Der Förderverein der Gedenkstätte Landjuden im Rhein-Sieg zeichnet am Holocaust-Gedenktag den Weg von Siegburger Juden nach Auschwitz nach.
GedenkenWie Siegburger Juden verfolgt und ermordet wurden
„Es ist wichtig, dass wir das Stoppschild ,Nie wieder ist jetzt' hochhalten.“ Still und aufmerksam lauschten zahlreiche Gäste den Worten der Rednerinnen und Redner, die zum internationalen Holocaust-Tag auf die Bühne im Siegburger Stadtmuseum traten. Und so wie Vizelandrätin Notburga Kuhnert vollzog auch der Siegburger Bürgermeister Stefan Rosemann den beklemmenden Brückenschlag zwischen dem deutschen NS-Regime und der Gegenwart.
Bei der jährlich am 27. Januar stattfindenden Veranstaltung des Fördervereins der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ hatten sich deutlich mehr Menschen als sonst eingefunden. Rosemann hob den aktuellen Stellenwert des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer im Holocaust hervor, sprach die notwendige gesellschaftliche Sensibilisierung für Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an und mahnte: „Viele Jugendliche können heute mit dem Begriff Auschwitz nur wenig anfangen.“
Beschämende, traurige Schlaglichter auf das finstere Kapitel der deutschen Geschichte warfen Saskia Klemp von der Landjuden-Gedenkstätte sowie Kreisarchivarin Dr. Claudia Arndt. Nicht nur den mehr als einer Million Juden, die in Konzentrationslagern von den Nazis ermordet wurden, gelte das Gedenken, „sondern allen Opfern der Nationalsozialisten“.
Nachbarn wurden aus der Gesellschaft verdrängt und schließlich ermordet
Historikerin Klemp holte die menschenverachtende Geschichte der 30er und 40er in den Raum, „Bürgerinnen und Bürger, die auf grausame Art und Weise erst aus der Gesellschaft verdrängt, diskriminiert und schließlich in den Konzentrations- und Vernichtungslagern des NS-Staates ermordet wurden“.
Straße, Hausnummer, Hochzeitstage, Kinder und Berufe oder Geschäfte in Siegburg: Den Berichten über die einst in Siegburg lebenden Juden, den ermordeten Siegburgerinnen und Siegburgern war die Bühne gewidmet. Deportationsbescheide, das Lager Much, der Deutzer Verladebahnhof, dann Namen von Konzentrationslagern wie Auschwitz, Dachau, Buchenwald – die NS-Logistik in die Vernichtung prägt die Fakten über die Opfer der Shoa.
Juden aus dem Rhein-Sieg-Kreis mussten im Lager Much noch Miete bezahlen
Bis zum 16. Juni 1941 wurden die in Rhein-Sieg-Kreis lebenden Menschen, die nicht Zwangsarbeit in kriegswichtigen Unternehmen zu leisten hatten, in das ehemalige Reichsdienstarbeitslager Much gezwungen. Für ihre maroden Unterkünfte wurden ihnen hohe Mieten abverlangt.
Lebensmittelknappheit, Infektionskrankheiten und Perspektivlosigkeit folgten, vornehmlich im Juni und Juli 1942 begann ihre Deportation, zunächst in die Kölner Messehalle oder das Barackenlager in Köln-Müngersdorf. Vom Deutzer Bahnhof aus ging die Verschleppung der jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus dem Rhein-Sieg-Kreis weiter in die Todeslager.
Siegburger Verlobte gingen gemeinsam in den Tod
Ilse Fröhlich aus der Kaiserstraße 20 gehörte nicht dazu. Sie wählte den Suizid. „Gedemütigt, entrechtet“ steht heute auf dem vor dem Gebäude eingelassenen Stolperstein. Von den sogenannten Rassegesetzen getrieben, ging die junge Frau im Sommer 1939 am Strand von Ahlbeck auf der Insel Usedom in den Freitod – auch ihr Verlobter, der katholisch getaufte Rudolf Marx.
Zu den Siegburger Opfern gehört Ernst Baum aus der Holzgasse 37–39. Seine Geschichte steht für Unausweichlichkeit der Nazi-Diktatur: Nach der sogenannten Schutzhaft im KZ Dachau gelang ihm ein Jahr später die Flucht nach Belgien. Doch retten sollte sie ihn nicht: Aus dem Internierungslager in Mechelen wurde der Siegburger 1942 nach Auschwitz verschleppt und ermordet.