künstler angezogen und eine Epoche mitgeprägt. Ihr Atelier auf der Lintgasse war Teil der Avantgarde. „Ich war jung und schön und hatte als Künstlerin Narrenfreiheit“, hatte sie der Rundschau im vergangenen Jahr in ihrem Haus in Rösrath erzählt.
„Ich hab’ noch ein paar Sachen fertig zu machen“
Auf den Abend im Stadtmuseum habe sie sich besonders gefreut, sagt die 84-Jährige. „Ich nehme im Moment ganz anders am Leben teil, konzentriere mich auf das, was kein anderer kann.“ Ihr zweites Buch „Wege und Irrwege“ sei in der Endbearbeitung. Und im April möchte Mary Bauermeister unbedingt noch einmal in New York ausstellen – in der Stadt, in der ihre Bilder im Museum of Modern Art und im Guggenheim zu bewundern sind. „Ich hab’ noch ein paar Sachen fertig zu machen, blicke aber voller Dankbarkeit auf mein Leben zurück. Ich habe mein Leben lang nur das getan, was ich gerne tue.“
Die Künstlerin lässt ihr Publikum an diesem Abend durch die Zeiten springen. „Wir kamen aus den Kellern, und ein schwarzer Mann warf Bonbons aus einem Panzer. Das sollte der Feind sein“, beschreibt sie ihre Nachkriegsgedanken. Erwachsenen glauben – nie. Alles sollte anders werden. „Wir waren rote Socken. Unsere bewusstseinserweiternden Drogen waren Hunger und Sehnsucht.“ Ihre Wohnung in der Lintgasse 28 in Köln, unweit des Doms, sei ein Treffpunkt für die „Hungerkünstler“ der ganzen Welt geworden, in allen Farben, über kulturelle Grenzen hinweg: ein Schmelztiegel für interdisziplinäre, experimentelle Kunst.
Klavier im Rhein versenkt
Eine Klangkomposition von Simon Stockhausen begleitet die Erinnerungen seiner Mutter. „Die wäre meinem Vater schon viel zu kitschig gewesen“, sagt der Sohn des berühmten Komponisten Karlheinz Stockhausen. „Diese Gebundenheit an eine Tonalität, das hätte ihm wohl nicht gefallen, weil er so ein 12-Ton Fanatiker war.“
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Zur Musik zog ein Duft von Räucherstäbchen durch den Raum, ein Teil der Klangkunst. „Im Hippie-Haushalt Bauermeister/Stockhausen roch es immer danach. „Für mich hat das was mit Love, Peace und Happyness zu tun, mit dieser Zeit.“ Die Verbindung verschiedener Kunstrichtungen, der Musik, der Malerei, der Philosophie war Mary Bauermeister immer besonders wichtig. Wenn die Mitbegründerin der „Fluxus- Bewegung“ ihr Wohnzimmer öffnete, entstanden Kunstwerke, bei denen es vor allem auf die schöpferische Idee ankam. Auch Verrücktheiten mussten sein: „Wir haben ein Klavier im Rhein versenkt“, sagt sie. „Als Klavier auf Wasser traf, war da ein ganz besonderer Klang.“ Leider nur für ein paar Sekunden. Die Künstlerin erinnert sich auch an das vierhändige Klavierspiel Stockhausen/ Bernstein – für ihren Mann eine beglückende Begegnung. Und sie erzählt von der Zeit, als eine Künstlerschar in ihrer Kölner Wohnung darauf wartete, dass einer von ihnen bei einem Empfang im Rathaus das Essen vom Büfett stibitzt hatte.
Der Gedanke ans Sterben lässt Mary Bauermeister nicht los. Zum Schluss kommt sie darauf zurück. Sie hofft, dass ihr die Zeit bis zur Ausstellung in New York bleibt. „Hauptberuflich sterben ist langweilig. Ich will die Zeit füllen mit Dingen, die sinnvoll sind.“