Das „Salera“ im Agnesviertel reduziert die Öffnungstage ab September von fünf auf drei Tage. Der Schritt ist kein Einzelfall, die Gründe sind vielfältig.
IG Gastro sieht Trend schon längerWarum immer mehr Kölner Gastronomen ihre Öffnungszeiten reduzieren
Irgendwann kam der Punkt, an dem es nicht mehr ging. Die Suche nach Mitarbeitern sei für Beatrix und Yannik Bürger immer schwieriger, immer kräftezehrender geworden. Ganz besonders für die Küche des „Salera“ blieb die Personalsuche erfolglos. Das beliebte Tapas-Restaurant im Agnesviertel weiterhin an fünf Abenden zu öffnen, habe mit Blick auf den Mitarbeitermangel und steigende Betriebskosten einfach keinen Sinn mehr gemacht.
Die Bürgers mussten sich unter den gegebenen Umständen neu aufstellen. Und kamen zu dem Entschluss, aus fünf Öffnungstagen drei zu machen. Statt zweimal mittags und fünfmal abends, öffnet das „Salera“ ab September nur noch Donnerstag, Freitag und Samstag: mittags Fish’n’Chips, abends Tapas. Mittwoch bleibt Vorbereitungstag. Durch die komprimierten Öffnungszeiten könne das „Salera“ das Personal um die Hälfte reduzieren. Das Mittagsgeschäft kann das Inhaberpaar sogar alleine stemmen.
Etwas weniger Geld werde dadurch am Ende übrigbleiben, haben die Gastronomen ausgerechnet. Ein Gewinn soll der Schritt trotzdem sein. „Wir gewinnen Zeit und es wird ein entspannteres Arbeiten, weil die Personalsuche nicht so intensiv ist“, hofft Yannik Bürger. „Und wir haben mehr Kraft, um die drei Tage durchzuziehen.“
IG Gastro: Reduzierte Öffnungszeiten nachvollziehbar, aber gefährlich
Den Trend reduzierter Öffnungstage beobachtet die Interessensgemeinschaft Kölner Gastro (IG Gastro) schon länger. „Die Gründe dafür sind mannigfaltig“, sagt Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied Maike Block. Ganz oben auf der Liste: der Personalmangel. „Die Nachfrage ist in vielen Fällen da, aber sie kann mit dem verfügbaren Personal nicht gedeckt werden.“ Mitarbeiter seien zudem viel schwieriger zu halten als früher. Die Konkurrenz zwischen den Läden habe extrem zugenommen.
Die Rechnung ist einfach: Wer Öffnungstage reduziert, kommt mit weniger Personal aus. Doch damit ist die Rechnung noch lange nicht abgeschlossen. In einer Zeit, in der die Umsätze auch ohne reduzierte Zeiten zurückgingen, in der das Aus für die reduzierte Mehrwertsteuer (siehe Infokasten) und steigende Kosten in allen Bereichen die Gastronomie belasten, sei der Schritt zwar nachvollziehbar, aber genauso gefährlich. „Wenn Gäste häufiger vor verschlossenen Türen stehen, ist das eine negative Erfahrung“, sagt Block. Die Gefahr bestehe, dass diese Gäste dann nicht wiederkämen. Zumal es Alternativen gibt. Große Ketten mit Konzernen im Rücken zum Beispiel, die 365 Tage im Jahr öffnen.
Im Oktober 2023 eröffnete Dylan Stuka das „Stukmans“ auf dem Gottesweg in Sülz. Weil sich die Mitarbeitersuche schon damals schwierig gestaltete, startete der Laden mit drei Öffnungstagen von Donnerstag bis Samstag. Der mittel- und langfristige Plan sah fünf oder sechs Tage in der Woche vor. Doch anstatt zu erweitern, reduzierte der Betreiber: Mittlerweile sind Bar und Club nur noch Freitag und Samstag von 19 bis 4 Uhr geöffnet. Dazu kommt das Eventgeschäft mit vereinzelten Öffnungen an anderen Tagen. Der wirtschaftliche und logistische Aufwand für weitere Öffnungstage sei einfach zu groß. „In unserem großen Laden schaffen wir es nicht, unter der Woche kostendeckend zu arbeiten und genug Umsatz zu machen“, erklärt Stuka.
