Saisoneröffnung beim Club der Stadt50.000 FC-Fans kommen zur Ziegen-Show
Köln – Die tierische Zeitenwende geschieht um 13.09 Uhr mitteleuropäischer Köln-Zeit. Der neue Geißbock betritt die große Bühne in Müngersdorf. Menschenmassen jubeln und klatschen. Und wenn ein Tier mehr Applaus bekommt als die meisten FC-Spieler – dann ist klar: Das kann nur in Köln sein. In der Stadt des liebevollen Wahnsinns.
Rund 50.000 Fans des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln haben am Sonntag das betagte Maskottchen Hennes VIII. in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet und seinen Nachfolger Hennes IX. begrüßt. Größeren Applaus als die beiden Geißböcke erhält bei der offiziellen Saisoneröffnung nur Torjäger Anthony Modeste. Der zwölfjährige Hennes VIII. wird wegen voranschreitender Arthrose nach elf Jahren abgelöst. Sein Nachfolger, der wie er im Kölner Zoo lebt, ist am 24. Februar 2018 in Petershagen-Ilse bei Minden geboren worden.
Hennes VIII. steht vor seinem letzten schweren Gang auf die Bühne an diesem Sonntag im Schatten im VIP-Bereich. „Er wird gleich ins kalte Wasser geworfen“, sagt Betreuer Ingo. Hennes sei nach dem Aufstehen etwas behäbig unterwegs, erklärt Ingo weiter: „Vielleicht hatte er Schlafstörungen in der Nacht vor dem Abschied.“ Am Ende macht es der „Alte“ sehr souverän und genießt die tierische Euphorie.
Voll Bock auf das neue kölsche Leben hat das neue Maskottchen. Hohe Herren des FC und vom Kölner Zoo versammeln sich hinter der Bühne um den Bock. „Wir haben ihm ein bisschen Baldrian gegeben“, sagt Zoo-Chef Theo Pagel mit einem Augenzwinkern und spricht fast liebevoll von der Nummer neun. „Seine Hörner sind so schön.“ Sie würden genauso aussehen wie auf den offiziellen Fotos des FC. Bei dem in die Jahre gekommenen Hennes würde ein Horn etwas abstehen.
Doch es gibt auch leichte Misstöne, die sich hoffentlich nicht auf die neue Saison übertragen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, hinter der Bühne, ist zu erleben: Die beiden kölschen Lieblinge Hennes IX. und Anthony Modeste sind noch kein Traumpaar. Der Torjäger hat großen Respekt vor der neuen Ziege und geht beim Fotografieren auf Abstand. „Näher ran, Tony“, bittet ein Fotograf, doch der Torjäger will dem Tier nur wenige Streicheleinheiten geben.
Beierlorzer staunt
Der Geißbock ist am Sonntag allgegenwärtig in Müngersdorf. Selbst im Presseraum gibt es zum Mittag Bockwürste. Langjährige FC-Berichterstatter wissen zu berichten: „Hier gibt es sonst immer Currywurst.“ Auf den Stadienwiesen gibt es an vielen Ständen FC-Devotionalien zu kaufen – darunter auch den alten Hennes als schönen Luftballon. „Den neuen Geißbock konnten wir noch nicht für ein Shooting bekommen“, erklärt eine Mitarbeiterin lächelnd. Gibt es einen Nachlass im Preis? „Nein.“ Für sieben Euro ist der Luftballon zu haben: „Ist ja auch eine Erinnerung.“
Neuer Hennes, neuer Trainer und wieder erste Liga. Der aus Regensburg gekommene Trainer Achim Beierlorzer staunt am Sonntag nur noch: „Was Köln mit der Stadt, den Fans und dem Verein als Einheit auf den Platz bringt, ist einfach unglaublich. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ist einmalig.“ Viel Zeit hatte der Cheftrainer noch nicht, um die Stadt kennenzulernen. Im Zoo war Beierlorzer allerdings mit seiner Frau. „Der neue Hennes taugt etwas. Ich habe ihn ganz anders wahrgenommen als Hennes VIII. Der ist ja ein etwas älteres Modell. Wenn wir etwas aktiver und aggressiver spielen wollen, passt er voll zu uns.“
Die Saisoneröffnung zeigt wieder einmal: Der FC ist die große Liebe der Stadt und ist wie es im Slogan zurecht heißt „Spürbar anders“. Das findet auch der 25-jährige Mesut – geboren in Istanbul und „gefühlt seit der Geburt FC-Fan“. Bei seinem Lieblingsverein in der Türkei, Fenerbahce Istanbul , seien die Anhänger ebenfalls Feuer und Flamme für ihre Mannschaft. Doch diese „Herzensliebe“ für den FC in dieser Stadt gebe es nur hier. Wie bei vielen anderen Fans ist auch er vor dem Anpfiff demütig: „Bitte kein Abstiegskampf. Platz zehn wäre ganz toll.“