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Polizeibesuch vorm StartschussGeschäft für Cannabis-Zubehör in Euskirchen eröffnet

Lesezeit 7 Minuten
Ein Mann in Trainingsanzug steht in einem Geschäft für Cannabis-Zubehör.

Aziz Barakat hat in Euskirchen einen „Grow 4 Bros“-Shop eröffnet. Der Laden an der Wilhelmstraße bietet vor allem Dinge rund um Marihuana.

Der Nachbarschaft kam der Laden „Grow 4 Bros“ seltsam vor. Laut Besitzer passiert nichts Illegales im Shop, aber das Konzept ist ungewohnt.

Der Start war alles andere als leicht. Auch die Polizei stattete Aziz Barakat einen Besuch ab. Einer Nachbarin war das Treiben in dem Geschäfts- und Wohnhaus an der Wilhelmstraße nicht geheuer. Nach einem Gespräch mit den Polizeibeamten und der Nachbarin sei aber alles geklärt gewesen, so Barakat.

Es ist nämlich nicht illegal, was der 39 Jahre alte Euskirchener an der Wilhelmstraße macht – aber eben noch ziemlich unbekannt. So unbekannt, dass auch das Euskirchener Gewerbeamt laut Barakat ein wenig auf Zeit gespielt habe, um sich mit den Rahmenbedingungen für seine Geschäftsidee vertraut zu machen.

Zumal nach Informationen dieser Zeitungen nicht nur die Mitarbeitenden des Gewerbeamts vor der Neueröffnung involviert waren, sondern – je nach Produkt – auch die Lebensmittelaufsicht des Kreises.

Euskirchen: Ungewöhnliches Gartencenter eröffnete in Innenstadt

„Die Legalisierung von Cannabis und der potenzielle Verkauf von bestimmten Produkten rund um die Pflanze bedeutet für die zuständigen Behörden einen großen Aufwand“, sagt Tim Nolden, Sprecher der Stadt Euskirchen. Die Inhaltsstoffe vieler Produkte seien ihnen unbekannt und müssten geprüft werden, um entscheiden zu können, ob und in welcher Menge sie von wem angeboten werden dürften.

„Das Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber Regelungen schafft, ohne sich über die Auswirkungen vor Ort und in der Praxis der zuständigen Behörden ausreichend Gedanken zu machen“, kritisiert der Erste Beigeordnete Alfred Jaax.

„Grow 4 Bros“-Store bietet Zubehör für Cannabis-Aufzucht an

Letztlich wurden all diese kleineren Probleme gelöst. Mit knapp zwei Wochen Verzögerung hat Barakat nun seinen „Grow 4 Bros“-Store eröffnet. Es ist ein Geschäft für Pflanzenzucht- und Gartenbaubedarf, wie es auf Instagram heißt. Zwei weitere Stores gibt es in Köln. Einen Blick ins Geschäft zu erhaschen, ist wegen der Werbefolie auf den Fenstern schwierig.

Auf einer dieser Folien ist übrigens ein Tomatenstrauch zu sehen. Aber Barakat macht kein Geheimnis daraus, dass es vornehmlich nicht um Tomaten und Salat in Hochbeeten auf städtischen Balkonen geht. Es geht bei „Grow4Bros“ vor allem um den Anbau und die Aufzucht von Cannabispflanzen. Seit dem 1. April ist das in Deutschland für den Eigenkonsum legal.

Ladenbesitzer Aziz Barakat ist früher an gestrecktes Cannabis geraten

Ganz zur Freude des 39 Jahren alten Syrers, der seit etwa drei Jahrzehnten in Euskirchen lebt. Das selbst gepflanzte, aufgezogene und geerntete Marihuana sei besser als das, was man größtenteils auf der Straße kaufen könne.

Er selbst habe mit gestrecktem Cannabis unschöne Erfahrungen gemacht, berichtet Barakat: In die Drogen seien klitzekleine Glasstückchen untergemischt gewesen, um das Gewicht zu erhöhen und so einen höheren Verkaufswert zu erzielen. „Jetzt ist der Anbau und der Konsum glücklicherweise legal“, sagt Barakat, der nach eigenen Angaben seit etwa 15 Jahren kifft. Er weiß, dass er vor der Legalisierung das Gesetz gebrochen hat. „Ich rauche aber auch nach der Legalisierung nicht in der Öffentlichkeit“, sagt er.

Für ihn liegt der Vorteil des in den eigenen vier Wänden angebauten Cannabis auf der Hand: „Man weiß, was drin ist.“ Aber es sei eben nach wie vor eine Droge, sagt Barakat. Er könne verstehen, dass mancher damit nicht einverstanden sei. Er könne aber versichern, dass in seinem Geschäft nichts Illegales vonstatten gehe. Wer Beratung benötige, sei jederzeit willkommen.

Kein Verkauf von Cannabis-Samen oder Setzlingen

Der Start ins Unternehmerdasein fand aber nicht nur wegen der aufmerksamen Nachbarschaft unter erschwerten Bedingungen statt. Die Stadt Euskirchen hat Barakat zufolge untersagt, Cannabis in Form von Samen oder als Setzlinge an der Wilhelmstraße zu verkaufen.

Das ist laut dem 39-Jährigen im Euskirchener Ableger der „Grow 4 Bros“-Franchise weiterhin nicht möglich. Entsprechend habe er sich auf den Verkauf von Zubehör spezialisiert – von Töpfen über Vakuumiergeräte für die Ernte und Lampen bis hin zum Aufzuchtzelt und Dünger.

Hobbygärtner, die Hanfpflanzen zu Hause aufziehen wollen, müssen mit etwa 350 Euro Kosten für die Grundausrüstung rechnen, erklärt der Euskirchener.


