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Interview

Geschäftsführerin der Kölner IG Gastro
„Die Rechnung geht nicht auf“ - Und trotzdem ist ein Stück Hoffnung zurück

Lesezeit 6 Minuten
Eine Rechnung mit Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer liegt auf der Speisekarte eines Restaurants.

Eine Rechnung mit Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer liegt auf der Speisekarte eines Restaurants.

Die Geschäftsführerin der IG Gastro, Maike Block, spricht im Interview über die Herausforderungen für die Gastronomie in Krisenzeiten

Erst kam die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg – und damit einhergehend eröffneten sich immer mehr Probleme für die Gastronomie.

Wie geht es der Kölner Gastronomie?

Die Kölner Gastronomie ist wie die gesamte bundesdeutsche Gastronomie von vielen Problemen betroffen. Wir haben in Köln das Glück, eine sehr lebendige Gastro-Szene zu haben. Trotzdem merken wir, dass zu den teilweise wirklich guten Umsätzen viele Abzüge kommen, die sich durch verschiedene wirtschaftliche Belastungen ergeben. Das ist existenzbedrohlich, auch für viele Betriebe, die das Kölner Stadtbild prägen.

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Maike Block, Geschäftsführerin der IG Gastro.

Maike Block, Geschäftsführerin der IG Gastro.

Was sind die größten Sorgen und Probleme?

Ein Riesenproblem ist die Mehrwertsteuer-Anpassung, die Anfang 2023 stattgefunden hat. Das spüren die Betriebe ganz deutlich. Die höheren Preise mussten wir zu Teilen an die Gäste weitergeben, die das glücklicherweise größtenteils akzeptiert haben. Die Enttäuschung war groß in der Gastronomie, weil uns eigentlich von der Politik versprochen wurde, dass die Mehrwertsteuer nicht wieder erhöht wird. Dabei geht die Rechnung der Politik aber nicht auf.

Wie meinen Sie das?

Wir haben unter Umständen zwar drei Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Allerdings wird sich die Summe der Betriebe durch Insolvenzen so sehr verringern, dass man nicht mehr auf diese drei Milliarden Euro kommt. Auch für den städtischen Haushalt sind Insolvenzen ein Problem, da Gewerbesteuern aus der Gastronomie wegfallen.

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche machen uns Hoffnung: Durch die dauerhafte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen sehen wir für Restaurants und Cafés eine Entlastung und hoffen, dass diese auch so umgesetzt wird.
Maike Block

Union und SPD wollen die Mehrwertsteuer laut Sondierungspapier wieder auf sieben Prozent senken. Wie wichtig wäre das für die Gastronomie?

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche machen uns Hoffnung: Durch die dauerhafte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen sehen wir für Restaurants und Cafés eine Entlastung und hoffen, dass diese auch so umgesetzt wird. Gleichzeitig sehen die Sondierungen eine Erhöhung des Mindestlohns vor – für unsere Branche mit vielen ungelernten Kräften ein Anziehen der gesamten Lohnstruktur, was eine große Herausforderung birgt. Wir sehen dennoch in dem Vorhaben, uns niedriger zu besteuern, eine Anerkennung unserer Branche als Wirtschaftszweig und begrüßen das wirklich sehr.

Auch für die Gäste sind die wirtschaftlichen Belastungen höher geworden. Wie macht sich das bemerkbar?

Der Pro-Kopf-Bon hat sich eindeutig verringert, Gäste wählen häufiger als früher günstigere Gerichte. Oder trinken ein Glas Wein weniger. Es gibt aber auch immer mehr Menschen, die es sich überhaupt nicht mehr leisten können, essen zu gehen.

Gegen die Rahmenbedingungen kann der einzelne Gastronom nicht viel ausrichten. Wie reagiert die Kölner Gastronomie auf die vielen Probleme?

Weil der Einzelne oft gegen Windmühlen kämpft, haben wir vor fünf Jahren die IG Gastro gegründet. Zusammen können wir bestimmte Dinge durchsetzen. Wir haben zum Beispiel erkämpft, dass wir Parkflächen für die Außengastronomie nutzen dürfen. Wir können Dinge für unsere Mitglieder beschleunigen, etwa bei Bauvorhaben. Dazu bin ich aber auch erstaunt, was unsere Gastronomen immer wieder für kreative Ideen aus dem Hut zaubern, seien es neue Gerichte, neue Karten, neue Trends oder Konzepte.

Gastronomie fehlt es an Arbeitskräften

Die Gastronomie war früher vor allem bei jungen Menschen ein beliebter Arbeitgeber. Mittlerweile fehlt es in fast jedem Laden an Personal. Was ist passiert?

Die Pandemie war der große Bruch. Wir wurden vom Staat als erste Branche fallengelassen und konnten unsere Aushilfen nicht mehr bezahlen. Wenn man zusätzlich zu diesen herausfordernden Arbeitsbedingungen noch nicht mal Sicherheit bieten kann, dann wird es sehr schwierig, Leute in der Branche zu halten.

Am Brüsseler Platz gibt es jetzt ein nächtliches Verweilverbot. Die Außengastronomie muss ab 22 Uhr schließen. Droht so etwas auch an anderen Orten?

