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Photokina in KölnAuf der Suche nach dem perfekten Motiv

Lesezeit 7 Minuten

Morgendunst liegt über den Tempeln in Myanmar.

Köln – Michael Schulz ist Instagrammer der ersten Stunde – und heute mit 493 000 Followern ein Star der Fotocommunity. Auf der Photokina erzählt er am morgigen Donnerstag über seine Karriere. Eva Reik hat mit ihm vorab gesprochen.

Herr Schulz, wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Ich habe das Glück der ersten Stunde gehabt. Ich habe die App vor acht Jahren, im Oktober 2010, zwei Wochen nachdem sie da war, heruntergeladen und nutzte sie als mein Kommunikationswerkzeug. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und wurde entdeckt – jeden Tag von mehr Leuten.

Wie oft laden Sie Bilder hoch?

Mittlerweile nicht mehr so viele. Am Anfang waren es bestimmt fünf, sechs Fotos am Tag. Im Moment sind es zwei, drei in der Woche. Es kommt sehr darauf an, ob ich reise oder in Berlin bin. In Berlin wird es immer schwieriger, noch Motive zu finden, weil vieles doch sehr abgegrast ist – im Gegensatz zu meiner Anfangszeit. Insofern hat sich Instagram auch sehr verändert. Früher war es einfach das Tool einer Foto-Community, die da ihre Ausdrucksmöglichkeit und auch ihre Fans fand. Heute ist die Qualität schon sehr hoch, ein Bild muss mindestens Postkartenqualität haben.

Welche Straßenszene wird für Sie denn überhaupt zum Motiv?

Ich persönlich kann mich schwer auf einen bestimmten Stil festlegen. Das Beste sind unbekannte Szenen. Dann wird es für viele interessant, das gibt dann Likes.

Also muss gar nicht der Fernsehturm auf jedem Berlin-Foto sein?

Der Fernsehturm läuft irrwitzigerweise immer gut, egal wie oft und ob er aus der immer gleichen Perspektive gezeigt wird. Er ist das ikonische Berlin-Symbol. Kürzlich hatte ich eine Szene von „Unter den Linden“ – das hat überraschender Weise auch sehr viele Likes erzielt. Menschen dagegen funktionieren bei mir relativ schlecht, auf meinem Instagram-Account zumindest. Bei meinem zweiten Account, @Berlinstagram, dem Streetfotografie-Account, ist es anders. Da bin ich auf Menschen fokussiert, Fußgänger, die mir im Vorbeigehen auffallen, keine Models und gestellte Szenen.

Was spricht denn gegen Models und Studiofotografie?

Gar nichts, aber ich selbst bin einfach der Situations-Fotograf, nicht der Porträt-Fotograf. Nichtsdestotrotz schaue ich mir sehr gerne gute Porträts an.

Wenn man bevorzugt Menschen fotografiert, kommt es oft auf den Bruchteil einer Sekunde an, Mimik, Haltung, Licht. Sind Stadtaufnahmen einfacher zu fotografieren, weil Häuser statisch sind?

Ich finde ja, dass es durch die zunehmende Professionalität sogar schwieriger geworden ist, ein gutes urbanes Foto zu machen. Licht und Stimmung müssen da zu hundert Prozent stimmen. Ein Porträt lässt sich vorbereiten, man muss das richtige Model finden und gut zusammen arbeiten. Aber das trifft einfach nicht meinen Nerv.

Gibt es Tageszeiten und Lichtsituationen in denen Sie besonders gerne unterwegs sind?

In der goldenen und in der blauen Stunde, also sehr früh am Morgen und abends kurz vor Sonnenuntergang. Sonnenaufgang ist eigentlich die beste Zeit, das ist nur mit dem Aufstehen immer etwas schwierig. In Berlin ist es im Sommer um halb fünf schon hell. Aber es lohnt sich sehr, dann die Stimmung einzufangen, wenn die Stadt noch ruhig ist, noch schläft, das ist unbeschreiblich schön. Zu beiden Zeiten ist das Licht perfekt, im Gegensatz zur Mittagszeit. Um zwölf Uhr muss man wirklich nicht fotografieren, keine Natur, keine Menschen und auch nicht Städte. Alles wirkt dann so flach ausgestrahlt, ohne Schatten, ohne Spannung.

Impressionen von der Hsinbyume Pagoda in Myanmar.

Welche Motive sind Garanten für einen Instagram-Erfolg?

Die Klassiker: Fernsehturm, Oberbaumbrücke, die Straße des 17. Juni von der Siegessäule herunter fotografiert, das Übliche. Auf Dauer wird das natürlich langweilig, deshalb ist es für mich immer super, wenn mich meine Aufträge an exotische Orte führen. Dann finde ich mit frischem Blick neue Motive.

Ist ihr bevorzugtes Reiseziel immer noch Südostasien?

Ja, ich bin schon sehr oft durch Asien gereist, Thailand ist mein Favorit, Bangkok meine zweite Heimat. Dieses Jahr werde ich zum dritten Mal da überwintern. Dann bin drei Monate da und umgehe das wirklich graue Berlin.

Wie finanzieren so ausschweifende Reisen? Mit Instagram?