Auf dem Simon-Juda-Markt gibt es ein Cannabis-Verbot

Seit dem 1. April dieses Jahres dürfen Erwachsene in Deutschland legal Cannabis konsumieren. Werden deshalb im Kreis Euskirchen nun mehr Menschen mit THC, dem Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, im Blut hinter dem Steuer erwischt?

„Der Zeitraum ist zu kurz, um valide eine Aussage zu treffen“, sagt Harald Mertens, Direktor der Euskirchener Polizei dazu: „Aber tendenziell treffen wir im Straßenverkehr mehr an. Dafür haben wir einen Rückgang im Bereich der Betäubungsmittel-Kriminalität.“

Auf dem Simon-Juda-Markt, der am 25. Oktober startet, gebe es ein Cannabis-Verbot, das die Polizei mit dem Ordnungsamt kontrollieren werde. Wie die Stadt abseits der Kirmes mit der Legalisierung von Cannabis umgehe, werde sicherlich im November beim Kriminalpräventiven Rat mit der Polizei besprochen, so Mertens.

Euskirchener Polizei: „Wir gucken definitiv nicht weg“

In der Euskirchener Innenstadt kontrolliere die Polizei das Cannabis-Verbot in der Fußgängerzone. Mertens: „Wir gucken definitiv nicht weg. Mir ist aber kein Sachverhalt bekannt, dass jemand angerufen hat und gesagt hat: Da kifft einer, gehen Sie mal gucken.“

Verboten ist der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Nähe von Personen unter 18 Jahren, in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr sowie in und in einem Umkreis von 100 Metern um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätze und öffentlich zugängliche Sportstätten.

Der private Eigenanbau von drei Cannabispflanzen pro Erwachsenem ist seit dem 1. April erlaubt. Jeder Erwachsene darf maximal 25 Gramm Cannabis mit sich führen, im privaten Bereich sind 50 erlaubt. Zudem dürfen sogenannte Anbauvereinigungen Cannabis an ihre erwachsenen Mitglieder abgeben – höchstens 25 Gramm täglich und 50 monatlich.


Welche Zielgruppe Grow 4 Bros mit dem (Online-)Auftritt anspricht

Folgende Ansprache findet sich auf der Webseite der „Grow 4 Bros“ neben deren cartoonhaften Brokkoli-Maskottchen: „Ready to grow? Grow 4 Bros ist der Rundum-sorglos-Shop für alle Grow-Liebhaber. Mit den ultimativen Grow Brows – Broco und Loco – holst du das Beste aus jeder Blüte raus! (...) Was hält dich noch auf? Let's grow!“

In den Zeilen stecken viele unterschwellige Mechanismen. Es werden Anglizismen verwendet, also aus dem Englischen entlehnte Formulierungen. Der Name des Geschäfts „Grow 4 Bros“ lässt sich   mit „Wachsen für Brüder“ übersetzten. Die Ziffer 4 (four auf Englisch) lässt sich auch als das Wort for, also „für“, lesen. Dieses Prinzip, Ziffern als Ersatz für Buchstaben oder Worte zu gebrauchen, wird auch als Leetspeak bezeichnet. Es ist ein Phänomen des Sprachgebrauchs im Internet.

Selbstoptimierung und Jugendsprache

In der vorliegenden Verwendung spielt „grow“ eher auf den Anbau von Pflanzen an. In der Jugendsprache wird damit das Anbauen von Cannabis-Pflanzen verbunden. Der Wachstumsgedanke verweist zudem auf das Prinzip der Selbstoptimierung: „ Ready to grow?“ liest sich vor dem Hintergrund auch als aktivierende Herausforderung: „Bereit zu wachsen?“

Neben der Selbstoptimierung ist auch das kumpelhafte Adressieren als Bro keine Neuheit in der Jugendkultur. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Formulierung längst in der Werbesprache angekommen ist.

Auch die Auswahl der Cartoon-Brokkolis „Broco“ und „Loco“ ist keine Zufällige. Das Design richtet sich an ein jugendliches Zielpublikum: Das reicht bis hinein in die Selektion der neon-pinken und -türkisen Schriftfarbe des Geschäftslogos, die sich in der Farbgestaltung der Anzüge der Maskottchen wiederfindet.

Marketing-Expertin: „Dahinter steht ein komplettes Konzept“

Lena Bongard, Social Media und Content-Managerin in der Euskirchener Werbeagentur Punktquadrat, bezeichnet die Gestaltung des Onlineauftritts der Grow 4 Bros als sehr hochwertig: „Dahinter steht ein komplettes Konzept. Sowohl das Wording als auch die Bildgestaltung verfolgen eine Idee, die nicht direkt mit den negativen Assoziationen des Produkts, die in der Gesellschaft vertreten sind, in Verbindung gebracht werden“, erklärt die 25-jährige Marketing-Expertin.

Eine Frau sitzt auf einer Couch und hat einen Laptop auf den Beinen.

Marketingexpertin Lena Bongard sitzt auf einem Sofa und arbeitet an einem Laptop.

Neben dem Wortspiel Bro-kkoli ist das Wort Brokkoli in jugendlichen Kreisen ein gängiger Code für Cannabis – das funktioniert auf der Vergleichsebene „grüne Pflanze“. Auch das Wort „Spinat“ wird in diesem Sinne verwendet.

„Mit Cannabis liegt ein Produkt vor, bei dem man die Pflanze in den Vordergrund rücken muss, nicht das Rauschmittel oder dessen Verwendung außerhalb des medizinischen Bereiches“, so Bongard. Sie habe auf der Seite nicht gesehen, dass Vorteile aufgezeigt werden, wie das Produkt angewendet werde.