Es gibt immer wieder Menschen, die um 22 Uhr am liebsten Totenstille vor ihrem Fenster hätten. Es gibt bereits viele andere Fälle, in denen die Beschwerden Einzelner schwere Folgen hatten. In Ehrenfeld hatten sich Nachbarn 2023 so massiv beschwert, dass das „Schulz“, eine richtige Institution, nach Jahrzehnten dicht machen musste. Das Brauhaus Johann Schäfer in der Südstadt darf mittlerweile nach 22 Uhr auch drinnen nicht mehr betrieben werden, weil Anwohner sich beschwert haben.

Was macht das mit einer Stadt wie Köln?

In der Individualbefriedung wird überhaupt nicht gesehen, dass das große Ganze bedroht ist. Begegnungsräume wie die Außengastronomie sogen für Leben im öffentlichen Raum und sind eine sehr positive Stadtentwicklung. Gibt es diese Räume nicht, geht unheimlich viel verloren. Diese soziokulturelle Vielfalt ist aber extrem wichtig für eine nachhaltige Gestaltung der Stadt. Dieses Denken vermissen wir leider manchmal in Köln.

IG Gastro: „Gastronomie will der Stadt nichts klauen“

Sie würden sich also ein klareres Bekenntnis der Stadt zur Gastronomie wünschen?

Das würde ich mir sehr wünschen. Wenn es zum Beispiel um Flächen für Außengastronomie geht, dann muss man nicht so tun, als würde die Gastronomie der Stadt etwas klauen wollen. Es schafft einen Mehrwert für die Stadt, wenn ein schöner Platz geschaffen wird, wo Menschen draußen sitzen können. Diese oft negative Blickweise, diese Kriminalisierung, finde ich falsch.

Die IG Gastro hat in den sozialen Medien sogar die Düsseldorfer Stadtverwaltung für den Umgang mit der Gastronomie positiv erwähnt. So weit ist es also schon gekommen.

Dass ich als Kölnerin neidisch auf Düsseldorf sein würde, das hätte ich auch nicht gedacht. Dort wird die Gastronomie vom Oberbürgermeister (Anm. d. Red.: Stephan Keller, ehemaliger Kölner Stadtdirektor) sehr hofiert. Er spricht sich öffentlich für ein Veränderung bei der Mehrwertsteuer aus, auch wenn es ein Bundesthema ist. Und er trifft sich mit Gastronomen und hört ihnen zu. Und es gibt verschiedene Initiativen, die das Spotlight auf die Gastronomie werfen.

Nach langer Beratungszeit wurden Ende 2024 Leitlinien für die Außengastronomie beschlossen. Wie liefen die Gespräche mit der Stadt in diesem Fall?

Der Ansatz, alle Akteurinnen und Akteure an einen Tisch zu holen und gemeinsam etwas zu entwickeln, war positiv. Dafür sind wir dankbar. Wir mussten aber auch schmerzhafte Kompromisse eingehen. Da wir uns als Teil einer gesellschaftlichen Idee verstehen, sind wir dazu aber auch bereit.

Während der Pandemie hat die Stadt die sogenannten „Gastrokümmerer“ eingeführt? Die erste Resonanz fiel positiv aus. Wie ist es jetzt?

Wir sind sehr glücklich, dass es diese drei Leute nach wie vor gibt. Dadurch haben wir direkte Ansprechpartner im Ordnungsamt, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie auf unserer Seite sind und viele Themen für uns lösen können. Ich habe täglich mit ihnen zutun und weiß, dass ich von ihnen immer eine kompetente Antwort bekomme.

Gastronomie und Ordnungsamt: „Haben das Gefühl, dass Ordnungsamtschef die Gastronomie nicht hasst“

Wie ist das aktuelle Verhältnis zum Ordnungsamt? Vor allem während der Pandemie gab es viele Konflikte bei Kontrollen.

Wir hatten damals viele krasse Konflikte. Und es gibt auch heute noch Fälle, in denen Kontrollen nicht positiv ablaufen. Aber bereits seitdem Athene Hammerich (Anm. d. Red.: Ordnungsamtschefin von September 2022 bis Ende 2023) übernommen hatte, haben sich viele Konflikte gelöst. Auch bei Ralf Mayer (Anm. d. Red: seit Sommer 2024 im Amt) haben wir das Gefühl, dass er die Gastronomie nicht hasst.

Ein großes Thema, dass die IG Gastro selbst gesetzt hat, ist der Green Gastro Guide, eine Art Nachhaltigkeits-Leitfaden für die Gastronomie. Wie läuft dieses Projekt?

Da es beim Thema Nachhaltigkeit immer wieder neue Erkenntnisse gibt, werden wir den Guide immer weiter anpassen. Nachhaltigkeit ist ein Zukunftsthema. Kein Unternehmen, das dieses Thema außer Acht lässt, ist zukunftssicher. Es muss auch nicht immer direkt das komplette Zero-Waste-Projekt sein, es kann auch mit kleinen Stellschrauben losgehen. Wir wollen, dass unsere Mitglieder ins Handeln kommen.