Seit ich meinen Job in als Konzepter in der Werbeagentur aufgegeben habe, hat jeder meiner Aufträge mit Instagram zu tun. Seither berate ich Firmen für deren Instagram-Auftritte, und das eben selbstständig und ortsunabhängig. Was ich brauche sind Smartphone, Laptop, gelegentlich Strom und einen Internetanschluss. Das gibt es an fast jedem Ort auf der Welt.

Können Sie Instagram-Consulting erklären?

Ich erstelle die Instagram Accounts für Unternehmen, lenke die Aktivitäten, bestimme Strategie und Inhalte. Die Photokina ist zum Beispiel auch ein Kunde, da gab es im Mai einen Relaunch, alle bisherigen Inhalte habe ich archiviert und den Auftritt neu gestaltet. Weil ich das eben schon so lange mache, habe ich ein riesiges Fachwissen und kenne die Community.

Machen Sie nach wie vor Fotos mit dem Smartphone?

Ich habe mit dem Smartphone angefangen und auch die ersten drei Jahre lang ausschließlich damit fotografiert. Mittlerweile habe ich aber mehrere professionelle Kameras und viele Objektive. Die Ergebnisse auf @berlinstagram sind heute ein Mix, mit etwa einem Viertel Smartphone-Fotos.

Bearbeiten Sie ihre Fotos, oder veröffentlichen Sie sie ungefiltert?

Nein. Die Bilder sind alle bearbeitet, wie gesagt: Es sind Postkartenmotive. Früher habe ich direkt auf dem Smartphone mit Bildbearbeitungs-Apps gearbeitet, heute sind mehr Programme im Einsatz, wie zum Beispiel Lightroom. Instagram hat sich so professionalisiert, dass jeder Nutzer nur seine besten Bilder veröffentlicht. Money Shot sagt dazu die Community.

Wie viele Bilder machen Sie von einem Motiv bis Sie zufrieden sind?

Ziemlich viele. Und wenn ich den ganzen Tag durch die Stadt laufe, habe ich am Ende ein Motiv, bei dem es sich lohnt, noch mal eine halbe Stunde aufzuwenden , um es zu optimieren.

Früher sagten Sie einmal, dass Sie ein schüchterner Mensch sind. Verliert sich die Zurückhaltung nicht mit wachsendem Erfolg und zunehmenden Likes?

Eigentlich nicht. Aber vielleicht ist das eine Gemeinsamkeit unserer Community: Viele Instagrammer sind eher introvertierte Menschen. Das ist ganz spannend. Das habe ich auch bei vielen Fotografen schon festgestellt, sie nutzen das Bild als ein anderes Kommunikationsmittel und brauchen die Sprache nicht so sehr, sondern die Optik. Ich glaube Künstler sind generell mehr introvertierte Menschen. Aber es gibt natürlich auch das krasse Gegenteil, etwa die einschlägigen Mode-Fotografen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Mode-Influencer auf Instagram besonders zurückhaltende Menschen sind!

Das ist noch mal eine ganz andere Welt. Das Kernelement ihrer Arbeit ist die Selbstdarstellung.

Gibt es von Ihnen keine Selfies?

Nein, eigentlich gar nicht. In den acht Jahren habe ich nur sehr wenige Fotos von mir gepostet. Das Erstaunliche ist trotzdem, dass ich auf der Straße erkannt werde, egal ob in Berlin, Buenos Aires oder Seoul.

Ist der Instagram-Peak und Influencer-Wahnsinn erreicht? Wie sind Ihre Prognosen? Wohin geht der Trend?

Ich würde sagen, der Lifestyle-Hype ist vorbei. Weil sich viele Firmen nicht richtig dargestellt fühlten. Aber ich glaube, die Bindungen zwischen einzelnen Influencern und den Firmen werden enger, es werden mehr Langzeitkooperationen entstehen. Instagram selbst sehe ich immer noch mehr im Kommen, weil es einfach keinen ernsthaften Konkurrenten gibt. Es kann natürlich sein, dass das Interesse irgendwann ein bisschen abflauen wird, wie wir das mit Facebook im Moment erleben, aber grundsätzlich geht das immer weiter und stagniert in ein paar Jahren vielleicht mal auf sehr hohem Niveau.

Eine mal andere Sicht auf Lissabon

Können Sie sich erinnern, wie Sie damals bekannt wurden?

Es waren die lokalen Medien, die einen Dominoeffekt auslösten. Mit der ersten größeren Geschichte in der Berliner Morgenpost ging es los. Am Anfang konnte ja noch kein Mensch ahnen, wo die Reise hingeht. Es war eine Fotocommunity-App, mehr nicht. Wirklich keiner dachte, dass man durch die Aktivitäten irgendwann Geld verdienen kann.

Und schon mal in die ganz andere Richtung gedacht: Wäre ein haptischer, analoger Fotoband etwas für Sie?

Das ist tatsächlich ein ganz großer Wunsch von mir. Mir fehlt nur die Zeit, so ein Projekt anzugehen. Ich bräuchte noch nicht mal einen Verlag, ich würde den Band selbst heraus geben über Selbstpublishing und vorher per Crowdfunding Geld einsammeln. So machen das viele.

Kurz noch eine Frage zur Photokina, die ja heute in Köln beginnt: Welche Tipps werden Sie Ihrem Publikum auf der Messe denn geben?

Instagram unterscheidet sich im Format grundlegend, wie man Bilder konsumiert. Die User müssen ein Foto binnen Millisekunden erfassen können – für diese Bildgestaltung gebe ich Tipps.