Ratgeber ErziehungBeim Streit erst einmal nicht einmischen

Streit um den Eimer, Schippe auf den Kopf: Kinder streiten sich manchmal wegen Kleinigkeiten. Bevor sie sich einmischen, sollen Eltern versuchen, die Kleinen den Konflikt aber selbst lösen zu lassen.
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Das neue Dreirad, die scheinbar größere Eisportion oder der Platz neben Papa: Kinder streiten sich oft aus Gründen, die Erwachsene nicht immer nachvollziehen können. Gerade wenn es lautstark oder handgreiflich wird, fällt es Eltern schwer, tatenlos zuzusehen. Doch oft ist es besser, sich in die Konflikte nicht einzumischen. Und wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, sollten die Streitschlichter zumindest gewisse Regeln einhalten, um die Auseinandersetzung zu Ende zu bringen.
"Streit an sich ist eigentlich nichts Schlimmes. Er ist sogar sehr wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder", erklärt Stefan Carl, Sprecher der Gewalt Akademie Villigst in Schwerte (Nordrhein-Westfalen). Durch Konflikte können sie lernen, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren und sich gegen andere durchzusetzen. Außerdem erleben sie, dass sie mal gewinnen und mal verlieren und dass es wichtig ist, Kompromisse zu schließen.
"Das Austragen von Konflikten trägt zur Sozialisation bei. Ein Mensch, der im Kindesalter nicht gelernt hat, wie man richtig streitet, wird es später in der Gruppe schwer haben", erklärt Svenja Lüthge, Diplom-Psychologin in Kiel. Denn das mache es problematisch, sich in sie einzufügen oder in ihr zu behaupten. Zum richtigen Streiten gehört es dazu, selbst Lösungen zu finden. Eltern, Erzieher und Lehrer nehmen sich deshalb besser zunächst einmal zurück, wenn es zwischen Kindern kracht.
"Zumindest solange der Streit nicht ausartet und eines der beteiligten Kinder das andere verbal oder körperlich verletzt", so Lüthge. Erst wenn das der Fall ist, oder der Streit einfach kein Ende nimmt, dürfen sich Erwachsene einmischen.
Dabei sollten sie versuchen, so ruhig wie möglich zu bleiben - auch wenn die Nerven bei länger andauernden Querelen blank liegen. "Wem daran gelegen ist, Streitigkeiten effektiv zu schlichten und den Kindern dabei eine positive Streitkultur zu vermitteln, sollte einige Dinge beherzigen", sagt Gabi Althoff vom Bundesverband Mediation. Dazu gehört es unter anderem, die Streithähne nicht einfach durch ein Machtwort zu trennen. Denn dadurch wird der Konflikt nicht gelöst, sondern nur vertagt. "Und wenn er dann an anderer Stelle wieder hochkocht, tut er das teils umso heftiger", sagt Carl.
Ebenso wichtig ist es, keine Position zu beziehen, und beide Streithähne zu Wort kommen zu lassen. "Man sollte zunächst einmal herausfinden, was der Auslöser des Konflikts war", rät Lüthge. Sind die Kinder sehr aufgebracht, kann das ein wenig dauern. Ist der Grund gefunden, können Erwachsene die Kinder nach ihrer Meinung fragen: zum Beispiel, wie sie sich fühlen und was sie sich von dem anderen Kind wünschen.
So können Mädchen und Jungen das Verhalten des anderen besser verstehen und erkennen, warum sie sich in die Haare bekommen haben. "Abgesehen davon bildet ein solches Gespräch eine gute Ausgangsbasis für eine Lösung, mit der sie zufrieden sind", erklärt Helge Dietrich, Berliner Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung. Am besten sei es, wenn nicht der Schlichter, sondern die Kinder den Schlüssel zum Frieden finden. Einen selbst gefundenen Kompromiss könnten sie eher akzeptieren, als einen, der ihnen von einem Außenstehenden auferlegt wurde.
Dabei dürfen die Eltern aber durchaus Hilfestellung geben, vor allem bei den ganz Kleinen, die noch keine Streitkultur entwickelt haben. "Wenn man merkt, dass sie nicht weiter wissen, kann man ihnen Lösungsvorschläge machen", sagt Althoff. Diese sollten Mutter und Vater aber begründen und die Kinder in die Entscheidung mit einbeziehen. Um Kinder zu guten Streitern zu machen, ist es wichtig, ihnen ein paar Regeln mitzugeben. Zum Beispiel, den anderen ausreden zu lassen, nicht laut oder verletzend zu werden oder den anderen körperlich anzugreifen. "Damit ein Kind dieses Verhalten verinnerlicht, muss man es ihm natürlich vorleben", sagt Carl. Eltern, die sich in Anwesenheit ihrer Kinder lautstark beschimpften, müssen sich nicht wundern, wenn die es ihnen gleichtun. (dpa)