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LandgerichtFreiheitsstrafe für Euskirchener nach Attacke gegen Polizisten

Lesezeit 3 Minuten
Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einem Sichtschutz, neben ihm sitzt sein Verteidiger.

Am Landgericht Bonn musste sich ein Euskirchener, hier mit Verteidiger Ralf Gorski und einem Justizwachtmeister, wegen eines Angriffs auf Polizisten verantworten.

Ein 50-Jähriger wurde unter anderem wegen Körperverletzung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft war von versuchtem Totschlag ausgegangen. 

Staatsanwalt Martin Kriebisch hatte einen Barhocker mit in den Saal 1.20 im Bonner Landgericht gebracht, um das hölzerne Gestühl mit grüner Sitzfläche, wie man es in so mancher Kellerbar findet, dem Schwurgericht als Beweismittel zu zeigen. Denn mit diesem Hocker soll ein 50-jähriger Angeklagter am 11. Juli 2024 in Euskirchen auf den Kopf eines am Boden liegenden Polizisten (60) gezielt haben, mit der Absicht, ihn zu töten.

Doch die Beweise reichten dem Bonner Schwurgericht nicht aus, um den Mann, wie angeklagt, wegen versuchten Totschlags zu verurteilen. Er kam wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Widerstands und Angriffs auf Polizeibeamte mit zwei Jahren Haft ohne Bewährung davon. Kriebisch hatte sechseinhalb Jahre gefordert, Verteidiger Ralf Gorski hatte für eine milde Strafe plädiert.

Gewalterfahrungen prägten das Leben des Angeklagten

Der Angeklagte wurde 1974 in Wanne-Eickel geboren und wuchs in Brühl und Euskirchen in schwierigen Familienverhältnissen auf. Sein Vater habe ihn beinahe täglich mit einem Gürtel verprügelt. Und diese Gewalterfahrungen prägen sein Leben. Der heute 50-Jährige, so beschrieb ihn der Vorsitzende Richter Michael Nehring, habe „eine kurze Zündschnur“ und werde schnell aggressiv. „Ich lasse mich nicht mehr schlagen“, sagte der Angeklagte in seinem letzten Wort, in dem er behauptete, er sei an jenem 11. Juli vergangenen Jahres von einem Polizisten geschlagen worden.

Dieser mittlerweile pensionierte Euskirchener Bezirksbeamte war mit drei Kollegen vom Jugendamt zum Haus des Mannes gerufen worden, weil das Amt dessen neun Monate alten Enkel wegen möglicher Kindeswohlgefährdung in Obhut nehmen wollte und die Aggressivität des Opas fürchtete.

Die Polizisten hatten ihre Bodycams nicht eingeschaltet

Was gegen Mittag auf dem Grundstück geschah, lässt sich nicht genau nachweisen, weil es unterschiedliche Aussagen gibt und vor allem, weil die vier Polizisten ihre Bodycams nicht eingeschaltet hatten – ein Umstand, der vom Gericht kritisiert wurde.

Der Bezirksbeamte und der Großvater kannten sich aus mehreren Begegnungen und waren sich nicht grün. Der 50-Jährige, der zuvor zwei Flaschen Bier getrunken und zwei Joints geraucht hatte, reagierte entsprechend sauer, als er den Uniformierten sah. Als ihm dann auch noch seine Tochter zurief, „Papa, die wollen mir das Kind wegnehmen“, ging er dazwischen. Es kam zum Handgemenge mit einem Polizisten.

Richter: „Eine unübersichtliche und emotional aufgeladene Situation“

Der Bezirksbeamte wollte eingreifen, stolperte dabei aber über Unrat auf dem Weg zum Haus und fiel auf den Rücken. In dieser „unübersichtlichen und emotional aufgeladenen Situation“, so Nehring, packte der Angeklagte den Barhocker, der vor einem Schuppen stand. Und was geschah dann? Hier gehen die Aussagen auseinander.

Der Euskirchener behauptete, er habe das Möbelstück hochgehoben und dann weggeworfen. Drei Polizisten erklärten, er habe den Hocker zweimal über den Kopf des am Boden liegenden Kollegen geschwungen. Der vierte Beamte sagte, der Angeklagte habe das Holzteil wie zum Schlag von oben nach unten bewegt. Die Kammer ging im Urteil davon aus, dass er den Hocker geschwungen habe, und das sei kein Tötungsvorsatz.

Der renitente Großvater wurde schließlich überwältigt, wobei er einem Polizisten eine Platzwunde am Hinterkopf zufügte. Die vier Beamten wurden bei dem Einsatz verletzt. Schlimmer aber hat es den 50-Jährigen erwischt. Er soll im Polizeigewahrsam ordentlich in die Mangel genommen worden sein. Das Gericht stützte sich dabei auf Videoaufnahmen aus der Wache.

Am Ende der Verhandlung hob die Kammer den Haftbefehl auf. Der Angeklagte kam nach neun Monaten frei. Er kehrt heim in problematische Verhältnisse. Seiner Familie, die Sozialhilfe erhält und für die er als Schrottsammler ein Zubrot verdient, droht die Räumungsklage. Seine Lebensgefährtin ist schwer krank und die Tochter lebt samt Enkel in einer Mutter-und-Kind-Einrichtung im Sauerland.