Henns Restaurantkritik„Sünner Stube“ – überzeugendes Brauhaus der neuen Generation
Köln – Das graue Reihenhaus am Lindenthalgürtel ist keines, vor dem man als Freund guten Essens automatisch stehenbleibt. Das ist allerdings ein großer Fehler!
Die „Sünner-Stube“ versucht ein zeitgemäßes Brauhaus zu sein. Sie besitzt den Charme einer engen Studentenkneipe und hat sich kulinarisch vom üblichen Einerlei größtenteils verabschiedet, bietet stattdessen eine österreichisch-deutsch-italienische Bistroküche. Neben Sünner- Bieren und -Destillaten finden sich sogar ein paar Weine auf der Karte, von denen der Jermann Pinot Grigio besonders zu empfehlen ist, weil er auf sehr süffige Art beweist, dass italienische Weine dieser Rebsorte auch richtig gut sein können.
Die Küche in der Sünner Stube liebt es deftig
Erstmal ein Klassiker, denke ich, und probiere das Backhendl. Die drei Stücke sind gut frittiert, die Panierung nicht zu dick, das Fleisch saftig. Allerdings wirkt der Feldsalat mit schwachem Kartoffeldressing etwas eindimensional. Wird das hier ein Essen mit Höhen und Schwächen?
Falls ja zählt die lauwarme Forelle mit kalten Perlgraupen, Orangenstückchen und Endivien zu den Höhen, denn Bitter- und Fruchtkomponenten begleiten den Fisch charmant. Noch besser gelingt die Apfelmost-Schaumsuppe: Die Säure kickt geradezu, das Chutney addiert herrliche Fruchtnoten und die große Käsestange ist wunderbar knusprig. Die frittierte Petersilie hätte es zwar nicht gebraucht, aber sie schadet auch keineswegs. Die kulinarische Linie wird langsam klar: Die Küche liebt es deftig, es geht ihr nicht um ein subtiles und fein ausbalanciertes Aromenspiel, sondern um starke Geschmacksnoten. Da gehe ich bei einem Brauhaus immer mit.
Augenschmaus und hohe Qualität bei diesen Gerichten
Trotz der überzeugenden Vorspeisen verblüfft mich die hohe Qualität der Hauptspeisen dann doch: Das Bärlauchrisotto weist einen feinen Biss auf, ein gebackenes Ei und gehackte Pistazien liefern Crunch. Auch sehr gut sind die fluffigen, kurz angebratenen Gnocchi. Sie passen so wunderbar zur würzigen Flönz, als wäre das eine klassische Kombi. Einzig der leicht trockene Rinderschmorbraten schwächelt, auch seine Sauce reißt einen geschmacklich nicht vom Hocker, dafür sind Navetten und Topinambur passende Begleiter.
Alle Gerichte sind schön angerichtet, aber der saftige, weiße Schokokuchen in Kreisform mit Rhabarber und Riesling ist der größte Augenschmaus. Das Portweinparfait wirkt dagegen lieblos, aber geschmacklich gibt es an diesem, vor allem in Kombination mit Minzschaum und eingelegten Traubenhälften, nichts auszusetzen.
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Falls sich die Kritik liest, als wären drei Gänge problemlos zu schaffen: Sind sie nicht. Die Portionen der Hauptspeisen sind so groß, dass ich Ihnen nur einen weiteren Gang guten Gewissens empfehlen kann. Die Preise liegen etwas höher als in anderen Brauhäusern, sind aber jeden Euro wert.
Fazit: Überzeugendes Brauhaus der neuen Generation. Deftige Küche, zum Teil mit kleinen kulinarischen Drehs.Bewertung: Fünf von sechs Sternen
Probiertes in der Sünner Stube
Apfelmost-Schaumsuppe // 9 Euro
Forelle mit Perlgraupen// 14,50 Euro
Backhendl // 14,50 Euro
Bärlauchrisotto // 17 Euro
Rinderschmorbraten // 22 Euro
Parmesan-Gnocchi mit Flönz // 18 Euro
Weißer Schokokuchen // 9 Euro
Portweinparfait // 9 Euro
Sünner Stube, Lindenthalgürtel 72, Köln-Lindenthal, Tel. 0221/67 81 08 17Öffnungszeiten: Täglich 17-23 Uhr, Dienstag Ruhetag