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Zur KirmesSchausteller-Pfarrer tauft Tochter von Kirmes-Fan im Euskirchener Festzelt

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer und zwei Frauen stehen neben einem Pfarrer im Priestergewand. Ein Mann hält seine kleine Tochter auf dem Arm, die in dem Festzelt auf der Euskirchener Kirmes getauft wird

Taufe im Festzelt auf der Donatus-Kirmes: Die Paten Michael Palm (v.l.) und Tanja Schneeweiß, Mutter Tatjana Gemüth, Täufling Jean Gemüth, Vater Dirk Schneeweiß mit Pfarrer Sascha Ellinghaus hinter dem aufklappbaren Altar.

Jean ist anderthalb Jahre alt und steht im Mittelpunkt. Das Mädchen wird auf der Donatus-Kirmes in Euskirchen im Festzelt getauft.

Auf dem Charleviller Platz laufen die letzten Vorbereitungen. Verkaufsbuden werden für den Start der 238. Donatus-Maikirmes mit dem letzten Schliff versehen, Grillplatten und Öfen für den Verkauf diverser Köstlichkeiten auf die richtige Temperatur gebracht. Im Festzelt sind die Mitarbeiter damit beschäftigt, Gläser zu räumen und Getränke bereitzustellen.

Die Schausteller stehen in den Startlöchern, denn an diesem Freitagnachmittag wird Bürgermeister Sacha Reichelt die Kirmes bei einem Fassanstich eröffnen. Jean interessiert das emsige Treiben um sie herum im Festzelt überhaupt nicht. Die Anderthalbjährige ist damit beschäftigt, Verwandte und Freunde ihrer Familie zu begrüßen. An diesem Tag steht sie im Mittelpunkt der Gesellschaft, in wenigen Minuten soll das Mädchen getauft werden.

„Bei Jeans Taufe handelt es sich um eine absolute Ausnahme“, betont Sascha Ellinghaus, während er den klappbaren Altar in einer Ecke des Festzeltes herrichtet. Der Pfarrer ist Leiter der katholischen „Circus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland“.

Der Schausteller-Pfarrer ist mit der mobilen Kirche unterwegs

Mit seiner „mobilen Kirche“ auf vier Rädern ist er im gesamten Bundesgebiet unterwegs. „Im Zirkus und bei den Schaustellern ist die Arbeitswelt auch die Lebenswelt. Die Menschen ziehen mit dem Geschäft und dem Wohnwagen von einem Platz zum anderen. Dort wird gearbeitet und auch die spärliche Erholungszeit verbracht“, so der 51-Jährige: „Deshalb kommt die Kirche zu den Menschen, um Gottesdienste zu halten oder rituelle und sakramentale Handlungen wie Segnungen, Taufen, Trauungen und Begräbnisse durchzuführen.“

Jean und ihre Familie hingegen haben einen festen Wohnsitz und gehören damit nicht zur auserwählten Zielgruppe der Circus- und Schaustellerseelsorge. „Jeans Mutter ist als Journalistin für eine Fachzeitschrift der Schausteller tätig“, erklärt der Pfarrer den Bezug der Familie zu den Menschen, die aufgrund ihrer Lebens- und Arbeitsweise auf Volksfesten dauerhaft unterwegs sind. Dieser Ausnahmeregelung hat der Pfarrer schließlich zugestimmt: „Diese Taufe ist ein erbetteltes Privileg.“

Blick in das Festzelt, in dem die Taufe stattfand. Die Gläubigen sitzen vor dem Altar, an dem der Pfarrer steht.

Ein Gottesdienst in außergewöhnlichem Ambiente war die Tauffeier von Jean Gemüth im Festzelt auf dem Charleviller Platz.

Initiatorin für die Taufe ihrer Tochter im Festzelt der Donatus-Maikirmes ist Tatjana Gemüth. „Als Jugendliche bin ich Kirmes- und Freizeitpark-Fan geworden“, erklärt die gebürtige Euskirchenerin, die heute mit ihrer Familie in Hürtgenwald im Kreis Düren lebt.

„Seit einigen Jahren arbeite ich für die Schaustellerzeitung ,Der Komet' als Kirmes- und Freizeitpark-Reporterin“, so die 41-Jährige, die das Sonderrecht für die Taufe ihres dritten Kindes im Festzelt zu schätzen weiß. Auch Lebensgefährte Dirk Schneeweiß ist begeistert von der außergewöhnlichen Örtlichkeit für die Zeremonie. „Die Taufe unserer Tochter ist auf jeden Fall ganz anders als in einer Kirche oder Kapelle“, findet der 45-Jährige.

Diese Taufe zur Kirmes in Euskirchen ist für alle etwas Besonderes

Während Pfarrer Ellinghaus den Altar vor dem Bild mit der lebensgroßen Kuh mit Decken und Kerzenleuchter schmückt und der Technik die ersten Tonproben entlockt, ist Jean damit beschäftigt, die nahegelegenen Bierzeltgarnituren zu erkunden. Die Tische und Bänke bleiben auch während des Gottesdienstes ihr erklärtes Ziel, wobei selbst ein kurzes Protestgeschrei des Täuflings den Prediger nicht aus der Ruhe bringt. „Gut, wenn sie schon bei euch schreit, dann bin ich es nachher nicht schuld“, richtet Ellinghaus das Wort an die Eltern und ändert kurzerhand den Ablauf der Zeremonie.

Die Salbungen mit Katechumenen- oder Chrisamöl auf ihrer Stirn sowie das Wasser, das zur Taufformel „Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ über ihren Kopf fließt, nimmt Jean mit erstauntem, neugierigem Blick, aber sehr gelassen hin. Beim „Gebet der Circusleute und Schausteller“ zum Ende der Messe ist Jean bereits wieder gut gelaunt unter den Gästen unterwegs.

„Ich habe schon viele Taufen erlebt“, erzählt Tanja Schneeweiß. „Hier im Festzelt der Kirmes war die Taufe schon etwas ganz Besonderes. Der Pfarrer hat das sehr gut und entspannt umgesetzt“, findet Jeans Tante, die als Patin eine besondere Funktion übernimmt. Auch Pate Michael Palm stimmt dem zu: „Das ist hier schon ein ganz besonderes Ambiente.“

Die sakrale Musik im Kirmeszelt ist mittlerweile verstummt, und Pfarrer Ellinghaus packt bereits für die nächste Feierlichkeit seinen Transporter zur Weiterfahrt. „Wir feiern jetzt auf der Kirmes“, freut sich Gemüth auf den weiteren Ablauf der Taufe. „Jean ist schon mal mit dem Crazy Jungle Coaster gefahren und hat begeistert ihre Arme in die Luft geworfen“, so die stolze Mutter, die ihrer Tochter ihre Leidenschaft für Fahrgeschäfte wohl mit in die Wiege gelegt hat.