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Wo die AfD Wahlsiegerin ist62 Prozent in Maibuche – Erklärungssuche in Oberberg für den Rechtsruck

Lesezeit 5 Minuten
Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Europa-Gebäude.

Die AfD wurde bei der Europawahl im Oberbergischen Kreis zweitstärkste Partei.

16,2 Prozent der Wähler in Oberberg haben die AfD gewählt. Damit ist der Oberbergische Kreis im Rheinland auf einem der Spitzenplätze.

Am Tag eins nach der Europawahl, bei der die CDU mit 34,2 Prozent stärkste Kraft in Oberberg wurde, ist dennoch das starke Ergebnis der AfD das alles dominierende Thema. Sogar die erdrutschartigen Verluste für die Grünen geraten in den Hintergrund.

21.910 Menschen bzw. 16,2 Prozent der Wähler haben sich für die rechte Partei entschieden. Damit ist Oberberg im Rheinland auf einem der Spitzenplätze. Dieses Abschneiden wird noch übertroffen in einigen oberbergischen Wahlbezirken, in denen die rechte Partei die CDU hinter sich lässt und somit die stärkste Kraft ist.

Waldbröl: Wahlbezirk Maibuche ist seit Jahren eine AfD-Hochburg

Seit Jahren eine Hochburg der AfD ist der Wahlbezirk „040 – Maibuche“, wo die Partei diesmal auf 62,0 Prozent kommt – das entspricht 132 Stimmen. Die CDU wählten hier nur 20 Waldbröler. Die parteilose Bürgermeisterin Larissa Weber kann nur vermuten, warum die AfD an der Maibuche so stark ist. Bereits nach der Landtagswahl 2022, als die AfD bei den Erststimmen 59,7 Prozent bekam, sprach Weber über mögliche Gründe.

Ja, an der Maibuche leben viele Menschen mit einem russlanddeutschen Hintergrund, sagt die Bürgermeisterin. Sie selbst ist in Kirgisien geboren und in Waldbröl aufgewachsen. Doch es darauf allein zu reduzieren, ist für Weber „zu kurz gegriffen“. An der Maibuche wohnten auch viele Menschen, bei denen sie sicher sei, dass die nicht AfD wählten. Und am Ende sei das Ergebnis auch kein reines Waldbröler Phänomen. Viele Menschen seien nicht wählen gegangen und natürlich gebe es auch eine Unsicherheit und eine Unzufriedenheit, hervorgerufen durch die jetzigen Regierungsparteien.

Wenn dann, wie zuletzt in Mannheim, ein Polizist bei einem Einsatz erstochen wird, schürt das weitere Ängste.
Larissa Weber, Bürgermeisterin in Waldbröl

„Und wenn dann, wie zuletzt in Mannheim, ein Polizist bei einem Einsatz erstochen wird, schürt das weitere Ängste.“ Dass Waldbröl wie nach der Landtagswahl im Jahr 2022 bundesweit in die Medien gekommen sei, hat nach Auffassung von Weber nicht zu einer Aufklärung des Phänomens der AfD-Ergebnisse an der Maibuche geführt, sondern eher einen gegenteiligen Effekt. Weber sagt, dass man die Menschen selbst fragen müsse, was sie bewegt. Stadtweit kommt die AfD auf 24,1 Prozent, die CDU auf 29,6.

Gummersbach: 49,67 Prozent für die AfD im Wahlbezirk Alten- und Jugendzentrum Bernberg

Nicht ganz so auffällig wie die Maibuche ist der Wahlbezirk „052-Alten- und Jugendzentrum Bernberg“ in Gummersbach. Hier kommt die AfD auf 49,7 Prozent. Die CDU wollen nur 7,2 Prozent der Wähler. Bei den absoluten Zahlen wird dann deutlich, dass es bloß 76 AfD-Wähler sind, von denen hier gesprochen wird, dennoch nehmen die örtlichen CDU-Ratsherren wie Rainer Sülzer oder Reinhard Elschner das Thema ernst. „Die Leute sind nicht zufrieden mit dem Handeln der etablierten Parteien“, sagt Sülzer. Es sei an der Zeit, dass die demokratischen Parteien zusammenrücken.

