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Vater-Kind-BindungTrotz Trennung Kontakt zum Kind halten

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Der Vater ihrer Kinder soll Verantwortung tragen, partnerschaftlich, emotional und durchsetzungsfähig sein. Gerne soll er auch Souveränität ausstrahlen. So wünschen sich einer aktuellen Umfrage zufolge deutsche Frauen die Väter ihrer Kinder. Bei solch hohen Erwartungen kann so manchem Noch-nicht-Vater vielleicht bange werden.

Dass Männer heute oft verunsichert, widerwillig oder auch ängstlich sind, wenn sie Väter werden, ist für den dänischen Familientherapeuten Jesper Juul auch aus historischer Sicht nicht sonderlich verwunderlich. "Ihr Erfahrungsschatz ist arm - und sie stehen Frauen gegenüber, die immer stärker, selbstständiger und fordernder geworden sind", schreibt er.

Tatsächlich seien Väter über viele Jahre im Familienleben eher abwesend gewesen. "Obwohl Familienoberhaupt, waren sie an der emotionalen Struktur der Familie kaum beteiligt", so Juul. Auch Diplom-Psychologe Josef Zimmermann, Leiter der katholischen Familienberatung in Köln, bestätigt, dass "Väter lange eine Art spätes Beiwerk waren. Kleine Kinder gehörten ausschließlich in die Zuständigkeit der Mütter, Väter wurden frühestens ab Schulalter in die Erziehung eingebunden."

Erst in den 1960er Jahren seien Männer auf die Idee gekommen, "dass sie ein integrierter Bestandteil ihrer Familie werden und emotional für ihren Nachwuchs Sorge tragen können", so Juul. Heute geben zwei Drittel der Väter an, sich nicht mehr nur als Ernährer der Familie zu sehen. 27 Prozent nehmen Elternzeit, um mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen zu können - Tendenz steigend.

In einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen gleichberechtigt an gesellschaftlichem Leben teilhaben wollen, gibt es die klassische Rollenverteilung nicht mehr. Die Rollen sind durchlässiger geworden. Diplom-Psychologe Zimmermann möchte denn auch eher von "Mütterlichkeit" und "Väterlichkeit" sprechen. "Wie viel Mütterlich-Fürsorgliches vom Vater oder Väterlich-Forderndes von der Mutter in die Familien gegeben werde, sei nicht mehr vorgegeben, sondern muss jede Familie individuell für sich aushandeln", sagt er. Eine Herausforderung, die Konfliktpotenzial in sich trägt.

Zumal moderne Väter selten auf Erfahrungen ihrer Väter zurückgreifen können und ihre Rollen finden müssen als fürsorglicher Vater und verlässlicher Partner, der gleichzeitig im Beruf seinen Mann stehen soll. Keine leichte Aufgabe, findet Jochen König. "Die Aufgabe, ein Kind großzuziehen, ist selbst für zwei Personen noch zu groß. Besonders, wenn beide Personen sich auch noch um ihre Zweierbeziehung kümmern müssen", beschreibt er seine Erfahrungen als Vollzeit-Papa. Eltern werden und Paar bleiben - auch Jesper Juul sieht darin einen schwierigen Spagat, der vielen Neu-Vätern schwerfällt. "Viele junge Väter haben einen schlechten Start in ihr neues Leben als Vater hingelegt - wegen ihrer kindischen Eifersucht und verkehrten Obsession, ihre Frau für sich haben zu wollen." Auf der anderen Seite seien viele Väter vielleicht zu Recht frustriert, die endlich wieder mit ihrer Frau in Kontakt treten wollen, aber immer nur die Mutter des Kindes erreichten.

Juuls Einschätzung macht ein weiteres Dilemma der Väter deutlich. Oft sind es nämlich die Mütter selbst, die verhindern, dass Väter ihre Rolle finden. "Mutterchauvinismus" nennt Juul das Phänomen, wenn Frauen überzeugt davon sind, dass nur sie optimal für das Kind sorgen können. "Wie nah sich ein Vater dem Kind nähern darf, hängt auch von der Mutter ab. Beansprucht die Mutter das Kind für sich allein, riskiert sie, dass das Kind Gefangener der Mutterliebe wird", beschreibt Diplom-Psychologe Sergio Mancini von der Internationalen Familienberatung des Caritasverbandes.

Auch wenn der für die gesunde Entwicklung eines Kindes wichtige Bindungsprozess in den ersten Lebensmonaten lange ein mütterliches Privileg war, die Forschung hat längst gezeigt, dass ein Kind keineswegs grundsätzlich die Mutter dem Vater vorzieht - wenn beide gleichermaßen zur Verfügung stehen. Wichtig, so Juul, sei es, dass der Vater tatsächlich auch die Möglichkeit hat, eine Bindung zu dem Kind aufzubauen, indem er schon früh viel Zeit mit seinem Kind verbringen kann. "Bereits im ersten Lebensjahr braucht ein Kind einen Dritten, optimalerweise den leiblichen Vater, der es aus der Zweisamkeit mit der Mutter herausführt", betont auch Diplom-Psychologe Zimmermann.

Doch nicht nur als "Verbindung in die Außenwelt" sei in jeder Phase der Entwicklung der Vaters wichtig. Kinder sollten zwei verschiedene Elternteile erleben, weil Männer und Frauen völlig verschieden sind. Diplom-Sozialpädagogin und Eheberaterin Maria Brohl erklärt: "Der Vater bringt eine männliche Perspektive in das Leben eines Kindes ein." Das sei vor allem wichtig, weil in der Kindheit in Kindergarten und Schule oft eine rein weibliche Umgebung und Perspektive dominiere. Dabei, so betont auch Juul, sei Männlichkeit in der Erziehung sowohl für Töchter als auch für Söhne wichtig. "Für Söhne, weil sie nur dadurch etwas über ihre eigene Männlichkeit lernen können, für Töchter, weil sie nur über den Vater lernen können, wie man sich im Zusammenleben mit Männern anerkannt und intakt fühlt." Selbst wenn Vater oder Mutter grundsätzlich in ihren Werten und Prinzipien übereinstimmen, im alltäglichen Verhalten, so Jesper Juul, werden sie unterschiedlich übersetzt.

Die Bedeutung der Vaterrolle ist immer mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt - nicht zuletzt weil immer mehr Kinder nach Trennungen ihrer Eltern den Kontakt zu ihren Vätern einschränken müssen. Ein Drittel der betroffenen Kinder gar verliert im Laufe der Jahre den Kontakt. "Tatsächlich scheint die im Trennungsfall oft übliche Wochenendlösung zu einer gewissen Entfremdung vom Vater zu führen", sagt Sozialpädagogin Maria Brohl.