Almuth Roselieb war 14 Jahre lang Schulleiterin am Gymnasium Rodenkirchen. Wenn der Schulbetrieb wieder losgeht, ist die Chefin nicht mehr dabei.
Das Beste aus 2023„Ich hatte viele weinende Eltern hier sitzen“ – Kölner Schulleiterin zieht Bilanz
Die Oberstudiendirektorin Almuth Roselieb verlässt nach 14 Jahren das Gymnasium in Rodenkirchen. Die 62-Jährige nimmt zunächst ein Sabbatjahr und dann geht sie in den Ruhestand. Markus Hicking, der bisherige Stellvertreter, wird kommissarisch die Schulleitung übernehmen. Zeit für einen Rückblick.
Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 3. August veröffentlicht.
Weshalb hören Sie auf zu arbeiten?
Almuth Roselieb: Vorweg: Ich leide weder unter einem Burnout, noch habe ich von der Schule die Nase voll. Im Gegenteil: Ich liebe das Kollegium, mag meine Schülerinnen und Schüler und den ganzen hektischen Schulalltag. Ich höre auf, weil ich seit 34 Jahren noch nie pausiert habe. Ich hatte keine Elternzeit und habe seit dem Referendariat immer voll durchgearbeitet. Mein Mann und ich möchten noch etwas Zeit für uns haben. Wir haben keine Kinder, uns geht es gut, und das wollen wir jetzt genießen.
Sie waren 14 Jahre lang Chefin von über 1400 Schülerinnen und Schülern und von mehr als 120 Lehrerinnen und Lehrern, Sie leiten quasi einen Mittelstandsbetrieb. Was waren in dieser Zeit die größten Herausforderungen?
Der Einstieg war heftig. Ich war gerade mal drei Wochen als Schulleiterin auf dem Rodenkirchener Gymnasium, da stürzte das Kölner Stadtarchiv ein. Eine Lehrerin wohnte direkt am Archiv und verlor alles. Damals habe ich sofort einen Krisenstab organisiert, um die Kollegin mit dem Notwendigsten zu versorgen. Auch der Wechsel von G9 auf G8, dann wieder zurück und natürlich die Pandemie waren große Herausforderungen für mich und das Kollegium.
Ist man als Schulleiterin mehr Managerin als Pädagogin?
Auf jeden Fall. Die permanente Gratwanderung zwischen dem notorischen Lehrermangel und dem Anspruch, so wenig Unterricht ausfallen zu lassen wie möglich, hat mich viel Kraft gekostet. Ich musste ständig Lücken schließen und bekam den Unmut des einen oder anderen Kollegen ab, weil er Mehrarbeit leisten musste. Der Alltag einer Schulleiterin ist nie vorhersehbar, es gibt unangenehme, aber auch schöne Gespräche. Selbst ein Heizungsausfall muss gemanagt werden. Dann heißt es: Wohin mit den Schülern, wo gibt es freie, warme Räume?
Worauf sind Sie rückblickend besonders stolz?
Obwohl wir eine sehr große Schule sind, ist es uns gelungen, den Menschen in den Vordergrund zu stellen. Wir sind „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“. Genderfragen werden im Unterricht thematisiert. Es gibt etwa das Projekt „Liebe, Partnerschaft, Sexualität“. Bei über 1400 Schülerinnen und Schülern und über 120 Kolleginnen und Kollegen ist es doch ganz klar, dass es da völlig verschiedene sexuelle Strömungen gibt und dem sollte eine Schule gerecht werden. Jeder soll sich entwickeln können, wie es für ihn am besten ist.
Das heißt, es gibt auf dem Rodenkirchener Gymnasium schon ein WC für Diverse?
Nein, noch nicht, das möchte die Schülervertretung, da muss natürlich einiges umgebaut werden. Es gibt aber ein Diversity Café, und die Schultreppen sollen demnächst mit den Regenbogenfarben beklebt werden. Diese Wünsche kommen aus der SV und ich finde, das sollte man dann auch unterstützen. Die Vollendung der Projekte überlasse ich meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger.
Und wie weit ist die neue Turnhalle?