Elschner, der bei der Kommunalwahl in dem Wahlbezirk antritt, sieht in der schlechten Wahlbeteiligung einen weiteren Grund und versteht die Zahl als Protestwahl. Dass man das Thema in der nächsten Fraktionssitzung erörtet, stehe außer Frage. Dort dürfte dann auch über den Wahlbezirk am Hammerhaus in Dieringhausen gesprochen werden, wo die CDU (25 Prozent) von der AfD (33,6 Prozent) abgehängt wurde. Stadtweit kommt die AfD auf 17,5 Prozent, die CDU auf 32,3.

Bürgermeister Frank Helmenstein sagt: „Auch wenn es gestern keine Kommunal-, sondern eine Europawahl war, stimmen mich die hohen Zustimmungswerte für die AfD im Stadtteil Bernberg überaus nachdenklich. Rat und Verwaltung haben gerade dort – übrigens im engen Schulterschluss mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern – viel Positives bewegt.“ Es gebe aber offensichtlich eine große Zahl von Menschen, die nicht erreicht würden. „Insoweit den Turnaround – in unserer Gesellschaft insgesamt – zu schaffen, gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus erfolgreich einzutreten, ist für unser demokratisches Gemeinwesen überlebenswichtig: mehr denn je.“

Reichshof: Mehr Stimmen für die AfD in „Hunsheim I“ als für die CDU

Auch in Reichshof bekommt die AfD teils mehr Stimmen als die CDU, im Wahlbezirk „Denklingen II“ stimmten für die CDU 26,8 Prozent, die AfD holte dagegen 38,0 Prozent. Der oberbergische CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Brodesser sagt, dass das gute Abscheiden der AfD ein erkennbarer Trend der letzten Jahre sei, für den es verschiedene Gründe gebe.

So seien viele Menschen nicht erreicht worden, was sich am Ende in der Wahlbeteiligung widerspiegele. Diese hätten eine Sehnsucht nach einfachen Botschaften, die sich bei der AfD fänden. Hinzu komme eine Frustration über die aktuelle Politik und das Setzen der falschen Prioritäten durch die Ampel. Daher gelte es, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Das sei die Aufgabe aller etablierten Parteien.


Lukas Sieper (PdF) ist drin, Miriam Viehmann (CDU) nicht

Im neuen Europaparlament wird mit Lukas Sieper (27) auch ein Oberberger sitzen. 0,6 Prozent hat seine erst 2020 gegründete Partei des Fortschritts (PdF) geholt, damit ist er als Vorsitzender und Spitzenkandidat einer der 96 Abgeordneten aus Deutschland. „Ich werde das Mandat in jedem Fall annehmen“, sagt der Wiehler. Eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien aus Deutschland lehnt er ab, gegen deren „Ideologiefixiertheit“ wende sich die PdF ja gerade. In Oberberg holte die PdF 0,8 Prozent (1092 Stimmen insgesamt), in Wiehl 0,9, in Gummersbach 0,9 Prozent.

Miriam Viehmann (33), Spitzenkandidatin des CDU-Bezirksverbandes Bergisches Land mit Zweitwohnsitz in Bielstein, hat den Einzug knapp verpasst. Bis in die Frühe am Montag war unklar, ob die Kandidatenliste der NRW-CDU bis Platz sieben ziehen würde – das hätte für Viehmann gereicht. Am Ende zog sie nur bis Platz sechs. „Das war ein unglaublich intensiver Wahlkampf, natürlich bin ich enttäuscht, dass es so unfassbar knapp nicht gereicht hat“, sagt sie. „Aber ich bin auch dankbar für die vielen spannenden Begegnungen mit sympathischen Menschen in meiner zweiten Heimat, dem Oberbergischen.“ (mf/sül)