Ebenfalls anders als geplant, arbeitet das „Stukmans“ derzeit nur mit wenigen Festangestellten. „Die Kosten für Festangestellte sind sehr hoch, vor allem für Küchenpersonal. Gute Köche sind schwer zu bekommen.“ Um eine konstant hohe Qualität mit dem vorhandenen Personal zu gewährleisten, seien die beiden Öffnungstage am Wochenende aktuell alternativlos. „Sollten wir uns wieder mehr Festangestellte leisten können, werden wir auch wieder mehr Tage öffnen.“ So wie im „Deli Sülz“ auf der Berrenrather Straße, das Stuka ebenfalls betreibt. Dort sind viele Festangestellte tätig, geöffnet ist jeden Tag.
„Frau Maher“: Kopfzerbrechen bei der Personalsuche
Die Suche nach Personal bereitet auch Thomas Wippenbeck Kopfzerbrechen. Gemeinsam mit Nadja Maher betreibt er das „Frau Maher“ in der Südstadt. Vor Wochen stellte der Gastronom eine Stellenausschreibung online. „Es meldet sich einfach niemand“, sagt er. „Man findet aktuell einfach keine Leute.“ Bei Aushilfen bessere sich die Lage derzeit leicht. Doch vor allem der Mangel an Fachkräften sei eine „Katastrophe“. Noch im vergangenen Jahr hatte das Bistro täglich geöffnet – morgens, mittags und abends. Seit Anfang des Jahres gibt es montags erstmals einen Ruhetag.
Die Corona-Pandemie habe vieles verändert, sagt Christian Matthäi, der im Agnesviertel das Bistro „Meister Lampe“ betreibt. „Dadurch ist vieles weggebrochen.“ Von Montag bis Freitag hatte der Kultladen vor der Pandemie jeden Mittag und fast jeden Abend geöffnet. Die treuen Stammkunden liebten das legendäre Spießbratenbrötchen und die gutbürgerliche Küche des Inhabers. Doch die Zeiten haben sich geändert. „Ich finde für mittags keine Leute“, erklärt er. „Die studieren, möchten abends arbeiten und sie möchten Trinkgeld bekommen. Mittags gibt es da nicht viel zu holen.“
Der Schnitzeltag am Donnerstag ist geblieben, zusätzlich öffnet „Meister Lampe“ an drei Tagen nur abends. „Besser vier Tage volles Haus als sieben Tage nichts los“, sagt Matthäi. Aktuell beschäftigt der Gastronom einen Auszubildenden, zwei Werkstudenten und fünf Aushilfen. Damit der Plan auch wirtschaftlich aufgeht, muss der Betrieb möglichst effizient laufen. „Ich koche, ich putze, ich mache die Buchhaltung.“ Kleine, inhabergeführte Läden hätten kaum eine andere Wahl, sagt auch Maike Block von der IG Gastro. „Viele Gastronomen, die jahrelang nicht mehr selbst im Service oder in der Küche aktiv waren, steigen wieder ein, um den Bedarf zu decken.“
Nebeneffekt im „Salera“: Mehr Zeit für die Familie
Ob der Plan mit drei statt fünf Tagen im „Salera“ am Ende aufgeht, steht auch für die Bürgers in den Sternen. „Im allerschlimmsten Fall können wir nach einem Jahr wieder alles ändern, wenn es nicht funktioniert“, sagt Yannik Bürger. Bei der Mitarbeitersuche sei allerdings bereits eine Veränderung zu spüren. „Als ich angefangen habe, Mitarbeitende für drei Tage zu suchen, habe ich direkt viel mehr Interessenten gefunden.“ Und auch bei den Kunden stößt die Ankündigung auf Verständnis. „Wir haben viele Stammgäste, die uns schätzen und die uns weiterhin besuchen werden“, sagt Beatrix Bürger. „Die Gäste, die sonst Dienstag oder Mittwoch kommen, die werden auch am Donnerstag kommen.“
Ganz besonders freuen sich Beatrix und Yannik Bürger auf „den wichtigsten Nebeneffekt“: mehr Zeit mit der Familie und den beiden Kindern, zwei und elf Jahre alt. Die Arbeit im eigenen Restaurant sei nicht einfach irgendeine Arbeit. „Wir geben unser Herz und unsere Leidenschaft dafür.“ Wenn dafür am Ende mehr Kraft übrig bleibt und sich der Betrieb dann auch noch wirtschaftlich lohnt, hätten die beiden einiges erreicht.