Herrn Ferkes’ letzter BreefFritz Koenn begeistert die Rundschau-Leser seit 1973
- Seit 1973 begeistert der Hellenthaler Fritz Koenn uns mit seinen Briefwechseln zwischen Ferkes Wellem und Tant Dresje.
- Aber nicht nur das: Weit in die Tausende geht die Zahl seiner Gedichte und Geschichten in Eifeler Platt, dazu kommen Theaterstücke und fünf Messen.
- Heute erscheint sein letzer Brief „Leev Löckcher“.
Hellenthal/Königswinter – Was „Noch ’n Gedicht“ für Heinz Erhard ist, dürfte „Noch e Stöckelche“ für Fritz Koenn sein. Zu nahezu jedem Stichwort fällt dem 93-Jährigen sofort ein Geschichtlein – eben ein Stöckelche – ein. In seinen Augen blitzt es, wenn er in „sein“ Hellenthaler Platt wechselt und sich aus seinem schier unerschöpflichen Fundus bedient. Weit in die Tausende geht die Zahl seiner Gedichte und Geschichten in Eifeler Platt, dazu kommen Theaterstücke und fünf Messen, auf die er besonders stolz ist.
Mit „Von Abelong bos Zau dich Jong“, der heute nur noch antiquarisch erhältlichen Sammlung Eifeler Worte, Redensarten und Weisheiten, hat er 1995 eine Art Standardwerk für Eifeler Platt geschaffen. Für Koenn bedeutet das Buch „eine Art Krönung meiner mundartlichen Bemühungen“. Doch es ist auch ein Schreiben gegen das Vergessen – schon vor 25 Jahren sind es immer weniger Eifeler, die „ihr“ Platt können.
Was das Hellenthaler Platt ausmacht
Dabei gibt es „das“ Eifeler Platt gar nicht. Koenns Platt ist das der Hellenthaler. Auch wenn etwa die Drommerter ganz anders sprechen als die Dahlemer oder die Blangemer, so können sie doch Koenns Schrift-Platt verstehen. Dabei ist es kein Leichtes, das zu bewerkstelligen. „Für die phonetische Treue, damit das Gesprochene erkennbar bleibt, muss man mit Tricks arbeiten“, verrät Koenn mit verschmitztem Lächeln. Ein Beispiel gefällig? Nehmen wir das Schwein – op Platt: Sou. Und der Plural? Söj – Ö und J eignen sich prima für die Koennschen Tricks, für die ihm kein Vorbild zur Verfügung gestanden hat.
Herrn Ferkes’ letzter Breef – Ein Kommentar
Mit dem heutigen „Breef“ aus der Feder unseres Ferkes Wellem endet eine Ära in der Eifellandausgabe der Rundschau. Dass hinter dem schier unendlichen Briefwechsel zwischen Ferkes Wellem und Tant Dresje Mundartautor Fritz Koenn steckte, ist ein so offenes Geheimnis, dass er durchaus schon mal als Herr Ferkes angesprochen wurde.
Über Jahrzehnte hinweg hat „Koenne Fritz“ die Tradition der Mundartglossen in der Ausgabe, begonnen durch Josef Lorbach alias „Krommenauels Jüpp“, gepflegt. Mit anderen, etwa der Frohngauer Mundartschriftstellerin Ida Schröder ( „Schmetz Ida“) oder dem Autor Manfred („Manni“) Lang, hat er dazu beigetragen, das vor der Rückbesinnung in den 1980er-Jahren verpönte und vom Aussterben bedrohte Platt der Nordeifel zu bewahren.
Nimmt man die Zeit, in der Koenn in der Eifeler Volkszeitung die „Leev Löckcher“ in seinem Hellenthaler Platt begrüßte, hinzu, so sind es fast sieben Jahrzehnte, in denen er in 3200 „Ferkessen“ die Leser(innen) mitgenommen hat in die Eigen- und Uneigenarten eines liebenswerten Völkchens. Nach solcher Treue und Zuverlässigkeit steht unserem Ferkes Wellem wahrlich das Recht zu, in Rente gehen zu dürfen. Auch wenn die Redaktion und die Leserschaft ihn sehr vermissen werden.
