Unser Autor ist zum Spiel in Berlin mitgereist.
2. LigaDiesen Fan-Rekord stellt der 1. FC Köln in Berlin auf
Von grau zu blau: Wie schnell die Stimmung beim 1. FC Köln kippen kann, ist bekannt. Am trüben Allerheiligentag machten sich tausende FC-Fans auf in die bundesdeutsche Hauptstadt, quer durch die Republik. Der Morgen dämmerte über dem Rhein, der graue Strom passte gut zur Stimmung der Fans. Nur wenige Fans trauten dem Verein in den vergangenen Tagen für die laufende Saison viel zu, die Meinungen schwankten zwischen Galgenhumor und Resignation. Und dennoch: Woche für Woche machen sich Kölner Fans auch in der 2. Bundesliga auf in die Stadien – entweder ins heimische Müngersdorf, oder quer durch Deutschland.
Für die bislang größte Kulisse in der aktuellen Zweitliga-Saison sorgten die Kölner Fans am Wochenende in Berlin. Mittendrin die Rundschau: Das lange Wochenende lockte mit einem Besuch in Berlin, am Samstagabend gastierte der FC zum Topspiel der 2. Bundesliga bei der Hertha. Zeit für einen Hauptstadt-Trip in rot-weiß. Laut Vereinsangaben waren es rund 15 000 Kölner Fans, welche die mehrstündige Reise von der Domstadt nach Berlin antraten, andere Quellen sprachen von 16 000 bis 20 000 Fans. In der laufenden Saison wurde noch kein Zweitliga-Verein zahlreicher zu einem Auswärtsspiel begleitet – es ist ein Phänomen, dass die FC-Fans trotz ständiger Rückschläge ihre Mannschaft unbeirrt in alle Ecken des Landes begleiten.
Im günstigen Zug nach Berlin herrscht morgens noch viel Skepsis: So mancher Fan hofft im voll besetzten Flixtrain, „dass die auf die Mütze kriegen, und dann geht der Struber.“ Der schöne Fußball, den der FC in vielen Spielen gezeigt hat, ist erst einmal vergessen – die letzten Ergebnisse haben zu großer Fan-Sorge Anlass gegeben. Blauer Himmel dann am Spieltag in Berlin: Am Brandenburger Tor taut so manche Fan-Seele auf, selbst Geschäftsführer Christian Keller joggt vor einem weiteren Schicksalsspiel entspannt am Monument vorbei und hält sich mit seinem Fitnesstrainer gesund. Auch zahlreiche Anhänger sind vor Ort: Die beiden Väter Robert (47) und Rafael (46) aus Wuppertal und Köln sind mit ihren Söhnen Jaron (13), Jonah (11) sowie David (13) und Levin (15) zum Männertrip nach Berlin gefahren. „So eine besondere Auswärtstour wollten wir uns mit unseren Kindern und Freunden nicht entgehen lassen“, betont Robert. „Wir wollen den Tag einfach genießen, egal ob wir gewinnen oder nicht.“
Der Optimismus kommt in der Berliner Sonne zum Vorschein: Jaron tippt auf ein 2:1 für den FC am Abend, Vater Rafael sogar auf ein 3:1. Das Mekka der FC-Fans in Berlin ist die „Ständige Vertretung“ nahe dem Bahnhof Friedrichstraße, direkt an der Spree gelegen. Hier zieht es die meisten nach dem Sightseeing hin. Am Nachmittag platzt das Lokal aus allen Nähten, und die Fans verteilen sich auf die umliegenden Straßen und am Spreeufer. Die Kölschkneipe versteht sich als die Vertretung der rheinischen Kultur in Berlin. Das Personal ist erstmal baff, angesichts der euphorisierten Stimmung. Kellner Endri kennt die FC-Fans nicht, ist jedoch beeindruckt: „Ab sofort ist das meine Mannschaft. Die sind mit ganz viel Adrenalin und Emotionen dabei, das ist fast südländisch.“
FC-Fan Valentino Sirola (39) kommt aus Bad Honnef und ist mit seinen Freunden Yannick und Kristan angereist: „Ich erwarte eine gute Leistung heute mit einem knappen Sieg. Wir werden unsere Mannschaft zum Sieg schreien“, freut sich Sirola vor der „StäV“. Erstaunlich, dass die meisten Fans mit ihrem Optimismus recht behalten sollten. Der FC spielt von Anfang an sehr stabil und selbstsicher. 1:0 für Köln, und die FC-Kurve rastet aus. Markus Rejek äußerte sich passend dazu vor dem Spiel: „Unsere Fans haben ein gutes Gespür dafür, wann unsere Mannschaft sie braucht. Gerade in schwierigen Situationen sind unsere Fans immer da und ein sehr wichtiger Faktor. Das 87. Veedel von Köln ist am Samstag Berlin.“
Der Glaube ist zurück
Zumindest im Stadion konnte man dies so glauben – die Fans sind „on fire“, manche Anhänger auf beiden Seiten wagen trotz Ermahnungen das Abbrennen von Pyrotechnik. Wichtig erscheint jedoch, dass angesichts der Mannschaftsleitung bei vielen Fans der Glaube zurückkehrt. Auch in der zweiten Halbzeit bleibt der FC stark und lässt kaum etwas zu. Die freudentrunkene Kurve feiert die Mannschaft nach dem Abpfiff noch fast eine Stunde lang. „Auswärtssiege sind immer noch am geilsten“, freut sich Yannick, der aus Dresden angereist ist.
Am Abreisetag erstrahlt der Berliner Himmel dann tiefblau, und zahlreiche tiefenentspannte FC-Fans treten ihre Rückfahrt nach Köln am Hauptbahnhof Berlin an. Es ist wieder dieses wohlige FC-Gefühl eingekehrt, zumal die Mannschaft offenbar wieder aufstehen kann und seine Anhänger die Mannschaft tragen. Flügelflitzer Linton Maina bringt es nach dem Spiel auf den Punkt: „Die Jungs da draußen sind verrückt, ich kann es nur immer wieder sagen. Wir haben uns nicht nur für uns, sondern auch für die 15 000 Fans gefreut, die mitgefahren sind.“ Egal ob beim Urlaub, beim Essen oder beim Sport: Auswärts ist es immer noch am schönsten.