Für die kämpfe ich seit 2009, leider ohne Erfolg. Es wurde immer etwas nachgebessert, damit die alte, viel zu kleine und zum Teil marode Halle nutzbar ist, aber die Duschen und Toiletten sind eine absolute Katastrophe. Auch das steht auf der „Muss-noch gemacht-werden-Seite“.
Tafel und Kreide gehören im Schulunterricht bald der Vergangenheit an. Ist die Digitalisierung der Grund dafür, dass immer mehr Lehrer an einem Burnout leiden oder sind die Schüler undiszipliniert?
Weder noch. Das Kollegium ist jung und digital auf dem neuesten Stand. Die meisten Schüler sind diszipliniert und motiviert. Wir sind eine familiäre Schule, jeder kennt jeden, die Schule hat ein gutes Einzugsgebiet. Ich denke, vielen Lehrerinnen und Lehrern machen die bürokratischen Zusatzaufgaben zu schaffen. Neben den Massen von Korrekturen müssen Förderpläne geschrieben werden, Differenzierungsmaterial bereitgestellt werden, neue Curricula erstellt werden – dieses Mehr an Arbeit führt häufig zur Überbelastung.
Seit Jahren übersteigen die Anmeldezahlen das Kontingent an Schulplätzen. Welchen Spielraum haben Schulleiter, um zu sagen: „Okay, die drei Kinder nehme ich auch noch auf, damit die Zehnjährigen nicht quer durch Köln zur Schule fahren müssen“?
Die aktuelle Situation ist schrecklich, ich hatte dieses Jahr viele weinende Eltern hier sitzen. Leider sind mir, auch als Schulleiterin, die Hände gebunden. Diese Regelung ist eine klare Abstimmung zwischen der Stadt Köln und der Bezirksregierung. Die allerhöchste Schmerzgrenze einer Regelklasse bei der Aufnahme sind 30 Kinder. Wir sind sechszügig, das heißt, ich kann 180 Kinder pro Jahrgang annehmen. Die Spielräume sind relativ begrenzt. Der Kölner Süden braucht dringend eine zusätzliche weiterführende Schule.
14 Jahre Schulleitung, 14 Jahre Abistreiche. Welchen fanden Sie besonders originell?
Ich musste einmal im Wettlauf gegen einen Schüler mit einer Stirnkamera die Turmtreppe des Kölner Doms hochlaufen. Die Idee fand ich richtig gut. Ein anderes Mal saß ich auf einer Schaukel, die von der Decke der Aula herunterhing, unter mir ein Pool voller roter Grütze. Und immer, wenn die Kolleginnen oder Kollegen eine Frage falsch beantwortet haben, wurde ich abgesenkt und musste mit dem Mund einen Gegenstand aus der Roten Grütze herausholen.
Welchen fanden Sie absolut indiskutabel?
Das Allerschlimmste war die Schlacht am Humboldt-Gymnasium, damals standen sich mehrere Hundert Abiturienten gegenüber und bewarfen sich mit Wasser- und Mehlbomben, mit Eiern, Böllern und Flaschen. Als Schulleiter haben wir damals in einer konzertierten Aktion die Reißleine gezogen, sind mit dem folgenden Jahrgang ins Gespräch gegangen, haben Verträge ausgehandelt, aber auch klare No-Gos ausgesprochen.
Bei einem Abi-Gag stand auf einem Banner „Keiner hat die Rose lieb“. Hat Sie das getroffen?
Über sowas kann ich lachen. Rotlichtmilieu heißt seit Jahren ein Tag während der Abi-Motto-Woche, da verkleiden sich die Abiturienten als Prostituierte und Zuhälter und am Schulgebäude steht dann „Rosis Puff“. Der Spruch steht da in jedem Jahr, alles harmlos. Jetzt geht die Puffmutter, bin gespannt was im nächsten Jahr draufstehen wird.
Was werden Sie vermissen?
Ich werde das Kollegium vermissen, den permanenten Austausch, dieses „Immer-was-los-sein“.
Was werden Sie auf keinen Fall vermissen?
Den Wecker, der immer um 5.45 Uhr geklingelt hat.
„Wie war’s in der Schule?“ Abonnieren Sie hier unseren Newsletter für Familien und Lehrende in der Kölner Region – immer mittwochs.