Eine Art Platt-Orthografie und -Grammatik mit der Zeit zu entwickeln ist das eine, die Stöckelcher mit Leben zu füllen das andere. Woher bloß nimmt der Mann die ganzen Ideen? „Man muss auf Volkes Mund schauen“, sagt Koenn. Und ist schon bei der Tant(e): „Die kam immer am Elternhaus meiner Frau in Paulushof auf den Hof gewackelt und hat so viele alte Gegebenheiten erzählt. Die musste ich einfach festhalten.“
Das „Aufschreiben-Müssen“ hat ihn stets angetrieben. Doch echte historische Begebenheiten, das gibt Koenn unumwunden zu, seien die meisten seiner Geschichtlein nicht. Es ist ein Mix aus Erinnerungen, aus Zugetragenem – ja, und auch aus Ausgedachtem. So viel Freiheit muss und darf sein, wenn die Stöckelcher sich so entwickeln, dass sie für die Leser usem Levve sind und in ihnen die Eifeler Seele eingefangen wird.
Ferkes Wellem und Tant Dresje
Mehr als nur mit Leben gefüllt hat Fritz Koenn die Figur des Ferkes Wellem – ein gutmütiger, verlässlicher und hilfsbereiter Dorfbewohner. Sein fiktiver Briefwechsel mit Tant Dresje erscheint ab 1952 zunächst in der Eifeler Volkszeitung und nach deren Einstellung ab 1973 allwöchentlich bis Ende 2019 im Eifelteil der Kölnischen Rundschau. Längere Briefwechsel sind Koenn auch in der Realität nicht fremd. Mit seiner älteren Schwester im Harz hat er auf Platt geschrieben. Die habe ihre Muttersprache nie verlernt, weil sie stets auf Platt gedacht habe.
Leev Löckcher
Do hat mich doch vüer e paar Weiche Tant Dresje se Kättche aajerofe, senger Mama wär et ad wedder enz en senger Köch schwindelich wuere, wär dar jefalle unn häv sich an Been unn Röcke ärch wieh jedoon unn häv wedder en Zegg en et Krankehus jemoht.
Unn du häv Kättche endlich „Nähl mot Köpp jemaht onn seng Mama janz bej sich en se Hus ze Zöllech jehoelt. Hee wüer sej nue jot betüttelt, jehääch unn jetz och noch jeflääch – denn Mama häv ärch noohjelosse. Och em Kopp. „Mr weeß nühs mieh unn mr kann nühs mieh“, wär sej lutter am klare. An Läese oder jar Schrieve wär suwiesu kee Denkes mieh. Schlomm.
Wiesch also huet, wie schovel meng ech Tant Dresje dann nue dran wor, onn dat sej jetz noch net enz mieh meng Breef läese könnt – jeschwije mir noch enz eene schrieve –, do hasch für mich sellever jesaht – unn dat os mir wahl zemmelich an
de Jrane jejange: „Wellem, offstet wells oder net, die Zegge senn endjültich verbej, wo all Weiches donneschtahs jätt van os Zwei en dr Zeidung stonn! Scheck dich drenn unn jangk nooh baal sebbenzich Johr Breef-Schrieverej endlich en dr wohlverdiente Ruhestand!“ Ich denken unn hoffen, leev Löckcher, dat en deser Zegg esu zemmelich alles op de Tapet kunn os, wadrövver hee op ose Eefeler Dörper esu jebubbelt unn jeschwaht wid, wa?
Mot jot Wönsch unn vell Jröß an se all säht endjültich Schüss zesame
Üere Ferkes Wellem
Viele seiner Stöckelcher sind humorvoll. Doch das ist nicht Koenns Hauptanliegen. „Ein humoriger Hintergrund ist schön, aber es muss nicht immer zum Kaputtlachen sein“, sagt Koenn. Es gebe nicht nur Krätzjer, sondern auch durchaus ernste Hintergründe, die sich wundervoll op Platt ausdrücken lassen. Und schon ist er beim Stöckelcher von den Drej Könnije, das er mal flott zum Besten gibt.
Notgedrungener Wechsel zum Hochdeutsch
Einen sprachlichen Drahtseilakt hatte Koenn in seinen fünf Messen zu vollbringen – Respekt ist gefragt, behutsames Vorgehen. Einige Punkte der Liturgie – die Wandlung etwa – hat er nicht ins Platt gebracht: „Wegen der Würde des Wortes ist das in Hochdeutsch geblieben.“ Ja, auch Hochdeutsch kann er: „Notgedrungen, wenn es sein muss“, sagt Koenn und lacht. Aber nicht zu viel davon, bitte: „In die Lesung kann man so richtig was reinpacken“, sagt Koenn, schraubt seine Stimme gefühlt eine gute Oktave runter und gibt den in der Wüste kräftig knotternden Moses. Seine zwischen 1995 und 2001 geschriebenen Messen, etwa die „Eefeler Kirmes-Mess“ oder die „Eefeler Fastelovends-Mess“, werden zu den gegebenen Anlässen auch heute noch gelesen.
