Der Türkei-Besuch von Frank-Walter Steinmeier kannte nur noch ein Thema: Döner. Nun reagiert auch Gastgeber Erdogan auf den Wirbel.
Heftige Kritik am BundespräsidentenErdogan reagiert auf Döner-Wirbel um Steinmeier – mit Witz und Döner
Als Gastgeber mit Humor hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beim Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwiesen. Nachdem die Berichterstattung über die Reise drei Tage lang davon geprägt war, dass Steinmeier einen Berliner Imbissbesitzer mit einem 60 Kilogramm schweren Dönerspieß mit an den Bosporus gebracht hatte, ließ Erdogan beim offiziellen Mittagessen am Mittwoch was servieren? Genau: Döner. Der Spieß drehte sich auf einer Terrasse des Präsidentenpalastes, während die Delegationen drinnen aßen.
Frank-Walter Steinmeier für „Döner-Diplomatie“ in der Kritik
Der Dönerspieß und -koch hatten in deutschen und türkischen Medien fast mehr Aufmerksamkeit erzeugt als die Inhalte des ersten Besuches eines Bundespräsidenten in der Türkei seit zehn Jahren. Von „Steinmeiers Döner-Diplomatie“ war – zumeist mit negativem Unterton – die Rede.
Mitunter wurde scharfe Kritik an Steinmeier laut. „Dass Steinmeier Döner aus Deutschland mit in die Türkei nimmt, zeigt, wie sein Türkei-Bild klischeehaft und von gestern ist“, schrieb der WDR-Journalist und Leiter der türkischen Redaktion des Senders Tuncay Özdamar.
Steinmeier mit Döner in Istanbul: „Kein Wunder, dass ein Erdogan uns nicht ernst nimmt“
Auch der türkischstämmige Islam-Experte Eren Güvercin kritisierte den Bundespräsidenten bei X. Das „Niveau unserer Türkeipolitik“ stehe der oft kritisierten Russland- und Iran-Politik „in nichts nach“, schrieb Güvercin. „Kein Wunder, dass ein Erdogan uns nicht ernst nimmt.“
Politikwissenschaftler Carlo Masala meldete sich ebenfalls zu Wort. „Seit 1962 sind Türken in Deutschland. Mittlerweile in der dritten Generation. Sind Journalistinnen, Ärztinnen, Geschäftsleute, Professorinnen, Künstler, Politikerinnen, haben den Corona-Impfstoff erfunden. Und alles was dem Bundespräsidenten einfällt ist: Döner“, schrieb der Bundeswehr-Professor bei X.
Döner wird Thema in Pressekonferenz von Steinmeier und Erdogan
Auch in der gemeinsamen Pressekonferenz war die „Döner-Diplomatie“ ein Thema. Ob die Diskussion vielleicht zeige, wie oberflächlich die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei geworden seien, wurden Steinmeier und Erdogan gefragt.
„Ich finde, das ist kein Zeichen dafür, wie oberflächlich die Beziehungen geworden sind, sondern eher ein Zeichen für die Oberflächlichkeit der Debatte über diesen Besuch“, antwortete Steinmeier. Er sei jedenfalls sehr dankbar dafür, von so einer vielfältigen Delegation begleitet worden zu sein. „Und der Döner von Arif Keles gehört auch zu dieser Vielfalt, die das neue Deutschland mitgeprägt hat.“
Erdogan reagierte knapp und gelassen: „Ich glaube, der Döner in Istanbul ist schon aus“, sagte er. Keles hatte seinen Döner bereits am Montagabend bei einem Empfang in der Sommerresidenz des deutschen Botschafters zubereitet. Beim offiziellen Essen Erdogans am Mittwoch war übrigens auch für Nicht-Döner-Fans gesorgt: Es gab auch gebratene Zucchiniblüten mit Ziegenkäse, Kalbsfilet mit Pilzsoße und einen türkischen Süßspeisenteller.
Erdogan reagiert auf Kritik an Steinmeier – und serviert Döner
Zum Abschluss seines Besuchs in der Türkei ging es bei Steinmeier jedoch nicht mehr nur um Döner, der Bundespräsident hat für eine Vertiefung der Beziehungen nach Jahren der politischen Entfremdung plädiert. Nach einem knapp zweistündigen Gespräch mit Erdogan verwies Steinmeier auf die vielen internationalen Krisen, die eine Zusammenarbeit erforderten. „Wir brauchen einander“, sagte er. „Deshalb sollten wir den deutsch-türkischen Beziehungen wieder neue Wichtigkeit verleihen.“ Auch Erdogan sprach sich für engere Beziehungen aus.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Ankara sprachen beide Präsidenten auch Konfliktthemen an, vermieden aber einen Schlagabtausch auf offener Bühne. Der Bundespräsident ließ allerdings durchblicken, dass er einen Wandel der politischen Orientierung der Türkei begrüßen würde.
Auch Präsident Erdogan, der seinen Gast mit „werter Freund“ ansprach, äußerte den Wunsch nach einer Stärkung der Beziehungen. Potenzial sehe er im Warenaustausch, im Wachstum des Tourismussektors und in einer engeren Zusammenarbeit in Rüstungsfragen, wo es derzeit noch „Restriktionen“ gebe. Das neue deutsche Staatsbürgerschaftsrecht, das einen doppelten Pass generell zulässt, begrüßte Erdogan ausdrücklich als „wertvollen Schritt“. (mit dpa/afp)