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„Das Geschäft ist rauer geworden“Axel Stadtländer übergibt Bunt-Buchhandlung in Köln-Ehrenfeld

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann mit Brille steht hinter einem Tisch, auf dem viele Bücher ausgestellt sind.

Axel Stadtländer verlässt die Bunt-Buchhandlung an der Venloer Straße.

Nach 22 Jahren schließt Axel Stadtländer sein Geschäft am 24. Dezember. Ein Gespräch über Bücher, die Venloer Straße und das (Lese-)Verhalten der Großstädter.

Herr Stadtländer, seit 22 Jahren verkaufen Sie Bücher in Ehrenfeld. Jetzt gehen Sie in Rente, die Bunt-Buchhandlung übergeben Sie an Thalia. Abschiedsschmerz oder Erleichterung?

Die Frage möchte ich mit einem klaren „sowohl als auch“ beantworten. Es war schön, sich jeden Tag mit vielen netten Stammkundinnen und Stammkunden auszutauschen. Dies wird mir sicherlich fehlen. Auf der anderen Seite bin ich erleichtert, dass wir endlich nach zwei Jahren Suche einen Nachfolger gefunden haben, der den Laden als Buchhandelsstandort weiterführt und der vor allen Dingen sämtliche Arbeitsplätze erhält. Ich persönlich freue mich auf die Veränderungen. Dem Buchhandel gehe ich nicht ganz verloren, da ich meinen Kollegen Bert Kautz in unserem Geschäft auf der Breite Straße noch mit ein paar Stunden wöchentlich unterstütze.

Meiner Meinung nach gilt das Buch nicht mehr als „Top Seller“
Axel Stadtländer

Wie hat sich das Buchgeschäft in den letzten Jahren verändert?

Das Geschäft ist rauer geworden. Wir haben auf der Venloer Straße in den letzten zehn Jahren etwa ein Drittel weniger Kunden. Die Kosten steigen, besonders die Mietkosten, so dass wir nur kostendeckend arbeiten können durch weniger Personal und durch die Verteuerung der Buchpreise – auf die wir aber keinen Einfluss haben. Bücher sind ja bekanntermaßen preisgebunden, was auch gut so ist.

Wie sehen Sie die Zukunft inhabergeführter Veedels-Buchläden?

Meiner Meinung nach gilt das Buch nicht mehr als „Top Seller“. Es gibt zwar immer noch eine Reihe von Top Sellern, die hunderttausendfach verkauft werden, doch das Buch als solches ist kein Leitmedium mehr. Dafür ist die Konkurrenz der sozialen Medien, der Streamingdienste und des Internets zu groß. Trotzdem werden inhabergeführte Buchhandlungen immer noch eine Chance haben, wenn sie sich auf ihre Kernkompetenz fokussieren: Ein profiliertes Sortiment, gute Beratung und der Gedanke, dass Buchhandlungen kulturelle Orte des Austauschs im Veedel sein sollten.

Verkehrsberuhigung und Gentrifizierung auf der Venloer Straße

Wie haben Sie die Entwicklung auf der Venloer Straße in den letzten zwei Jahrzehnten erlebt?

Die Entwicklung auf der Venloer Straße ist durchwachsen. Auf der einen Seite finde ich es sehr gut, dass die Straße endlich verkehrsberuhigt ist. Dies bringt mehr Lebensqualität in den Stadtteil: Man muss in der Außengastronomie nicht mehr in einer Abgaswolke sitzen, der Lärmpegel geht zurück und auch die Verkehrssicherheit ist besser geworden. Andererseits steigen die Wohnungs- und Gewerbemieten, so dass der Stadtteil weiter gentrifiziert wird, und, was den Einzelhandel betrifft, eher Läden mit großen Margen, zu denen der Buchhandel nicht gehört, es sich leisten können, hier ein Geschäft zu betreiben.

Was würden Sie sich für die Ehrenfelder Haupteinkaufsstraße wünschen?

Ich würde mir ein Quartiersmanagement wünschen, das aktiv auf Hausbesitzer zugeht und sie davon zu überzeugen versucht, dass geringere Mieten besser für sie und den Stadtteil sind als Leerstand. Aber das ist eine schöne Utopie. Vielleicht bekommen wir es ja hin, dass Städte robuster werden gegen den Klimawandel wie z. B. in Kopenhagen und dass sich normale Menschen eine citynahe Wohnung leisten können wie in Wien.

Haben Sie einen Lieblingsautor und welches Buch empfehlen Sie aktuell?

Ich habe viele Lieblingsautoren. Im Moment empfehle ich eine Autorin, die in diesem Jahr auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis stand: Ronya Othmann mit ihrem Buch „Vierundsiebzig“. Eher eine Reportage als ein Roman. Othmann reist mit ihrem jesidischen Vater im Jahr 2018 auf den Spuren des 74. Völkermords an dieser Volksgruppe durch den Nordirak und versucht das Unbeschreibliche, die bestialischen Verbrechen des sogenannten „Islamischen Staats“ zu fassen und auszudrücken. Sehr beeindruckend. Als Einstieg ist auch ihr Debütroman, „Die Sommer“ zum gleichen Thema sehr zu empfehlen