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Alternativer KarnevalSo lief die Premiere der Stunksitzung im Kölner E-Werk

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt das Unterwasser-Bühnenbild des Sketches „Wolle“. Das Ensemble der Stunksitzung stellt zum Beispiel einen Oktopus mit Reggae-Verkleidung, die Loreley, Vater Rhein oder einen Fisch namens Doktor Doktorfisch das. Alle Kostüme sind aus Wolle gestrickt.

Das Bühnenbild für den Unterwasser-Sketch haben die Stunker und ihre Fans komplett aus Wolle gestrickt.

Am Mittwochabend feierte die Stunksitzung im Kölner E-Werk nach zwei Jahren Corona-Pause Premiere. Die Stunker widmeten sich den Vorgängen im Erzbistum, der Klimakrise und holten die mächtigsten Politiker der Welt ins Hänneschen-Theater.

Die viel zu lange Spielpause hat das Ensemble der Stunksitzung offensichtlich gut genutzt – mit Stricken. In liebevoller Kleinstarbeit ist so ein beeindruckendes Bühnen- und Kostümbild aus Wolle entstanden.

Die Loreley und Vater Rhein entführen das Premieren-Publikum in eine Unterwasserwelt – zu einer Zeit, in der die Menschen den Planeten schon lange verlassen haben. Da tummelt sich etwa die plastikfressende Schwolle, die den Meeresmüll zu Wolle verwandelt, de bunten Reggae-Oktopus oder singende Piranhas, die sich aufgrund der Erderwärmung mittlerweile im Rhein angesiedelt haben.

Zwei Jahre musste das Flagschiff des alternativen Karnevals coronabedingt pausieren, am Mittwochabend meldete es sich nun mit einem starken Programm zurück. „So viel Frohsinnsentzug hält ja keiner aus“, begrüßt Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger das Publikum, das ihr mit großem Jubel zustimmt.

Bei der Stunksitzung im E-Werk tritt im Sketsch „Des Teufels Kardinal“ Ozan Akhan als Teufel und Günter Ottemeier als Kardinal Wölki auf, der die Gläubigen aus der Katholische Kirche treiben soll.

Im Sketch „Des Teufels Kardinal“ ist Kardinal Woelki zu Gast bei seinem Vorgesetzten - dem Teufel.

Stunksitzung in Köln: Weltpolitik im Hänneschen-Theater

Wie gewohnt bewegen sich die Sketche des Ensembles zwischen Weltpolitik und kleinen Alltagsbeobachtungen. Im Hänneschen-Welttheater treffen die Mächtigen der Mächtigsten im UN-Vereinslokal aufeinander.

Wäre nur alles so einfach wie in Knollendorf, resümiert Speimanes, der die Waffenlieferungen an Kompost-Putin, den ukrainischen Staatschef Schäl Lenskiy und den Amizwerg Biden mit Blümchen im Schaft manipuliert hat.

Am Flaschenautomat im Supermarkt lüften die Stunker dagegen das große Geheimnis, was hinter dem kleinen schwarzen Loch passiert. Die Idee, das Publikum anschließend mit einem Plastikflaschen-Orchester zum Mitsingen zu animieren, zündet dagegen nicht. Dass es sich um die „Drink doch eine met“-Melodie handelt, kommt im Saal aufgrund mehrerer Verspieler erst an, als das Lied schon fast vorbei ist.

Ansonsten sind die Themen genauso naheliegend gewählt wie kreativ umgesetzt. Kardinal Woelki ist zur Krisensitzung bei seinem Vorgesetzten geladen – dem Teufel. Der ist von seinem Untertanen enttäuscht, weil noch immer nicht alle Mitglieder aus der katholischen Kirche ausgetreten sind. „Du bist zu weich“, urteilt der Höllenfürst.

Wiedergeburt als Kartoffelpüree auf der Mona Lisa

Die Hölle spielt auch beim Klimathema eine Rolle. Als der durchschnittsdeutsche Herr Müller (Tom Simon) stirbt, folgt nicht etwa die Abrechnung im Jüngsten, sondern im Grünsten Gericht. Dass Herr Müller E-Auto fährt, die Grünen wählt und einen Komposthaufen im Garten stehen hat, sorgt beim Anwalt und der Anklägerin nur für Gelächter.

Als Bürger im Industrieland Deutschland gibt es keine Hoffnung auf eine Zukunft im Ökohimmel. Das Urteil von Richterin Gaia (Doris Dietzold): Wiedergeburt als Kartoffelpüree auf der Mona Lisa im Pariser Louvre.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Doro Egelhaaf) gibt als Vorsitzender des Instituts für angewandtes Sparen Tipps für die Krise. „Alle Deutschen müssen Schwaben werden“, fordert er. Gute Ansätze kommen aber auch aus Köln. Von den Roten Funken etwa, die mit der Reibungsenergie ihres Stippeföttche-Tanzes ganze Säle mit Energie versorgen.

Der Sketch „Hänneschen Welttheater“ zeigt Martina Klinke (Spoimanes), Bruno Schmitz (Kompost Putin), Günter Ottemeier (Amizwerg), Ozan Akhan (Macrönchen) und Tom Simon (Schröderkowski) als Stockpuppen.

Weltpolitisches Gipfeltreffen: Speimanes, Kompost-Putin, Schäl Lenskiy und Amizwerg Biden im Hänneschen-Theater.

E-Werk: Publikum fordert mehrfach Zugabe

Auch anderen lokalen Themen widmen sich die Stunker wie gewohnt. Der Verkehrsdezernent hat zum Friedensgipfel geladen. Doch der unüberwindbare Hass zwischen Autofahrern, Radlern, Fußgängern, den selbstbewussten Hundeführern und E-Scooter-Fahrern treibt den Dezernenten in den Wahnsinn. „Die benehmen sich wie Zombies, denen man das Hirn weggeflext hat.“

Eine unerwartete Zugabe fordert das Publikum von Müllmann Winni Rau, der den unwissenden Bürger Ozan Akhan zu harten Metal-Klängen von Köbes Underground belehrt, welcher Müll in welche Tonne gehört: „Wenn ich in deine Tonne schau, seh’ ich, du bist ’ne Umweltsau.“

Auch an der zweiten geforderten Zugabe ist Akhan beteiligt. Als Hahn gackert er im Refrain und tanzt dazu seinen skurrilen Hühnertanz, bis sich die ersten Gäste im Publikum vor Lachen kaum noch auf ihren Bierbänken halten können. Wie gewohnt perfekt in Szene gesetzt von den beliebten Köbes-Underground-Musikern um Sänger Ecki Pieper.

Nach fast vier Stunden Programm lässt sich in jeglicher Hinsicht festhalten: Die Stunksitzung ist zurück.


Zusatztermine und Preise

35 Termine hatten die Stunker ursprünglich geplant – 20 Prozent weniger als vor Corona. Weil der Vorverkauf gut angelaufen ist, sind schnell weitere Termine hinzugekommen. Der neueste Zusatztermin ist der 22. Januar (18 Uhr), für den es noch Tickets in allen Kategorien gibt.

Trotz der gestiegenen Produktionskosten sind die Preise stabil geblieben. Sitzplätze gibt es unter der Woche ab 35 Euro, am Wochenende ab 38 Euro.

16 Sketche des Ensembles und 14 Lieder der Stunksitzungs-Hausband Köbes Underground sind Teil des Programms.