Hilferuf nach HennefVerzweifelte Deutschlehrerin will Kabul verlassen
Hennef/Kabul – „Wir gucken auf euch und hoffen, dass ihr uns helft. Wir haben keinen anderen Weg“, Nuria Amanullah bricht die Stimme weg, ihre Verzweiflung ist greifbar. Die 41-Jährige sitzt in Kabul fest. Ihr Name ist geändert, sie hat Angst um ihr Leben, um ihres und das ihrer Familie, wie sie in einem Telefonat am Mittwochnachmittag erzählt.
Viele Jahre hat sie mit Deutschen zusammengearbeitet. Die Deutschlehrerin hat in einer Mädchenschule nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur vermittelt. Und das ist in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Die Bildungseinrichtung wurde vom Auswärtigen Amt und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) finanziert.
Ihr Mann wurde geschlagen
„Jetzt möchte ich, dass die Botschaft mir hilft“, bittet sie. Seit einer Woche wartet sie auf eine Mail oder einen Anruf, die ihr die Ausreise ermöglichen. Drei Mal hat sie sich mit ihrer Familie auf den Weg zum Flughafen gemacht. „Ich habe lange Kleider und Tücher getragen“, sagt sie. Doch jedes Mal wurde sie zurückgeschickt, weil die Papiere fehlten. Ihr Mann sei geschlagen, die Kinder rumgeschubst worden.
Dr. Dagmar Smarsly, Hausärztin mit Praxis in Hennef, hat den Kontakt zu Amanullah hergestellt. Sie hatte vor fünf Jahren eine afghanische Familie für drei Monate zu Hause aufgenommen. Die Deutschlehrerin aus Kabul war mit den Geflüchteten befreundet, in häufigen Anrufen fungierte sie als Dolmetscherin. Smarsly hatte über die Familie, mit der sie inzwischen befreundet ist, immer mal wieder Kontakt. Um so besorgter ist sie jetzt.
„Sie ist wirklich gefährdet“
„Lehrerkolleginnen aus Deutschland besuchten sie in Kabul, sie sind ausgegangen in Restaurants, haben gemeinsam gegessen“, weiß die Ärztin, „das wird ihr nun als unislamisches Verhalten vorgeworfen.“
Sie hat sich an das Auswärtige Amt gewandt, an Bundestagsabgeordnete, an Familienminister Joachim Stamp aus der Landesregierung, an die GIZ. „Sie ist wirklich gefährdet, weil sie andere Werte vertreten und gelehrt hat“, mahnt sie die Verantwortlichen eindringlich.
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Mehrfach hat sie in den vergangenen Tagen mit ihr telefoniert. Bei einem Gespräch war sie in der Nähe des Flughafens. „Ich habe lautes Stimmengewirr gehört und plötzlich fünf Gewehrschüsse. So nah war ich nie einem Gefecht, obwohl ich tausende Kilometer entfernt war“, erinnert sie sich an die bedrohliche Situation für Amanullah. Die war in ihrer Verzweiflung bei amerikanischen, italienischen, französischen Soldaten. Helfen konnte ihr bislang niemand.
Lehrerin wartet seit einer Woche auf Antwort
„Ich warte seit einer Woche auf eine Antwort“, erzählt sie. Ich habe Drohungen von Taliban bekommen. In meiner Familie gibt es welche, die alles über mich wissen.“ Entsetzt ist sie über Videos, die ihr zugespielt worden sind. Menschen, die in ähnlicher Situation wie sie sind, werden geprügelt, erschossen. „Früher hatte ich keine Angst, doch jetzt ist die Situation ganz schrecklich.“
Smarsly berichtet von insgesamt drei Deutschlehrerinnen in Kabul, die engagierte Mädchenbildung gemacht haben. Eine hatte einen Bruder, der die amerikanische Staatsangehörigkeit hatte. Sie konnte mit einem US-Flugzeug ausreisen. In Taschkent stieg sie in einen deutschen Flieger, ist jetzt in Hamburg. Die andere und Amanullah sitzen noch fest.
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„Es wird immer enger mit der Zeit, nur noch bis 31. August können wir raus“, weiß die 41-Jährige. Was dann passiert, weiß sie nicht, befürchtet aber das Schlimmste. „Wir schlafen die ganze Nacht nicht.“ Zu acht leben sie in dem Haus, eine Busstunde entfernt vom Flughafen – Ihr Mann, ihre Schwester und fünf Kinder. Sie trauen sich nicht auf die Straße, aus Angst vor den Taliban.
Kein Geld zum Einkaufen
Geld haben sie keines mehr, die Banken sind geschlossen, ob ihr Gehalt bezahlt wurde, weiß sie nicht. In der Stadt explodieren die Lebensmittelpreise, nur noch Wohlhabende können einkaufen.
„Mama, ich will Melone essen, hat mich meine kleine Tochter gefragt, aber ich konnte ihr keine gegeben“, mit dieser kleinen Geschichte skizziert sie die Dramatik ihrer Lebensumstände. „Wir gucken auf euch und hoffen, dass ihr uns helft“, appelliert sie noch einmal.