Die Studiobühne entwickelte in einem Workshop kreative Vorschläge für eine Zwischennutzung des Warenhauses.
Sorge um leeres GebäudeStudiobühne Siegburg sammelt Ideen gegen den Leerstand im Kaufhof
Das Aus für den Kaufhof im Januar kam zwar mit Ansage, doch für die Siegburgerinnen und Siegburger sitzt der Schock immer noch tief. Die Vorstellung, dass der Betonklotz über Jahre leer stehen könnte, ist ein Alptraum. Doch wer weiß: Vielleicht lässt sich Leerstand sinnvoll nutzen, zumindest bis sich ein Nachnutzer findet. Ideen sind gefragt, und davon kam eine ganze Reihe zusammen, als die städtische Wirtschaftsförderung beim Theater Studiobühne nachfragte und die Theaterprofis richtig kreativ wurden.
Theaterleiter René Böttcher ist sich sicher: Den Negativschlagzeilen der vergangenen Monate lässt sich Positives entgegensetzen, wenn der Vermieter des Warenhauses den Schlüssel rausrückt und den Weg für die Studiobühne, die Schauspielschule, die drei Bürgertheater und das Theater Tollhaus für Kinder und Jugendliche freimacht.
Der Kaufhof in Siegburg steht auch für ein Stück Geschichte der Bundesrepublik
„We're shopping now“ soll das Motto einer ungewöhnlichen „Ausstellung der Dinge“ heißen. Dem Kaufhof als Dank etwas zurückzubringen, ist die im Workshop entwickelte Idee. Böttcher: „Das Warenhaus wird rudimentär wieder gefüllt“, ergänzt durch Zettel mit Geschichten, die die Menschen mit dem Kaufhof verbinden. Das könne ein Tafelbesteck sein, auf das jemand lang gespart hat, oder das Kleid, das die Oma damals gekauft hat. Immerhin, so der Theaterleiter, stehe der Kaufhof auch für ein Stück BRD-Geschichte.
Die Geschichte, auch den Niedergang des Warenhauses in der Ära Benko, sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählen: ähnlich wie bei dem großen Projekt der Studiobühne „Zeitzeugen der Liebe“, bei dem an Tischen auf dem Marktplatz ganz persönliche Geschichten über die schönste Sache der Welt erzählt wurden. Auch Stammkunden würde Böttcher zu einer solchen Performance einladen.
Lebensträume und was daraus wurde, wären die thematische Klammer für ein Erzähltheater, in dem ältere Mimen ihr Leben Revue passieren lassen. Vor dem Hintergrund des Jahres 1974, als mit dem Kaufhof etwas ganz Neues in die Stadt kam. „Da ist sehr viel Emotion hinter“, hat Böttcher beobachtet.
Jesus kommt mehr als 2000 Jahre nach seiner Geburt wieder in die Welt: Wie das wäre, ist die Ausgangsfrage für ein Projekt, das die Studiobühne Böttcher zufolge schon seit langem umtreibt. „Dafür ist der Kaufhof perfekt“, findet er. „Eine interaktive Sache“ könne das werden, bei der ein Darsteller 24 Stunden über mehrere Tage im Kaufhof lebt, für alle sichtbar durch die Schaufenster. Zuschauer sollen über Mikrophone und Lautsprecher mit ihm sprechen oder ihm auch etwas vorlesen können. Eine Zusammenarbeit mit den Kirchen, Caritas und Diakonie sei denkbar. „Wir würden Jesus langsam an das Heute gewöhnen, gewissermaßen wie in einer Quarantänestation. Vielleicht schüttet man auch ein paar Tonnen Sand hinein, damit er anfangs nicht ganz so verwirrt ist“, überlegt Böttcher. Die Performance könne sicherlich über einige Tage hunderte oder tausende Menschen anlocken.
Leben hineinbringen: Die ganze Zeit soll im Kaufhof geprobt werden, Bürger, Künstler und ehemalige Angestellte das Warenhaus wieder lebendig machen. Auch Zulieferer in Fernost könnte man einbinden und über Video mit ihnen Kontakt aufnehmen, das hätte dann etwas Weltumspannendes, so Böttcher.
Offener Sonntag: An einem Tag X könnte es auf einer Etage ein Bürgerpicknick geben, Besucher treffen sich zum Frühstück im Kaufhof. Kinder können auf einer anderen Ebene Minigolfen oder Inlinerfahren. Wo Licht hereinfällt, könnte es Urban Gardening geben, mit Pflanzen und Früchten zum allgemeinen Verzehr. „Die Stadtgesellschaft trifft sich“, so Böttcher, andere könnten für ein Projekt proben oder Hausaufgaben machen. Ergänzungen zu diesem bürgerschaftliche Happening könnten ein Handwerkermarkt oder Kunstausstellungen sein.
„Wir holen uns den Kaufhof zurück, auch wenn er uns nicht gehört“, so Böttcher, „aber wir setzen einen Fuß hinein. Wir stehen in den Startlöchern und würden uns freuen, etwas machen zu können. Und wir haben die Künstler dafür.“ Und als Stadtgestalter verstehe man sich in der Studiobühne ohnehin.