1700 Jahre jüdisches LebenVom sozialen Leben in der Synagogen-Gemeinde Köln
Köln – „Können wir etwas für Sie tun? Sind Sie versorgt?“ Mit solchen Fragen meldeten sich kurz nach Beginn des ersten pandemiebedingten Lockdowns Mitarbeiter der Synagogen-Gemeinde Köln (SGK) telefonisch bei Gemeindemitgliedern ab 65 Jahren. Rund 2000 Anrufe tätigten die Sozialarbeiter damals. Mittlerweile ist diese telefonische Abfrage bereits dreimal wiederholt worden. Manchmal besteht der Bedarf einfach nur darin, ein Gespräch mit einer Person zu führen, die zuhört. Manchmal geht es um praktische Dinge wie die Begleitung bei einem Arztbesuch. Als Konsequenz aus den Gesprächen wurde ein eigener Telefondienst eingerichtet. Sieben psychologisch geschulte Personen wechseln sich dabei ab, die Anrufe von Menschen entgegenzunehmen, die unter Einsamkeit oder einer Krankheit oder existenziellen Krisen leiden.
Corona hinterlässt Spuren
Bei aller Fürsorge und Hilfe hat die Pandemie auch in der SGK schmerzliche Spuren hinterlassen. Dass die Teilnahme an Gottesdiensten und anderen religiöse Feiern nur nach Anmeldung im Büro des Rabbiners möglich ist sowie der Gebetsraum des jüdischen Gotteshauses mit entsprechenden Vorrichtungen ausstaffiert wurde, um die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten, ist noch eine eher äußerlich sichtbare Veränderung. Viel schwerwiegender ist der Verlust von Gemeindemitgliedern, die ihr Leben durch die Pandemie verloren haben. Mit viel Engagement hat die SGK ein eigenes Impfzentrum organisiert und im Gemeindesaal eingerichtet.
Szenenwechsel. Im Jugendzentrum der Synagoge an der Roonstraße ist es aufgrund der Pandemie ruhiger als sonst. Normalerweise kommen hier mehrmals die Woche etwa 60 bis 80 Kinder und Jugendliche zusammen, um über Politik zu diskutieren oder den jüdischen Feiertagszyklus zu studieren, aber auch, um Aktionen zu starten: In den vergangenen Jahren etwa haben Jugendliche aus der SGK stets am Jewrovison Contest teilgenommen - ein Gesangswettbewerb unter jüdischen Gemeinden in Deutschland.
Auch ein Kindergarten ist in der Synagoge
Ebenfalls in der Synagoge befindet sich der Kindergarten für die unter drei Jahre alten Kinder. Aktuell bilden zwölf junge Gemeindemitglieder die Gruppe der „Roonis“. Später werden sie womöglich in eine der drei Gruppen des Franz-Herschtritt-Kindergartens mit derzeit etwa 60 Kindern wechseln. Dieser befindet sich an der Ottostraße in Ehrenfeld. In dem straßenbildprägenden lichtdurchfluteten Gebäude mit dem einladenden Innenhof vor dem Haupteingang befindet sich auch die Lauder-Morijah-Schule, eine einzügige Grundschule mit 80 Schülern. Ein jüdisches Gymnasium gibt es - noch - nicht. Seit Jahren wird darum gerungen. Die Stadt Köln hat ein großzügiges Gebäude nahe der Ottostraße in einer Absichtserklärung in Aussicht gestellt.
„Jüdisches Wohlfahrtszentrum“ nennt sich der Gebäudekomplex, in dem auch bis zu 70 Senioren im sogenannten Elternheim leben. Wohlfahrt und Soziales - das ist nicht irgendeine Leistung, die die Gemeinde ihren Angehörigen zukommen lässt. „Jüdische Wohlfahrt hat eine jahrhundertelange Tradition“, erklärt SGK-Geschäftsführer David Klapheck und verweist auf den hebräischen Begriff der „Zedaka“. Dahinter steht das jüdische Verständnis von Wohltätigkeit. „Sie ist im Judentum eine religiöse Pflicht, eine sogenannte Mitzwa.“ Konkret geht es um sozial-ethisches Handeln und soziale Gerechtigkeit.
Kleiderkammer hilft den Bedürftigen
Im Elternheim, aber nicht nur dort, lässt sich das anschaulich miterleben. Im Keller betreuen zwei Ehrenamtlerinnen eine prall gefüllte Kleiderkammer. Mehrere Büchereien, unter anderen eine der größten russisch-sprachigen Bibliotheken deutschlandweit, befinden sich im Gebäude und auch in den Einrichtungen in Porz und Chorweiler. Und im Elternheim werden die Zimmer der älteren Bewohner, meist Einzelzimmer, in den kommenden Monaten auf den neuesten Stand gebracht. Viele Details sind zu beachten. So dürfen Böden beispielsweise nicht blau sein, weil sie demente Menschen an Wasser erinnern. Die älteste Bewohnerin ist 102 Jahre alt. Neben den vielen Hilfen durch haupt- und nebenamtlich Angestellte gibt es das „SeniorenNetzwerk Eil“, das die betagten Bewohner in Anspruch nehmen können.
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Wie professionell im Wohlfahrtszentrum gearbeitet wird, lässt sich auch daran ablesen, dass die SGK seit Jahren zur Liga der sechs Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege gehört. „Insbesondere durch unsere Betreuung und Angebote für russischsprachige Menschen kommt uns ein Alleinstellungsmerkmal zu“, unterstreicht Klapheck. Mittlerweile ist die SGK zudem als Ausbilder in der Seniorenarbeit anerkannt und wird dafür aus dem Haushalt der Stadt unterstützt.
Doch auch außerhalb des Wohlfahrtszentrums sowie der Synagoge bietet die Gemeinde soziale Angebote an. In Porz und Chorweiler gibt es Begegnungszentren. Computer- und Sprachkurse, sportliche Aktivitäten oder Literatur werden ebenso angeboten wie eine Tasse Kaffee.
Und dann gibt es noch den jüdischen Sportverein Makkabi Köln. Rund 260 Mitglieder von Jung bis Alt toben sich in neun verschiedenen Sportarten aus. Schließlich die Kölner Gruppe der WIZO, der nach eigenen Angaben weltweit größten Frauenorganisation. Mit viel Elan und Charme werben die WIZO-Damen mit ihren Aktivitäten Spenden für soziale Projekte in Israel ein, die sich an benachteiligte und sozial schwache Menschen wenden - unabhängig von deren Herkunft oder Religion. Das gilt übrigens auch am Rhein: Die Sozialangebote der SGK stehen allen Menschen offen.