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Medizinische VersorgungIn Köln-Kalk entsteht ein Stadtteil-Gesundheitszentrum

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Bezirksvertreterin Keziban Erkmen (Grüne), Claudia Greven-Thürmer (SPD) und Clarissa Jung-Heiliger (v.l.). 

Kalk – Häufig sei zu hören, sagte Clarissa Jung-Heiliger, dass Gesundheit von der persönlichen Lebensführung abhängig sei, von der Art der Ernährung, oder ob man Raucher ist. Doch das stimme nur zum Teil: „Die Verhältnisse, in denen man lebt, die Umgebung, haben ebenfalls einen großen Einfluss.“ Menschen in Lindenthal beispielsweise würden im Durchschnitt sechs Jahre älter als die Bewohner Kalks, hier sei die Arbeitslosigkeit mit 14 Prozent auch doppelt so hoch wie im Mittel der Stadt: „Armut macht krank“, so Jung-Heiliger.

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Die Kalker Hauptstraße

Ob jemand viel Geld zur Verfügung hat oder wenig, von Arbeitslosigkeit und Abschiebung bedroht ist, ob man vor der eigenen Haustür kaum Grünflächen zur Erholung vorfindet, dafür viel befahrene Straßen – all das seien wichtige Faktoren für die Gesundheit. Weil ein großer Teil der Bewohner des Stadtteils mit diesen und ähnlichen Problemen zu kämpfen habe, sei Kalk der ideale Standort für ein Stadteilgesundheitszentrum, wie es Solimed plant. Der Name des Vereins ist aus Bestandteilen der Wörter „Solidarität“ und „Medizin“ zusammengesetzt, vor drei Jahren hatten sich darin 15 Ärztinnen, Heilpraktiker, Pfleger und andere im Gesundheitssektor tätige Menschen zusammengeschlossen.

Kassenärzte behandeln nur Symptome

„In einem Stadtteilgesundheitszentrum soll es nicht nur um körperliche Beschwerden gehen, auch die Lebensverhältnisse werden berücksichtigt“, erklärte Solimed-Vorstandsmitglied Jung-Heiliger, als kürzlich im Demokratie Space die Wanderausstellung „Wie lebst du Kalk?“ eröffnet wurde, mit der das Konzept vorgestellt wird. „Häufig behandeln Kassenärzte nur die Symptome, auch weil die Zeit knapp ist“, sagt Gregor Bornes von Solimed. In einem Gesundheitszentrum aber würden sie mit Sozialarbeitern und Psychologen nach den Ursachen suchen.Auch Juristen wären im Stadtteilgesundheitszentrum willkommen, wo Menschen unabhängig vom Versicherungs- und Aufenthaltsstatus Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten sollen. Viel Platz brauchte man dafür allerdings: „Mehrere hundert Quadratmeter kommen da schnell zusammen“, meint Bornes. Seit einigen Monaten führt Solimed intensive Gespräche mit Kalker Organisationen und Initiativen. Bei den Gruppen etwa, die künftig die Hallen Kalk nutzen möchten, sei man auf große Zustimmung gestoßen. „Aber mit der Sanierung dauert es offensichtlich noch eine Weile, wir würden gern so schnell wie möglich anfangen“, sagte Bornes. Vorbilder in Hamburg, Berlin, Leipzig und Dresden machten Mut.

Unterstützung der Bezirksvertretung

Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer begrüßte die Pläne von Solimed. Medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen sei häufig eine Frage des Vertrauens: „So ein Gesundheitszentrum könnte Menschen dazu bringen, sich mit dem Thema anzufreunden. Die Unterstützung der Bezirksvertretung haben sie jedenfalls.“ Greven-Thürmer hatte lange in Mülheim gearbeitet, wo der Gesundheitsladen Menschen kostenfrei in Gesundheitsfragen berät, etwa bei Schwierigkeiten mit dem Hausarzt oder der Krankenkasse. Die Wanderausstellung „Wie lebst du Kalk?“ ist bis zum 11. Dezember an acht weiteren Terminen in Kalk zu sehen. Dabei können die Besucher beispielsweise auch angeben, was ihnen in Kalk fehlt, wo sie Probleme sehen, was gut läuft. Dabei werden die Stellwände jeweils nur für ein paar Stunden aufgebaut: „Wir möchten mit möglichst vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommen, und es sind immer zwei oder drei Solimed-Mitglieder vor Ort, die Fragen beantworten“, sagte Laura Schweigart, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.

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Die Ausstellung wird präsentiert im Rahmen des vom Integrationshaus initiierten Projekts „Corona? Nein, danke!“, das über die Impfmöglichkeiten aufklären und der vor allem in den sozialen Medien erkennbaren Wissenschaftsskepsis und den Verschwörungstheorien entgegenwirken soll. Finanziert wird es über das städtische Förderprogramm „Im Veedel gegen Corona – aufklären, testen, impfen“.

Nicht nur "Problemviertel"

Elizaveta Khan, Leiterin des Integrationshauses, betonte bei der Eröffnung, dass die besondere soziale Struktur des Veedels mit seinen großen Bevölkerungsanteilen von Zugewanderten und Arbeitslosen auch spezielle Strategien bei der medizinischen Versorgung erfordere. Den Blick auf Kalk als „Problemviertel“ wollte sie aber differenzieren: „Wir sind die Power-Leute und sehr froh, hier zu leben“, sagte sie lachend.

Wie lebst du, Kalk?

Am Mittwoch, 17. November, ist „Wie lebst du Kalk?“ von 17 bis 20 Uhr im Kaufland, Kalker Hauptstraße 112, zu Gast, am Montag, 22. November, von 17 bis 20 Uhr in der Kapelle Kalk, Ecke Kalker Hauptstraße/Kappellenstraße, und am Montag, 29. November, wieder im Kaufland. Im neuen Monat geht’s am Donnerstag, 2. Dezember, von 17 bis 20 Uhr an der Kalker Post los, am Freitag, 3. Dezember, stehen die Stellwände von 17 bis 20 Uhr am Kalker Markt, am Samstag, 4. Dezember, von 12 bis 17 Uhr im Demokratie Space, Kalker Hauptstraße 170. Am Donnerstag, 9.Dezember, ist die Ausstellung wieder von 17 bis 20 Uhr an der Kalker Post zu sehen und am Samstag, 11. Dezember, letztmalig von 12 bis 17 Uhr im Demokratie Space. (hwh) http://www.solimed-koeln.de