Im Herzen immer ein Eifeler geblieben
Am Muttertag 1927, dem 8. Mai, erblickt Fritz Koenn in Hellenthal das Licht der Welt. Seine Muttersprache ist Eifeler Platt. Die ersten Kontakte zum Hochdeutschen hat er durch Kirche und Schule. Das Schreiben ist schon früh seine Leidenschaft. Als Junge schreibt er erste Geschichten, als 13-Jähriger beginnt er, in Taschenkalendern an jedem Tag seine Erlebnisse zu notieren. Auch wenn die Bleistiftzeilen inzwischen ein wenig verblichen sind: Einen ganzen Stapel dieser Büchlein, ab dem Jahr 1941, bewahrt Koenn bis heute auf.
Seine Interessen sind vielfältig. Er malt gerne – eine Koennsche Spitzweg-Kopie und weitere seiner Bilder zieren heute sein Wohnzimmer –, er spielt Quetschböggel und Monk-Orjel, betätigt sich sportlich. Als Luftwaffenhelfer muss Koenn als 16-Jähriger 1943 in den Krieg, 1945 kehrt er in seinen zerstörten Heimatort zurück. Nach dem „Sonderlehrgangs“-Abitur 1947 steigt er in den Postdienst ein, wechselt 1968 ins Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Seit 50 Jahren lebt er mit seiner Frau Maria in Königswinter. 1947 hat er die damals knapp 16-Jährige aus Paulushof kennengelernt: Sie war mit dem Fahrrad aus ihrem Heimatdorf nach Hellenthal gekommen, um Maisbrot zu kaufen. Er humpelte mit einem Gipsbein, das er einem Skiunfall „verdankte“, auf sie zu. In der „Verwirrung der ersten Gefühle“, wie er es heute ausdrückt, hat er ihr einen kaputten, alten Panzerwagen, der auf der Wiese seiner Familie stand, zum Kauf angeboten. Die doch eher ungewöhnliche Offerte hat sie nicht abgeschreckt. 67 Jahre ist das Paar verheiratet, vor zwei Jahren haben Maria und Fritz Koenn eiserne Hochzeit gefeiert. Ein echter Eifeler – genauer: Hellenthaler – sagt er, ist er „im Herzen, Denken und Fühlen immer geblieben“. (rha/ch)
Ein wenig wehmütig ist Koenn, wenn er von den Freunden erzählt, die nicht mehr da sind – fast keiner aus seinen 20er Jahrgängen in Hellenthal lebe noch. Doch einer ist da: Hubert Hilgers. Mit dem telefoniert Koenn regelmäßig. Da Koenn inzwischen nicht mehr Auto fährt und seine Eifeler Heimat nur noch selten sieht, sind die Erinnerungen um so wichtiger. Also machen er und Hilgers sich in ihren Telefonaten auf zu ihren virtuellen Spaziergängen durchs alte Hellenthal. Einen Computer und Animationen brauchen die Herren nicht, wenn sie in ihren Gesprächen durch die Gassen der Nachkriegszeit streifen und sich ihre Stöckelcher erzählen.
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Ob und was er aus dem Stöckelcher-Schatz in seinem Kopf noch aufschreiben wird? Im Hause Koenn ist man sich in diesem Punkt nicht so ganz einig. Auf die Frage, ob er denn Pläne für weitere Veröffentlichungen habe, gibt es zwei deutliche Antworten. Er: „Ja klar!“ Seine Ehefrau Maria: „Nein.“ Doch das Paar, das seit 67 Jahren verheiratet ist, findet schnell einen gemeinsamen Nenner: Die Leser des Kreis Euskirchener Jahrbuchs dürfen sich auf Koennsche Stöckelcher freuen. Bei Bedarf wird er vielleicht auch noch die eine oder andere Geschichte in die Tasten seines Computers tippen. Doch regelmäßige Verpflichtungen geht er nicht mehr ein. „Mit 93 es et och joot“, sagt Maria Koenn und lächelt ihren Mann an.